In den alten Stadthafenrevieren entsteht Bremens jüngster Stadtteil – Vielfältige Vorhaben nehmen in der Überseestadt Gestalt an
Kräne recken sich in den Himmel, Lärm von Baumaschinen hängt in der Luft. Aufbaustimmung in Bremens alten Stadthafenrevieren. Hier errichten private Investoren den jüngsten Stadtteil der Hansestadt: die Überseestadt. Und das trotz Wirtschafts- und Finanzkrise voller Zuversicht für den wirtschaftlichen Erfolg.
„Die Wasserlage, die Verbindung von Alt und Neu, die tolle Verkehrsanbindung – die Überseestadt ist eben etwas ganz Besonderes“, erklärt Clemens Paul von der Justus Grosse GmbH das Engagement seines Hauses. Den historischen Speicher I etwa hatte das Unternehmen schon 2006 saniert und auf Anhieb voll vermietet, insbesondere an Unternehmen der Kreativwirtschaft. Auch die architektonisch ausgefallenen neuen Bürogebäude direkt am Hafenbecken erfreuen sich großer Beliebtheit.
Wohnen am Weserufer
Das nächste Großprojekt ist im Werden. Am 19. Juni legen Clemens Paul und Grosse-Mitgesellschafter Joachim Linnemann den Grundstein für das Ensemble „WeserUfer“ mit rund 90 Wohnungen sowie Gewerbe- und Büroflächen. Das Wahrzeichen wird der Landmark-Tower, ein 20-stöckiges Gebäude mit Penthouse-Bar. Ende 2010 sollen die Bauten bezugsfertig sein.
90 Millionen Euro investiert die Justus Grosse GmbH hier und ist überzeugt, das Richtige zu tun. Mit der Überseestadt habe Bremen einen wahren Trumpf im Ärmel, meint Paul, zum Beispiel für Unternehmen, die das Innovative suchen und gleichzeitig an Innenstadt, Hauptbahnhof und Flughafen optimal angebunden sind. Nur auf Prospekte hin hätten sich schon zwölf Firmen für das „WeserUfer“ entschieden. Das zeige: Deutschland bestehe nicht nur aus Opel und Karstadt. Privatleute wiederum besännen sich in Zeiten der Krise auf konservative Werte, zum Beispiel Immobilien. 15 von 39 Eigentumswohnungen seien schon verkauft, zahlreiche Mietverträge im Landmark-Tower unterschrieben – „und das, obwohl wir keine Musterwohnungen haben und die Mieter erst im November 2010 einziehen können“.
Mit der Vermarktung gut in der Zeit
Die Überseestadt boomt: Diese Erfahrung macht auch die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH die in anderen Gewerbegebieten der Stadt derzeit Kaufzurückhaltung spürt. Im Jahr 2000 begann die städtische Gesellschaft mit der Vermarktung von 96 Hektar. Insgesamt umfasst die Überseestadt 288 Hektar. Rund 200 Hektar dieser Fläche werden nach wie vor von alteingesessenen Unternehmen wie beispielsweise Kellogg´s und der Roland-Mühle genutzt. Knapp die Hälfte der vermarktbaren Flächen hat die WFB seither verkauft, davon 10,4 Hektar allein 2008.
„Nach den bisherigen Planungen gehen wir davon aus, dass die wesentliche Entwicklung der Überseestadt bis 2025 abgeschlossen ist“, sagt WFB-Geschäftsführer Dr. Dieter Russ. „Wir liegen also sehr gut in der Zeit.“ Das Interesse sei groß, vor allem an Grundstücken in Wassernähe. In diesem Jahr seien bereits drei große Grundstücke verkauft, die Verhandlungen mit weiteren Investoren weit gediehen.
Zentrale Lage überzeugte
Zufrieden registriert Russ auch die Einweihung eines der ersten gewerblichen Neubauten in der Überseestadt. Am 19. Juni eröffnet die Domeyer GmbH & Co. KG, traditionsreiches Bremer Fachhandels- und Herstellerunternehmen für Brandschutz- und Sicherheitstechnik, offiziell den neuen Firmensitz. Auf dem 7.000 Quadratmeter großen Grundstück ist ein moderner Backsteinkomplex aus Werkstatt, Lagerhalle und dreistöckigem Bürogebäude entstanden.
„Die Überseestadt bietet uns Raum zum Wachsen“, erklärt Geschäftsführer Albert Diedr. Domeyer auf die Frage, warum das Unternehmen sich zu der Vier-Millionen-Euro-Investition entschloss. Am früheren Standort habe es keine Erweiterungsmöglichkeit mehr gegeben, die jedoch wegen der günstigen Unternehmensentwicklung dringlich gewesen sei. Mithilfe der WFB habe man dann den neuen Standort gefunden. „Die attraktive, zentrale Lage mit maritimem Ambiente und die gute Anbindung der Überseestadt haben uns überzeugt“, so Domeyer.
Das Domeyer-Gebäude steht in direkter Nachbarschaft zu Speicher I und Schuppen I an der Haupterschließungsroute durch die Überseestadt. Den knapp 38.000 Quadratmeter großen Schuppen widmen sich gerade andere Investoren. In diesen Tagen wollen sie mit dem Entkernen beginnen und annähernd 30 Millionen Euro in ihre Pläne investieren.
Neues Zentrum für Autofans
Für die eine Hälfte des mehr als 400 Meter langen, zweigeschossigen Gebäudes planen die Bremer Kaufleute Lüder Kastens und Rolf Specht eine Mischung aus Loft-Wohnen, Büros, Gastronomie, Sport und Freizeitflächen. Neben einem Sportstudio sind unter anderem eine Indoor-Golfanlage und ein kleines Veranstaltungszentrum im Gespräch.
Die andere Hälfte des Schuppens wird von der KJH GmbH gestaltet. Das Erdgeschoss soll ganz im Zeichen der „Faszination Auto“ stehen, wie Projektleiter Daniel Hornung erklärt. Geplant ist ein Museum rund um die Bremer Automobilbau-Geschichte von Borgward bis Mercedes. Zudem sollen unter anderem eine Oldtimer-Werkstatt, ein Ersatzteilhändler und ein Oldtimer-Vermieter einziehen. Die Vermarktung laufe gut, sagt Hornung: „Die Szene hat so etwas gesucht: ein Zentrum, einen Treffpunkt für fachkundige Besucher.“
Vielleicht siedeln diese sich auch gleich selbst im Schuppen I an. Auf der ersten Etage sollen nicht nur rund 90 Oldtimer-Einstellplätze entstehen, die mithilfe eines Autofahrstuhls zu erreichen sind. Außerdem plant die KJH GmbH Büros und exklusive „Autolofts“, Wohnungen mit Parkplätzen. Auf einer zwölf Meter breiten Straße können die Bewohner mit ihren Fahrzeugen dann bis vor die Haustür rollen – im Hausinnern zwar, und doch unter freiem Himmel für authentischen Fahrspaß: „Wir werden das Dach über dieser Straße öffnen lassen“, berichtet Daniel Hornung.