Normalerweise bedeutet Kunst, ein Werk visuell zu betrachten – aber: Lässt sich Kunst auch mit der Nase wahrnehmen? Wonach duften Bilder, Texte und Orte und welche Assoziationen rufen sie wach? Haben Phänomene wie Macht oder Rassismus einen Geruch? Und welche Worte finden wir für unterschiedliche Düfte?
Immer der Nase nach geht es beim Projekt „Smell it! Geruch in der Kunst“. Bremer Kunstinstitutionen widmen sich darin den vielfältigen Aspekten des Geruchssinns als Mittel der menschlichen Welterschließung. Zehn Ausstellungen, eine wissenschaftliche Vortragsreihe sowie begleitende Vermittlungsaktionen ergänzen sich vom 8. Mai 2021 bis zum 31. Juli 2021 zu einem bunten Programm. Auch wenn die Ausstellungen in den Bremer Museen noch nicht wie geplant besucht werden können, finden spannende Formate bereits digital oder draußen statt – und bieten Gelegenheit, die Hansestadt einmal zu erschnuppern.
Das Projekt entstand als gemeinsame Aktion von Bremer Institutionen der Gegenwartskunst. Beteiligt sind die GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst, das Gerhard-Marcks-Haus, das kek Kindermuseum, das Künstlerhaus Bremen, die Kunsthalle Bremen, der Kunstverein Bremerhaven, das Paula Modersohn-Becker Museum, die Städtische Galerie Bremen, die Weserburg Museum für moderne Kunst und das Zentrum für Künstlerpublikationen.
Gerüche im Kontext von Migration und Kolonialisierung
Dass der Geruchssinn eine entscheidende Rolle in unserem Leben spielt, wird uns spätestens bewusst, seit der Filter einer Maske zwischen Nase und Außenwelt eingezogen ist. Unsere Wahrnehmung verzichtet durch diesen Zustand auf ein bemerkenswertes synästhetisches Element: Der Geruchsinn ist der ursprünglichste aller Sinne und wird ohne Filterung des Gehirns direkt im limbischen System aufgenommen. Dort wird er mit Emotionen sowie in besonderem Maße auch mit Erinnerungen verknüpft, triggert unser implizites Gedächtnis und kann blitzschnell Empfindungen oder Gemütszustände hervorrufen.
Mit Geruch arbeitende zeitgenössische Künstler:innen stellen im Rahmen des Projekts ihre Positionen individuell dar und befragen bestehende Sammlungen nach deren geruchlichen Aspekten. So zeigt beispielsweise die Kunsthalle Bremen die Ausstellung „Mit den Augen riechen. Geruchsbilder seit der Renaissance“. Gemälde, Graphiken und Fotografien aus verschiedenen Jahrhunderten verdeutlichen nicht nur, wie Künstler:innen den flüchtigen Geruch dargestellt und ihm Gestalt gegeben haben. Sie fragen auch, was das Riechen für den Menschen und das Miteinander bedeutet. Eine raumgreifende Installation des kolumbianischen Geruchskünstlers Oswaldo Maciá lässt Besucher:innen die weltweite Migration von Düften erleben.
Um „Koloniale Wohlfühl-Düfte – Gerüche des Rassismus“ dreht sich ein Vortrag der Choreographin und Wissenschaftlerin Sandra Chatterjee. Bis heute ist der Zusammenhang von kulturellen Unterschieden und Gerüchen nicht immun gegen rassistische Zuschreibungen. „Kolonialwaren“ wie Kaffee und Schokolade hingegen rufen positive Assoziationen hervor, sind mit Wohlfühlen, Lebensfreude und einem Hauch von Luxus verbunden. Die Künstlerin skizziert ihre Recherche zur Duftlandschaft in Bremen als traditionelle Handelsstadt und verbindet sie mit ihrer tänzerischen Arbeit.
Riechparcours, duftende Geschichten und die eigene Nase als Kunstwerk
Zahlreiche Aktionen im Rahmen des Kunstprojekts laden zum Mitmachen und Gestalten ein: Beim Workshop „Nasensammlung“ können Klein und Groß ein Duplikat ihrer Nase anfertigen. Die so entstandenen Nasenskulpturen bilden ein stetig wachsendes Kunstwerk. Wer möchte, kann eine seiner Nasen anschließend mit nach Hause nehmen. Auch das Ferienatelier für Kinder bietet allerhand Gelegenheit, mit Düften kreativ zu werden: Ob spielen, riechen, reimen, malen, Gedichte und Geschichten schreiben – hier ist alles erlaubt und gefragt. Für kreative Anregung sorgen neben Blumenstillleben von Paula Modersohn-Becker ein duftender Samenteppich der Künstlerin Camilla Nicklaus-Maurer sowie Streifzüge durch städtische Gärten und Kunstinstallationen.
Eine Riechrallye lädt außerdem zu einem Nasenbummel rund um die Weserburg ein: Vier Nasenskulpturen auf der Weserhalbinsel sind mit QR-Codes ausgestattet, die über das eigene Smartphone eingescannt Informationen zu typischen Bremer Gerüchen bereithalten. Im dazugehörigen Blog können Teilnehmende ihre Geruchserfahrungen teilen. Auch das ehemalige Hafenquartier der Bremer Überseestadt und viele weitere Orte der Hansestadt lassen sich bei Riechparcours erschnuppern.
Über die Hintergründe des Projekts, die Ausstellungen in den Bremer Museen und begleitende Aktionen informiert die Webseite www.museeninbremen.de/smellit. Interessierte erfahren unter dem Reiter „Rahmenprogramm“, welche Aktionen bereits digital oder draußen erlebbar sind.
Weitere Informationen zu den vielseitigen Angeboten in Bremen gibt es bei der Bremer Touristik-Zentrale (BTZ) unter www.bremen.de/tourismus oder telefonisch bei den BTZ-Mitarbeitenden unter 0421/30 800 10.