„Flight Kids“ proben den Abflug
PressedienstAm Bremer Flughafen lernen Jugendliche die Luftfahrt kennen
Der Airbus A320 soll von Bremen nach Frankfurt fliegen. Vorab gilt es, den Treibstoffbedarf zu berechnen: Dabei müssen Parameter wie Windverhältnisse und Verkehrsaufkommen unbedingt berücksichtigt werden. Aufgaben wie diese bekommen die „Flight Kids“ zweimal im Monat bei ihrem jeweils vierstündigen Unterricht auf dem Gelände des Bremer Flughafens vorgelegt. Nach dem Lösen der Aufgaben dürfen sie die Strecke im Flugsimulator abfliegen und überprüfen, ob ihre Berechnungen richtig waren. „Eine Sinnhaftigkeit in dem zu sehen, was sie lernen, und das mit dem spielerischen Tool des Simulators zu verknüpfen – das fasziniert die Jugendlichen“, berichtet Walter Drasl, Initiator des Programms.
Drei Jahre ins fliegende Klassenzimmer
Drasl war früher selbst Pilot und Fluglehrer. Heute ist er 73 Jahre alt – und hat immer noch zu viele Ideen, um sich zur Ruhe zu setzen. So gründete er unter anderem vor einigen Jahren das Portal Flugsimulator.com, das Termine für private Simulator-Flüge vermittelt und in Bremen, Hamburg und Berlin auch eigene Flugsimulatoren betreibt. „Die Idee des fliegenden Klassenzimmers war schon immer da“, erläutert Drasl. Als er 2019 die Einladung erhielt, an einer Berufsorientierungsmesse teilzunehmen, stellte er den anwesenden Jugendlichen seine Idee vor – und erhielt sofort die ersten Anmeldungen zu einem dreitägigen Probelauf, den er damals während der Sommerferien in Bremen veranstaltete. Die Resonanz auf diese „Summer School“, die seither regelmäßig in den Ferien stattfindet, war so positiv, dass er sich einen pädagogischen Leiter ins Boot holte und mit ihm zusammen das Curriculum für eine dreijährige Langversion entwickelte.
Und dieser Lehrplan hat es in sich. Da ist das Fach Physik, in dem es um Auftrieb und Aerodynamik ebenso geht wie um technische Systeme oder aktuelle Entwicklungen beim Bau von Elektroflugzeugen. In angewandter Mathematik lernen die Jugendlichen zum Beispiel, wie sie den Luv-Winkel bei Seitenwind bestimmen oder die Kosten und den Treibstoffverbrauch eines Flugs berechnen. Und auch die anderen Unterrichtseinheiten wie Politik, Wirtschaft, Geographie, Geschichte, Chemie, Deutsch, Englisch, Psychologie und Biologie greifen Aspekte der Luftfahrt auf. Darüber hinaus erfahren die „Flight Kids“, welche Berufe es in der Luftfahrt gibt, welche Unternehmen in der Airport-Stadt ansässig sind und wie ihre eigenen Erwartungen an die Berufswahl zu ihren Stärken und Talenten passen.
Dem Fachkräftemangel begegnen
Nach dem Abschluss der „Flight School“ haben die Teilnehmenden gute Aussichten, in der Hansestadt eine Tätigkeit in der Luftfahrt zu finden: Mehr als 140 Unternehmen und 20 Institute mit rund 12.000 Beschäftigten gehören zur Bremer Luft- und Raumfahrtbranche und erwirtschaften pro Jahr über vier Milliarden Euro. Damit hat Bremen gemessen an der Einwohnerzahl die höchste Luft- und Raumfahrtbeschäftigungsdichte in Deutschland.
Wie viele andere Branchen hat auch die Luftfahrt mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen – insofern kann das Programm aus Bremen auch einen Beitrag dazu leisten, diesem zu begegnen. Der vor einigen Monaten abgeschlossene erste Jahrgang macht da durchaus Hoffnung: So beginnt einer der Teilnehmer eine Ausbildung zum Fluglotsen, ein anderer hat eine Lehrstelle in der Flugzeugindustrie bekommen und ein dritter startet ein technisches Studium. Neben der beruflichen Orientierung ist es Walter Drasl besonders wichtig, dass die Jugendlichen auch einen Sinn für das Miteinander vermittelt bekommen: „Sie sind immer im Team, das ist unabdingbar“, macht er deutlich. „Gewisse Aufgabenstellungen lassen sich nicht allein lösen, dafür braucht es soziale Kompetenz und Rücksichtnahme.“
Der Unterricht der „Flight Kids“ findet zweimal im Monat in den Räumlichkeiten des Bremer Flughafens statt, wo sich auch der Flugsimulator befindet. Während die Klasse in der ersten Stunde eine theoretische Aufgabe zu lösen hat, darf in den kommenden drei Stunden jeweils eine Gruppe in den Simulator, um die Theorie in die Praxis umzusetzen. Weil es dort nur drei Plätze gibt, ist die Klassengröße auf neun Jugendliche begrenzt. Die zwei ersten Klassen, die 2019 gestartet sind, haben das Programm mittlerweile erfolgreich beendet. In den folgenden Jahren sind jeweils zwei weitere Klassen an den Start gegangen, und auch in diesem Jahr soll es mit einem neuen Jahrgang weitergehen. „Die Nachfrage ist so groß und es läuft so gut, dass wir das Programm inzwischen auch an unseren Standorten in Hamburg und Berlin aufgelegt haben“, berichtet Drasl.
Große Motivation zum Lernen
Was ihn im Rahmen des Bremer Programms besonders freut, sind die Wissbegierde und die Begeisterung der Jugendlichen. Und die dankbaren Rückmeldungen der Eltern, die sich über die Lernbereitschaft ihrer Kinder freuen – und zum Teil erstaunt sind, wie groß deren Motivation ist. „Der Unterricht für die erste Klasse war immer am Sonntagvormittag“, erinnert sich Walter Drasl. „Bis dahin mussten manche Eltern ihre Kinder mittags mühsam wecken. Jetzt standen sie plötzlich freiwillig pünktlich um 9.30 Uhr am Flughafen.“ Aktive Werbung habe er für sein fliegendes Klassenzimmer nie machen müssen: „Das hat sich von Anfang an so herumgesprochen, die Jugendlichen kommen von selbst auf uns zu.“
Und weil es so gut läuft, bietet der 73-Jährige die dreitägige Kurzversion inzwischen nicht mehr nur in den Sommerferien an, sondern zusätzlich auch in den Herbst- und den Osterferien. Neu im Programm ist außerdem ein dreitägiges „Flight Camp“ für Erwachsene, das Ende Februar seine Premiere in Bremen und kurz darauf in Berlin feiert. Sechs Teilnehmende des ersten „Flight Kids Academy“-Jahrgangs haben sich außerdem zum bald startenden Nachfolgeprogramm „Aviator Academy“ angemeldet, das ihnen vertiefende praktische und technische Kenntnisse vermitteln soll. „Bremen ist für all das der ideale Standort“, macht Drasl deutlich. „Luft- und Raumfahrt sind hier im Wirtschaftsleben fest verankert, darum ist es nicht schwer, das Interesse für solche Programme zu wecken.“
Am Geld soll es nicht scheitern
Die Entwicklung und Umsetzung der „Flight School“ gingen dem Initiator und seinem Team nach eigenen Angaben leicht von der Hand. Größere Herausforderungen hätten sich erst mit Beginn der Corona-Pandemie gezeigt: „Als wir im März 2020 plötzlich nicht mehr in den Räumen des Flughafens unterrichten durften, haben wir innerhalb von fünf Tagen alles auf Distanzunterricht umgestellt – aber auch das hat geklappt.“ Die ursprünglich geplanten Besuche bei kooperierenden Unternehmen aus der Luftfahrtbranche hätten in dieser Zeit allerdings ausbleiben müsse. Das solle in den laufenden Jahrgängen nun nachgeholt werden.
Ganz günstig ist es übrigens nicht, ein „Flight Kid“ zu werden: 150 Euro pro Monat kostet die Teilnahme an dem Programm. Am Geld soll es aber nicht scheitern, das war für Walter Drasl von Anfang an klar. Und so überzeugte er Bremer Unternehmen, die namentlich nicht genannt werden möchten, die Kosten für einen Teil der Jugendlichen zu übernehmen. Einige der Teilnehmenden in Bremen und Hamburg profitieren von solchen Stipendien. Auch in Zukunft werden so interessierte Jugendliche die Möglichkeit bekommen, ein „Flight Kid“ zu werden und die Faszination Fliegen hautnah zu erleben. In Bremen, Hamburg, Berlin – und wenn Walter Drasl irgendwann auch in anderen Städten noch mit eigenen Flugsimulatoren an den Start gehen sollte, dann auch dort. Anpassungen des Lehrplans sind nach den ersten Durchläufen nicht vorgesehen: „Wir haben erlebt, dass das Konzept einfach gut ist“, sagt er. „Deshalb müssen wir nichts verändern.“
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Foto 1: Mit dem Programm „Flight Kids“ bekommen Jugendliche aus Bremen Einblicke in die Theorie und Praxis der Luftfahrt. © Flugsimulator.com
Foto 2: Unterstützt von einem Lehrkräfteteam pauken die „Flight Kids“ Physik, Mathe und andere Fächer, die für die Luftfahrt wichtig sind. © Flugsimulator.com
Foto 3: Walter Drasl ist der Initiator des Programms „Flight Kids“. Früher war der heute 73-Jährige selbst Pilot und Fluglehrer. © ProToura
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