Der nächste große Schritt für die Menschheit
Luft- und Raumfahrt50 Jahre nach Apollo 11: Raumfahrtbranche in Bremen arbeitet an der Rückkehr zum Mond
Bremen rüstet sich als wichtiger Raumfahrtstandort für die europäischen Beiträge zum nächsten großen Schritt für die Menschheit. Bei Airbus Defence and Space haben die Vorbereitungen für das dritte Europäische Service Modul (ESM) begonnen, das die Raumkapsel Orion antreiben und die Besatzung versorgen wird. Auch die Experten von OHB Systems beschäftigen sich mit Systemen für den dauerhaften Aufenthalt auf dem Mond.
Bis zu 600 Millionen Menschen schauten zu
Am 16. Juli 1969 startete eine Saturn-V-Rakete vom Kennedy Space Center in Florida. Sie benötigte drei Tage, um die Mondumlaufbahn zu erreichen. Einen Tag später war es soweit: Die ersten Astronauten der Apollo 11-Mission landeten auf dem Mond. Bis zu 600 Millionen Menschen weltweit schauten zu. Unter ihnen war auch Rolf Janovsky, damals sieben Jahre alt. „Ich kann mich gut erinnern, dass wir das vor dem Fernseher verfolgt haben. Vielleicht hat mich das so geprägt, dass ich heute in der Raumfahrt arbeite“, sagt Dr. Rolf Janovsky, der beim Bremer Raumfahrtunternehmen OHB Systems die Vorentwicklung sowie Studien und Entwürfe für neue Weltraumsysteme verantwortet.
Von Raumfahrt schon als Kind fasziniert
50 Jahre nach der ersten Mondlandung sind mit ihm und Dr. Oliver Juckenhöfel zwei Bremer so tief wie kaum ein anderer Raumfahrtexperte in Deutschland in die Rückkehr zum Trabanten eingebunden. Juckenhöfel leitet den Raumfahrt-Standort Bremen von Airbus Defence und Space. Er war zwar noch nicht geboren, als Apollo 11 um den Mond kreiste und das Landegerät „Eagle“ auf den Mond schickte. Dennoch faszinierte ihn das Thema Raumfahrt als Kind und Jugendlicher so, dass er schließlich Luft- und Raumfahrttechnik studierte.
Bemannte Mondmission schon in fünf Jahren geplant
Dem Mond gilt inzwischen Juckenhöfels besonderes Augenmerk. „Wenn man abends zum Himmel schaut und weiß, da oben fliegen wieder Menschen hin – das ist doch einfach toll“, sagt er. Sein derzeit größtes Projekt ist das Europäische Service Modul (ESM) für das NASA-Raumschiff Orion. Dessen buchstäblich tragende Rolle bei der nächsten Mondmission der Amerikaner kommt selbst für die Fachleute überraschend früh: Bereits in fünf Jahren und nicht erst 2028 soll ein NASA-Astronaut – und erstmals auch eine Astronautin – den Boden des Mondes betreten.
Auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens auf der Erde
Im Apollo-Programm der NASA war die Eroberung des Weltalls eine Frage der nationalen Ehre. Unter dem Schock, dass die damalige Sowjetunion mit Juri Gagarin 1961 den ersten Mensch ins All gebracht hatte, setzte der damalige US-Präsident John F. Kennedy seinem Land ein ehrgeiziges Ziel: Vor dem Ende des Jahrzehnts sollte ein Amerikaner auf dem Mond sein. Und so geschah es dann auch. In den darauffolgenden drei Jahren gab es fünf weitere bemannte Mondlandungen, insgesamt betraten zwölf Menschen den Mond – zuletzt im Jahr 1972.
Nun soll es wieder passieren. Prestige-Denken spielte wohl auch eine Rolle, als US-Präsident Donald Trump die Beschleunigung des NASA-Programms für die Rückkehr zum Mond durchsetzte. Doch das Interesse am Erdtrabanten geht weit über die politische Symbolik hinaus. „Es ist inzwischen klar, dass der Mond einen wesentlichen Einfluss auf das Leben auf der Erde hat, deswegen wollen wir ihn intensiv erforschen“, erläutert Rolf Janovsky, der als Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt gerade ein vielbeachtetes Symposium „50 Jahre Mondlandung“ organisiert hat. So deutet vieles darauf hin, dass erst der stabilisierende Einfluss der Mondanziehung die Erde in der Position hält, die ein Leben auf der Erde ermöglicht. Und: „Der Mond ist gewissermaßen ein Archiv, das viereinhalb Milliarden Jahre zurückreicht.“ Mond und Erde entstanden etwa zur selben Zeit. Anders als auf der Erde hat sich seitdem auf der Mondoberfläche nichts Grundlegendes geändert: „Vielleicht gibt es dort sogar Hinweise, ob das Leben auf der Erde möglicherweise von Kometen aus dem All gekommen ist.“
In Bremen entstanden das Columbus-Labor und Galileo-Satelliten
Die Raumfahrtindustrie in Bremen trug in den vergangenen Jahrzehnten entscheidend zu europäischen Komponenten für die Raumfahrt bei. Unter anderem entstanden hier das Columbus-Labor als Europas Beitrag zur Internationalen Raumstation ISS, aber auch die Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo, höchstauflösende Fernerkundungssatelliten und Beiträge zur Erkundung des Mars. Mit dem autonomen Weltraumtransporter ATV zur Versorgung der ISS verschaffte sich Airbus schließlich die Eintrittskarte zum Mond-Programm der Amerikaner. „Mit der ATV-Technologie haben wir uns für die Entwicklung und den Bau des Service-Moduls für das neue Raumschiff Orion qualifiziert“, betont Juckenhöfel.
Vorarbeiten für das dritte Europäische Servicemodul laufen
Orion ist auch optisch der direkte Nachfolger der legendären Apollo-Raumschiffe: Die Besatzung ist in einer kegelförmigen Kapsel untergebracht. Während des Fluges wird sie aus dem Service-Modul – das es ähnlich bei Apollo gab – mit allem Lebensnotwendigen versorgt. Zudem enthält der zylinderförmige Anhang den Antrieb des Raumschiffes. Ursprünglich sollte das Modul vom amerikanischen Luft- und Raumfahrtkonzern Lockheed Martin gebaut werden. Dann entschied die NASA, es als Gegenwert für den ESA-Anteil an den Betriebskosten der ISS aus Europa zu beziehen. „Es ist das erste Mal, dass die NASA ein systemkritisches Bauteil an einen Partner außerhalb der USA vergeben haben“, unterstreicht Juckenhöfel. Ursprünglich sollte nur ein Modul für einen unbemannten Testflug in 2020 gebaut werden. Dann folgte das zweite Modul für den ersten bemannten Flug 2022 rund um den Mond. Jetzt laufen die Vorarbeiten für das dritte Europäische Servicemodul (ESM), das die Amerikaner 2024 auf den Mond bringen soll.
Weichenstellung für Europas Beteiligung am Mond spätestens im November
Für Juckenhöfel wie auch für Janovsky lautet die große Frage: Was werden die Europäer noch zu den Mondmissionen beitragen können? Fast so wichtig wie die Bereitschaft der Amerikaner, internationale Partner zu beteiligen, sei der Wille der Europäer, in einen eigenen Beitrag zu investieren. „Das ist unverzichtbar, wenn wir uns nicht dauerhaft aus der Exploration und dem Thema Mond verabschieden wollen“, meint Juckenhöfel. „Es wird eine schwierige Diskussion und Entscheidung“, weiß Janovsky, „es gibt viele konkurrierende Projekte, die für sich jeweils auch eine hohe Berechtigung haben. Und schließlich müssen noch die durchaus unterschiedlichen Interessen der ESA-Mitgliedsländer berücksichtigt werden.“
Auf dem Weg zum Mond ist eine Zwischenlandung geplant
Die überraschende Entscheidung der USA für die vorgezogene Rückkehr zum Mond brachte Europa in Zugzwang: Eine Weichenstellung muss nun beim ESA-Ministerrat Ende November in Sevilla fallen. Janovsky und Juckenhöfel lassen keine Zweifel daran, dass eine Beteiligung am Mond-Programm für die technologische Entwicklung Europas unverzichtbar sei. Der Raumfahrtstandort Bremen spiele dabei eine zentrale Rolle. Anders als im Apollo-Programm werden die Amerikaner nicht Nonstop zum Mond fliegen, sondern erst eine Zwischenstation – das Lunar Gateway – ansteuern, das in einem elliptischen Orbit mit einem Abstand von bis zu 70.000 Kilometern um den Mond kreisen soll.
OHB Systems arbeitet an ersten Studien für Modul mit dem Namen „Esprit“
In ersten Studien bekräftigte die NASA, dass sie diese Station mit den bewährten internationalen Partner-Agenturen aus der ISS bauen will. Die ESA will den Aufenthaltsbereich sowie ein Tank- und Versorgungsmodul übernehmen. Gemeinsam mit dem französischen Raumfahrtkonzern Thales Alenia arbeitet OHB Systems an ersten Studien für dieses Modul mit dem klangvollen Namen „Esprit“. Unter anderem beschäftigen sich die Bremer mit der Struktur und seinem Thermalsystem – gewissermaßen die Klimaanlage – sowie mit den Anlagen für das Auftanken des Antriebs der Station mit dem Edelgas Xenon. Für Esprit komme den Bremern ihre besondere Kompetenz im Satellitenbau genau zu Pass.
Der Transport von einem Kilo kostet mindestens eine Million Euro
Darüber hinaus beschäftigt sich OHB schon seit Jahren vielfältig mit dem Thema Mond. Dr. Marco Berg verantwortet in dem Bremer Unternehmen die Projekte der astronautischen Raumfahrt insbesondere für die ISS. In der Studie „Urban“ beschäftigte Berg sich im Auftrag der ESA mit Technologien für eine permanent bemannte Station auf dem Mond, die als Fernziel hinter den aktuellen Plänen steht. Berg und sein Team suchten nach Möglichkeiten, diese Station mit möglichst geringem Aufwand zu bauen. „Der Transport des gesamten Baumaterials oder von vorgefertigten Teilen wäre viel zu teuer“, erläutert Berg. Als Faustregel gilt: Pro Kilogramm kostet der Transport mindestens eine Million Euro.
Erste-Hilfe auf dem Mond kommt aus dem 3D-Drucker
Eine mögliche Alternative wäre der Einsatz von 3D-Druckern, um zumindest die Außenhülle einer solchen Station aus Mondgestein zu drucken. Additive Manufacturing – so die offizielle Bezeichnung – könnte auch an vielen anderen Stellen hilfreich sein: „Aus ursprünglich mehr als 50 unterschiedlichen additiven Verfahren haben wir am Ende die vier vielversprechendsten herausgefiltert“, berichtet der Projektleiter. Neben der Produktion von Baustoffen könnten auch Werkzeuge und Hightech-Geräte mithilfe von 3D-Druckern geschaffen werden. Und selbst für die medizinische Versorgung der Mondbewohner wäre die Technologie einsetzbar: „Es ist mittlerweile State-of-the-art, auf diese Weise menschliches Gewebe oder Implantate herzustellen“, so Berg.
Mit dem neuen Namen des Programms schließt die NASA einen Kreis
Ob und was auf die Bremer Raumfahrtexperten demnächst zukommt, wird sich wahrscheinlich schon im Laufe des Jahres herauskristallisieren. Derzeit – so bestätigen Juckenhöfel und Janovsky – gibt es aber noch viele Fragen und Unklarheiten rund um Amerikas überraschend schnellen Aufbruch zum Mond. Das einzige, was derzeit feststeht, ist der Name des Programms: Artemis. Die NASA schließt damit den Kreis zur Apollo-Mission vor 50 Jahren. Die griechische Göttin des Mondes ist die Zwillingsschwester des Lichtgottes Apollo.
Pressekontakt:
Siegfried Monser, Communications Business Partner Space Systems, Airbus Defence and Space, Telefon +49 421 539 5815, E-Mail: siegfried.monser@airbus.com.
Günther Hörbst, Leiter Unternehmenskommunikation bei OHB Systems AG, Telefon +49 421 2020-9438, Mobil +49 171 1931041, E-Mail: guenther.hoerbst@ohb.de.
Bildmaterial:
Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angege-benen Bildnachweises frei zum Abdruck.
Foto 2: Dr. Oliver Juckenhöfel leitet den Raumfahrt-Standort Bremen von Airbus Defence und Space. © Airbus
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