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1.10.2018 - Diana Bluhm

Raumfahrt in Bremen: Forschen und leben an der Weser

Raumfahrt

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über den Raumfahrtstandort Bremen

Daniel Pika von der ArianeGroup
Daniel Pika forscht mit dem Ziel, dass die Menschen eines Tages auch andere Planeten besiedeln können © WFB/Jonas Ginter

Bremen ist die deutsche Hauptstadt der Luft- und Raumfahrt. Wir haben mit den Forscherinnen und Forscher aus der Bremer Raumfahrt über ihre Projekte, die Hansestadt und ihre Wohn- und Ausflugstipps gesprochen.

2018 feiert Bremen das Raumfahrtjahr unter dem Motto STERNSTUNDEN 2018. Nach zahlreichen Veranstaltungen und Angeboten zum Thema Raumfahrt gipfelt es im Höhepunkt des Jahres: dem International Astronautical Congress 2018 (IAC) in Bremen. Wir haben vorab mit Expertinnen und Experten aus der Branche gesprochen und erfahren, woran sie arbeiten, was sie an Bremen lieben und was ihnen hier noch fehlt. Im Stadtportal Bremen.de finden Sie alle Interviews in voller Länge.

Ein Weltraum für alle

Warum forschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eigentlich im Weltraum? Bringt uns das hier auf der Erde etwas? Dr. Marco Scharringhausen arbeitet beim Institut für Raumfahrtsysteme des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und forscht im Weltall, um auch die Erde und ihre Prozesse besser kennenzulernen. So könnten die Forschungen an den Atmosphären anderer Planeten Rückschlüsse über die Erdatmosphäre und damit auch über den Klimawandel geben. Dr. Eva Hackmann vom Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) der Universität Bremen weiß, dass viele Ergebnisse in der Wissenschaft erst nach Jahrzehnten nützlich sein können. Auch ihre Forschung zur relativistischen Geodäsie kann zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen. Mit dem gleichen Thema beschäftigt sich auch Dr. Michael Buchwitz vom Institut für Umweltphysik (IUP) der Universität Bremen. Mittels Satelliten- und Flugzeugmessungen versucht der Physiker, seinen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

Dr. Martin Sippel arbeitet ebenfalls beim DLR, hat sich aber ein anderes ambitioniertes Ziel gesetzt: „Wir wollen den Zugang zum Weltraum für alle günstiger machen.“ Ähnlich sieht es auch Daniel Pika von der ArianeGroup. Er will mit seiner Forschung dazu beitragen, dass die Menschen irgendwann auf verschiedenen Planeten wohnen können. Ganz nützlich für uns Endverbraucher scheint auch die Forschung von Dr. Alexander Schneider zu sein. Er arbeitet als Projektleiter bei OHB SE und will „den Preis pro Bit pro Sekunde (Datenmenge), der vom Satelliten transportiert wird, deutlich reduzieren und somit für mehr Menschen erschwinglich machen“. Dr. Sebastian Bartsch forscht am Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in der Weltraumrobotik. Hier sieht er den Nutzen in vielen Bereichen: zum Warten von Satelliten, Beseitigen von Schrott aus der Umlaufbahn oder auch zum Abbau von Ressourcen in der Tiefsee.

Dr. Eva Hackmann vom Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM)
Dr. Eva Hackmann erforscht relativistische Effekte sowohl in der Astrophysik als auch auf oder in der Umgebung der Erde am ZARM © WFB/Jonas Ginter

Aus aller Welt nach Bremen

Einige der Weltraumexpertinnen und -experten kommen aus Bremen und wollen hier nicht mehr weg. So scherzt Buchwitz: „Ich wurde ungefragt von meinen Eltern in Bremen geboren, aber bin mit diesem Schicksal sehr zufrieden.“ Aber auch aus anderen Regionen Deutschlands zieht es Forschende in die Hansestadt. Paul Zabel kam für ein Praktikum während seines Studiums in Dresden zum DLR nach Bremen. Mittlerweile ist er beim DLR angestellt und forscht an Technologien zum Pflanzenanbau im Weltraum. Prof. Dr. Uwe Apel stammt ursprünglich aus Kassel und legte einen Zwischenstopp in Berlin ein. Nach seiner Promotion zog er für einen Job an die Weser und blieb hier. Jetzt ist er Studiengangsleiter an der Hochschule Bremen und stellvertretender Leiter des Instituts für Aerospace Technologie. Dr. Valerie Schröder kehrte nach Bremen zurück und arbeitet bei Airbus: „Zunächst bin ich zum Studium nach Bremen gekommen, danach war ich für die Promotion einige Jahre in Stuttgart und bin dann nach Bremen zurückgekehrt.“ Einen noch längeren Weg hat Elisa Manfreda hinter sich. Die gebürtige Italienerin folgte ihrem Mann nach Bremen, als er hier eine neue Stelle antrat. Nun arbeitet sie für die HE Space Operations GmbH als International Senior Recruiter und sucht Raumfahrtexpertinnen und -experten.

Die Raumfahrthauptstadt Bremen

Die Forschenden berichten viel Positives aus Ihrer Branche. So loben viele von ihnen die Vernetzung und große Gemeinschaft der Raumfahrtunternehmen mit den Forschungsinstituten und Hochschulen. Sippel bezeichnet die Hansestadt sogar als „deutsche Hauptstadt der Raumfahrt“. Buchwitz fügt hinzu: „Wo kann man sonst bei einer Dienstreise mit dem Fahrrad zum Flughafen fahren? Alles ist konzentriert auf recht kleinem Raum und dies ist ein großer Vorteil, zum Beispiel um neue Projekte anzustoßen und effektiv durchzuführen.“

Aber auch außerhalb der Branche gefällt den Experten die Stadt der kurzen Wege. Ob an der Weser, in den vielen Parks oder im Fußballstadion – die Forschenden leben gern hier und unternehmen viel. Gerade die Vielfalt und Offenheit der Leute weiß zum Beispiel Apel zu schätzen.

Woran fehlt es hier?

Bezogen auf die Arbeit berichten einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von bürokratischen und organisatorischen Hürden. Hackmann sieht mehr Potenzial an den Hochschulen: „Ich würde mir wünschen, dass das Thema Raumfahrt auch strukturell stärker an der Uni Bremen verfolgt wird. Für die Raumfahrt ist langfristige Planbarkeit und Expertise enorm wichtig und das sollte auch in der Wissenschaft stärker umgesetzt werden.“ Bartsch wünscht sich, dass die hiesigen Unternehmen mehr Forschungs- und Entwicklungsabteilungen hier hätten und nicht hauptsächlich auf Produktion in Bremen setzen würden. Dies würde seiner Meinung nach auch dazu beitragen, mehr Fachkräfte hier zu halten. Sippel wünscht sich scherzhaft einen Startplatz für Raketen, hält diesen aber an der Nordseeküste für realisierbar.

Fernab der Forschung fehlt es den Befragten auch an anderen Dingen: Die Nordsee könnte näher sein, mehr Berge oder auch mehr Anreize für junge Familien wünschen sie sich. Pika und Manfreda sind sich einig, dass der Flughafen Bremen mehr Direktflüge in die europäischen Großstädte anbieten sollten. „Jedes Mal wenn ich nach Hause (Rom) fliegen möchte, ist es schwierig, eine direkte Verbindung zu finden“, erzählt sie. „Ich verbringe leider viel zu viel Zeit damit, auf Anschlussflüge zu warten.

Elisa Manfreada von HE Space
Elisa Manfreada ist gebürtige Italienerin und sucht nach vielversprechenden Talenten in der Raumfahrtindustrie. An Bremen liebt sie besonders den sehr entspannten Lebensstil und die hohe Lebensqualität © WFB/Jonas Ginter

Bremen – die Stadt der kurzen Wege

Die Stadt an der Weser ist bekannt für ihre kurzen Wege. Das ist auch einer der Gründe, warum sich die meisten Forschenden hauptsächlich mit dem Fahrrad durch die Stadt bewegen. Bei schlechtem Wetter steigen sie auf Bus und Bahn um. Zabel nutzt außerdem auch Carsharing-Angebote. Apel und Hackmann leben etwas weiter außerhalb und nutzen ihre Autos oder die Regionalzüge. Scharringhausen düst auch gern mal mit seiner Vespa durch die Stadt.

Die Balance zwischen Arbeit und Freizeit

Aber auch die Freizeit darf nicht zu kurz kommen. Die Wissenschaftler haben uns verraten, wobei sie ihre Köpfe nach der Arbeit wieder frei kriegen. Bei Scharringhausen, Bartsch und Hackmann steht ganz klar die Zeit mit der Familie auf dem ersten Platz. Viele suchen auch bei Gartenarbeit, Fahrradausflügen und Spaziergängen einen Ausgleich in den grünen Ecken Bremens. Während die einen ein gutes Buch und eine Kanne Kräutertee bevorzugen, betätigen die anderen sich lieber sportlich. Es bleibt dabei aber nicht nur beim Joggen oder Kraftsport. Apel nutzt die forschungsfreie Zeit zum Segeln oder sogar Gleitschirmfliegen.

Wohn- und Ausflugstipps der Profis

Die Befragten kennen sich mittlerweile sehr gut in der Hansestadt aus. Welche Stadtteile würden sie den Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern als neuen Wohnort empfehlen? Für Menschen, die zur Uni gehen oder im Technologiepark arbeiten, eignen sich Horn-Lehe und Borgfeld am besten. Wer die Nähe zum Flughafen sucht, bevorzugt Habenhausen. Zentral und trotzdem ruhig lebt es sich in Findorff und Schwachhausen. Für die Ausgehfreudigen empfehlen die Experten ganz klar das Viertel und die Neustadt. Pika hat noch einen Geheimtipp: den Teerhof, „wo sich die Ruhe, Nähe zum Zentrum und Verbundenheit vereinen“.

Als Ausflugsziele gibt Scharringhausen folgende Tipps: „Abends ins ‚Loft‘ am Bahnhof, am Wochenende in die Wümmewiesen und ins Blockland.“ Bartsch: „Zum Weggehen würde ich das Viertel mit seinem Bermuda Dreieck oder die Schlachte empfehlen.“ Hackmann ergänzt die Schlachte bei schönem und Paddy’s Pit bei schlechtem Wetter. Viele sind sich einig, dass Neulinge auf jeden Fall die grünen Seiten Bremens, wie den Bürgerpark, den Rhododendronpark und das Blockland erkunden sollten. Für einen kurzen Aufenthalt empfiehlt Manfreda: „Ich würde vorschlagen, eine Liste zu erstellen, ein BSAG-2-Tage-Ticket zu kaufen, einen leichten Rucksack zu packen und loszufahren. Am Ende dieser zwei Tage wünsche ich einen sonnigen Abend an der Weser, nach einem ersten Tag an der Schlachte und einem zweiten Tag in der Überseestadt.“

Ischa Freimaak! – Ein Raumfahrtstand auf dem Volksfest?

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zeigen Kreativität bei der Überlegung, wie sie ihre Forschung auf einem Freimarktstand darstellen würden. Von einer Geisterbahn durch das Sonnensystem, über einen Raumflugsimulator bis hin zu schwarzen Löchern reichen die Ideen. Ausstellungsstücke, wie das Columbus-Modul der internationalen Raumstation, Raketenmodelle der Ariane-Familie im Originalformat oder ein Gewächshaus, das Pflanzenanbau im All ermöglichen soll, zeigen den Besucherinnen und Besuchern des Freimarktes wie spannend Raumfahrtforschung sein kann. Bartsch würde die Volksfestgänger in ein Exoskelett stecken und ihnen so die künstliche Intelligenz von Robotern näherbringen. Den Anstieg von CO2 durch die Menschheit und gleichzeitig die jahreszeitlichen Schwankungen durch Pflanzen würde Buchwitz in einer Riesenrutsche mit einer „huckeligen Abfahrt“ darstellen.

Im Stadtportal Bremen.de können Sie alle Interviews in voller Länge lesen.


Haben Sie Fragen zur Reihe „Raumfahrt Persönlich“? Dann hilft Ihnen gern Marlis Torka, Projektleiterin bei der WFB, Marlis.Torka@wfb-bremen.de, Tel. 0421 9600-523, weiter.


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