Von Formen und Flächen – ein kleiner Ausschnitt aus Bremens Baukultur
TourismusBremen ist gemeinhin bekannt für seine kleinen Häuschen mit Wintergarten und Souterrain. Aber die Hansestadt hat noch mehr Architektonisches zu bieten. Ich hab mich mal auf die Suche nach besonderen Bauwerken gemacht und dabei eine ganze Menge gefunden.
Meine erste Station ist das Universum im Norden der Stadt nahe der Universität Bremen. Schon aus einiger Entfernung entdecke ich das futuristisch und biomorph wirkende Gebäude, wie es durch die Baumwipfel lugt. Form und Struktur des Baus erinnern an das Maul eines riesigen Wals oder an eine überdimensionale Muschel. Beeindruckt bleibe ich davor stehen und lasse meinen Blick über die glänzende, schuppenhafte Oberfläche schweifen. Das Wasser unterhalb des Konstrukts kräuselt sich, als ob der Wal gerade erst aufgetaucht sei. Dabei steht das Gebilde hier schon seit 15 Jahren. Thomas Klumpp heißt sein Erschaffer, der sich entschieden gegen den modernen Funktionalismus aussprach und mit dem Gebäude quasi ein Statement gegen das Gestaltungsprinzip „form follows function“ setzte. Schließlich würde dem beherbergten Science Center auch ein einfacher Kastenbau reichen. Das lese ich später im Architekturführer Bremen nach, einem Online-Lexikon, das vom Bremer Zentrum für Baukultur (b.zb) eingerichtet wurde.
Die Assoziation mit Wal und Muschel bleibt nicht aus
Die ganze Bandbreite in einer einzigen Perspektive
Als ich den Weg zum nächsten Ziel antrete, drehe ich mich noch einmal um. Hinter der großen Universum-Kuppel erkenne ich im Nebeldunst den Bremer Fallturm, der im wahrsten Sinne des Wortes eine Spitze der architektonischen Bauten in Bremen darstellt. Es eröffnet sich mir gewissermaßen die ganze Bandbreite der Architektur in dieser einzigen Perspektive: Vorne das biomorphe Riesenkonstrukt, das allein durch seine Form und Bauweise Aufmerksamkeit erregen will, dahinter in klassischer Schlichtheit der Fallturm, der ganz klar dem „form follows function“-Prinzip folgt.
Klassische Moderne am Emmasee
Ich radel durch den in Herbstfarben getönten Bürgerpark zum Emmasee. In den 1960er Jahren ließ der Bürgerparkverein das Kaffeehaus, das im Krieg zerstört wurde, wieder aufbauen. Die Architekten Carsten Schröck und Hans Budde verlegten den Bau von der Südseite des Emmasees an die Nordseite, statteten ihn mit Panoramafenstern aus und ließen das Gebäude in den See hineinragen. So entsteht heute noch der Anschein, dass der geradlinige Flachbau auf dem Wasser schwimmt. Im Architekturführer lese ich später nach und erfahre, dass das Bauwerk der klassischen Moderne zugerechnet wird. Das kann ich nachvollziehen, denn die klare und schnörkellose Struktur könnte zeitloser nicht sein. Die reduzierte Erscheinungsweise funktioniert heute noch und hat auf mich irgendwie eine beruhigende Wirkung. Ich setze mich an der Westseite des Sees auf eine Bank und lasse einen Moment lang die Spiegelungen im Wasser und die Farben des Herbstes im Zusammenspiel mit dem weiß-gläsernen Kastenbau auf mich einwirken.
Meine nächste Station ist die Stadthalle an der Bürgerweide. Die nach vorne herausstechenden, riesigen Betonträger hatte ich sofort im Sinn, als mir die Idee zu diesem Beitrag kam. Die Stadthalle stammt aus derselben Zeit wie das Kaffeehaus am Emmasee. 1964 wurde der Bau von Roland Rainer in Zusammenarbeit mit Max Säume und Günther Hafermann fertiggestellt. Trotz Um- und Erweiterungsbauten ist die Stadthalle immer noch mit ihrer Charakteristik einer der Symbolbauten Bremens.
Das Tor gen Westen, der Turm im Osten
Ich fahre weiter zum Tor der Überseestadt. 2010 wurde hier, direkt am Fluss, der Weser Tower eröffnet – ein 82 Meter hohes Bürogebäude, das von einem der bekanntesten deutschen Architekten entworfen wurde: Helmut Jahn. In seinem Portfolio finde ich neben zahlreichen internationalen Bauprojekten zum Beispiel das Sony Center am Potsdamer Platz in Berlin und den Frankfurter Messeturm.
Apropos „international“: Ich schweife gedanklich mal eben in die Neue Vahr ab. Hier entstand 1961 das zu dem Zeitpunkt höchste Gebäude Bremens und das bis in die 70er hinein höchste Wohnhaus Deutschlands – das Aalto-Hochhaus des international bekannten, finnischen Architekten Alvar Aalto. Wie auch der Weser Tower hat das Wohnhochhaus 22 Stockwerke und sticht vor allem durch seine besondere Form hervor. Hinzu kommt der interessante Ansatz des Innenlebens: Die Wohnungen auf jeder Etage unterscheiden sich in ihren Grundrissen und die Kommunikation der Bewohner wird durch große Gemeinschaftsräume gefördert. Ein gutes Beispiel dafür, wie komplex die Kunst der Architektur ist.
An der Schlachte fahre ich zurück in Richtung Innenstadt. Die Jugendherberge hebt sich hier an der Promenade durch ihren farbenfroh verkleideten Vorbau ab. Ihrem Erbauer Carsten Schröck bin ich bereits am Emmasee begegnet. Er hat allerdings nichts mit der gelbtönigen Erweiterung zu tun, die 2005 durch die Berliner Arbeitsgemeinschaft „raumzeit“ ergänzt wurde. Carsten Schröcks ursprüngliches Gebäude entsprach dem klassischen Baustil der Nachkriegszeit. Neben zahlreichen Kirchen und Gemeindezentren in der Stadt findet sich kurz vorm Europahafen noch ein weiteres spannendes Bauwerk von ihm. Im Kaffeequartier steht das Schröck-Haus seit Ende der 1950er Jahre. Es steht dort geradezu mit einer Selbstverständlichkeit, obwohl sein Betrachter meinen mag, dass es eigentlich gar nicht stehen kann. Denn das kastenförmige Gebilde ist auf einem deutlich schmaleren Sockel errichtet – und erweckt irgendwie den Anschein, eigentlich gar nicht stehen zu können.
Teerhof-Bauprojekt als großes Puzzle der Bremer Architekten
Bei meinem Weg entlang der Schlachte entdecke ich gegenüber den Teerhof. Seine Wohnbebauung vereint wie ein großes Puzzle zahlreiche Namen derer, die im großen Stil zum Stadtbild Bremens beigetragen haben. In der Arbeitsgemeinschaft von Harm Haslob, Gerhard Müller-Menckens, Horst Rosengart, Manfred Schomers, Rainer Schürmann, Walter Stridde, Gert Schulze, Peter Weber, Klaus Schütz und Holger Schmidt entstanden in den Jahren 1990 bis 96 zahlreiche Wohn- und Arbeitseinheiten auf der Landzunge zwischen kleiner und großer Weser. Diese Namen tauchen in Bremens Architekturgeschichte immer wieder und überall auf – ob bei der Schlachte-Neugestaltung, der Lloydpassage, dem Bamberger-Haus, bei Kraftwerken, Reihenhausanlagen oder Kirchen.
Im Detail liegt oft die architektonische Schönheit
Wenn man erst einmal beginnt, sich mit der Kunst des Häuserbauens zu beschäftigen, kommt man nicht umhin, auch mal nach oben oder unten zu schauen und dabei kleine Details zu entdecken. Wie beim Teerhof: Wenn man hier nachts durch die geschützte Gebäudeschlucht schlendert, glitzert es wie Wasser unter einem. Dafür sorgt das feine Kopfsteinpflaster, in das hier und da glatt geschliffene Quader eingelassen sind. Sie spiegeln das umliegende Licht und greifen damit die Lage inmitten der Weser spielerisch wieder auf.
Überhaupt fällt mir bei fast allen Gebäuden, die ich besuche, der Bezug zum Wasser auf. Das Universum, das Kaffeehaus am Emmasee, die von blauem Licht umspielte Fassade des Weser Towers – die unumgängliche Verbindung dieser Stadt zum Wasser zieht sich durch die Jahrzehnte der Baukultur. Selbst bei Bauwerken, bei denen keine Wasserthematik zu erkennen ist, wird doch der Bezug zur Umgebung immer irgendwie deutlich. Das beste Beispiel ist dafür wohl die Bremer Bürgerschaft am Marktplatz. Das Gebäude, entworfen von Wassili Luckhardt aus Berlin, wurde 1966 fertig gestellt. Vorangegangen war eine jahrelange Debatte darüber, ob ein modernes Gebäude inmitten so historischer Bauten wie Rathaus, Schütting und Dom überhaupt vertretbar sei. Schließlich machte Luckhardts Entwurf das Rennen, weil diesem der Bezug zur Umgebung gelang. Durch den Einbau großer Fensterfronten konnte sich die historische Umgebung spiegeln und wurde so vom modernen Gebäude mit aufgenommen.
Tatsächlich fällt mir auf meinem Rückweg über den Marktplatz auf, dass sich das Haus der Bürgerschaft erstaunlich gut an die geschichtsträchtige Umgebung anpasst. Ich bin beeindruckt von soviel Bau-Finesse und werde zukünftig garantiert mit anderen Augen durch die Stadt gehen.
Erfolgsgeschichten
Bremen gehört seit Anfang November 2024 offiziell als Street Art City zu den exklusiven Partner:innen der international agierenden „Street Art Cities“-App.
zur PressemitteilungDie Bremer Überseestadt – dort, wo früher Sperrgebiet war, hat sich seit Anfang der 2000er Jahre ein dynamischer, lebendiger Ortsteil entwickelt. Und mit der Überseeinsel entsteht vor Ort ein weiteres außergewöhnliches Entwicklungsprojekt. Im Interview verraten Jana Altrock und Ariane Bohms, die bei der WFB für das Marketing der Überseestadt zuständig sind, mit welchen Maßnahmen sie das Quartier fördern, wie sich die Vision im Laufe der Zeit verändert hat und welche Angebote der Überseestadt sie besonders mögen.
Mehr erfahrenVoller Saal, gedämmtes Licht und eine vor Spannung knisternde Atmosphäre: Am 21. September 2024 hebt sich der Vorhang in 15 Bremer Spielstätten zur ersten Langen Nacht der Bühnen in der Hansestadt. Ein Abend voller Theater, Performance und kreativer Begegnungen, der Fans des Bühnenspiels verzaubern wird. Doch auch abseits dieses Abends kann Bremen mit einer facettenreichen Theaterlandschaft punkten.
Mehr erfahren