Führen Frauen anders?
AutomotiveWie Vielfalt im Unternehmen erfolgreich macht
„Vielfalt ist unser Antrieb für Ideen, Erneuerung und Erfindergeist“ – so heißt es in der Diversitybroschüre von Mercedes-Benz. Andrea Schreiber kann das nicht nur unterschreiben – auch für sie steht dieser Satz.
Die 57-jährige ist Leiterin der Anlauflogistik im Mercedes-Benz Werk Bremen. Mit ihrem 80-köpfigen Team sorgt sie dafür, dass bei Modellwechseln oder Änderungen des aktuellen Modells alles glatt läuft – in Bremen und in enger Zusammenarbeit mit den drei weiteren C-Klasse-Produktionsstandorten Tuscaloosa, East London und Peking.
Als sie vor 32 Jahren in Bremen anfing, war sie eine der ersten Frauen in einer Führungsposition. In ihren verschiedenen Positionen als Teamleiterin Oberflächenplanung, Projektleiterin SLK, Abteilungsleiterin Instandhaltung und Serienplanung und heute als Abteilungsleiterin Anlauflogistik hat sie den Konzern mitgeprägt – und gibt gerne ihre Erfahrungen an andere weiter. Mit uns hat sie über Geschlechterrollen in der Führung und über aktuelle Entwicklungen gesprochen.
Frau Schreiber, als Sie 1990 Ihre erste Führungsposition übernahmen – wie dick waren die Bretter, die sie damals bohren mussten?
Schreiber: Das war für mich nie ein Thema. Ich fühlte mich immer wohl hier im Werk. Natürlich arbeite ich in der Produktion mit vielen Männern zusammen. Für den ein oder anderen war es zu Beginn vielleicht etwas ungewöhnlich, eine Chefin zu haben. Vielleicht wurde da manchmal auch etwas genauer hingeschaut: Wie macht sie das? Welche Leistung erbringt sie? Ich persönlich habe das aber nie negativ wahrgenommen.
Führen Frauen denn anders als Männer?
Schreiber: Das lässt sich nicht pauschal sagen. Die Art und Weise zu führen ist vielfältig und unterschiedliche Führungsfacetten finden sich gleichermaßen bei Frauen, wie auch bei Männern. Ich persönlich mag es in meiner Führungsarbeit einen Rahmen zu stecken, Orientierung zu geben und dann in der Ausgestaltung Freiräume zu geben. Nach meiner ersten Führungsposition bestätigte das Team mein Führungsverständnis mit Feedback wie: „Ich konnte mich entfalten“, „Mir wurde Verantwortung übertragen“, „Ich habe Wertschätzung erfahren“, „Du hast auf mich als Person geachtet“.
In meinem Erleben schaut eine Frau mehr in die Breite, achtet verstärkt auf die Arbeitsatmosphäre und spricht Störungen schneller an. Ich bin überzeugt, dass geschlechtergemischte Teams ein Schlüsselfaktor zum Erfolg sind – die Arbeit macht mehr Spaß und es werden noch mehr verschiedene Sichtweisen zu Themen eingebracht, wenn man eine Mischung hat. Das bestätigen mir auch viele Führungskräfte jeder Ebene.
Ist es für junge Frauen schwer, sich in einer dominierenden Männerwelt durchzusetzen?
Schreiber: Das habe ich so nie erlebt. Egal ob Frau oder Mann: Als Führungskraft muss ich in der Lage sein, mein Team zu motivieren, klare Worte zu sprechen und strategisch zu denken. Weitere Aspekte sind wichtig: gut netzwerken, Allianzen bilden, Entscheidungen geschickt vorbereiten und sich zum richtigen Zeitpunkt klar positionieren. Wenn man gute Dinge erreicht, muss man auch darüber reden und ein gutes Selbstmarketing betreiben. Auch das gehört zum Geschäft.
Sie sehen sich selbst auch als eine Mentorin für junge Frauen und Männer im Berufsleben – was geben sie speziell den Frauen mit auf den Weg?
Schreiber: Da gibt es verschiedene Aspekte. Ich bin mit den jungen Menschen im engen, vertrauensvollen Austausch und begleite sie im Hinblick auf ihre erste Führungsaufgabe oder während ihrer beruflichen Entwicklung. Besonders junge Frauen bestärke ich darin, nicht nur die Karriere vorzudenken, sondern auch die privaten Ziele zu planen.
Mit Angeboten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie sind wir bei Mercedes-Benz – auch in unseren Führungsetagen – ganz weit vorne mit dabei. Ich will den jungen Menschen Mut machen, ihren eigenen Weg zu gehen. Was die Life-Balance angeht, bin ich selbst mit meinen drei Kindern und Führungsverantwortung ein gutes Beispiel. Toll finde ich außerdem, dass mehr und mehr junge Männer von ihrer Möglichkeit der Elternzeit Gebrauch machen.
Und gerade in Hinblick auf die Anforderungen der Zukunft steigen ja die Rufe nach selbstständigen, kreativen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern…
Schreiber: Bei der Gestaltung der Mobilität von Morgen benötigen wir kreative Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Unser Unternehmen befindet sich im Wandel, wir etablieren eine neue Führungskultur und denken Personalentwicklung neu. Wir fördern Teamarbeit noch stärker und öffnen neue Entwicklungswege. Wir arbeiten mit neuen Instrumenten. So binden wir zum Beispiel für Führungskräfte bereits Feedback von Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern in den Personalentwicklungsprozess ein.
Wir überprüfen die Besetzung von Führungsaufgaben regelmäßig und machen funktionsübergreifende und internationale Wechsel noch einfacher möglich. Auch in der Art und Weise an Themen heran zu gehen und Projekte zu entwickeln gehen wir neue Wege. Hier im Werk Bremen gibt es das „Digital Factory Lab“. Das ist ein modern gestalteter Raum den wir nutzen, um agil zu arbeiten und kreative Ideen zu sammeln. Da gibt es keine Hierarchien – da sitzt ein interdisziplinär zusammengesetztes Team und erarbeitet Lösungsstrategien.
Besonders junge Frauen bestärke ich darin, nicht nur die Karriere vorzudenken, sondern auch die privaten Ziele zu planen.
Netzwerke sind oft von großer Bedeutung, wenn es um das Vorankommen, um die Karriere geht. Sollten Frauen ihre eigenen Netzwerke gründen, oder sich lieber in Männernetzwerken etablieren?
Schreiber: In einer reinen Männerwelt fehlt etwas – genau wie in einer reinen Frauenwelt. Nur die Mischung führt zum Erfolg. Ich finde es wichtig, Netzwerke zu knüpfen und das auf verschiedenen Ebenen. Davon lebt die Arbeit! In einer so komplexen Produktionskette wie beim Autobau müssen Menschen gut vernetzt sein, um schnell Lösungen zu finden. Das gebe ich gern jungen Frauen und auch jungen Männern mit auf den Weg.
Sie sind ja auch Diversity-Beauftragte im Werk. Was ist Ihr Ansatz für dieses Thema?
Schreiber: In unserem Konzern gibt es ein „Global Diversity Office“, welches das Thema konzernweit verantwortet und direkt dem Vorstand zugeordnet ist. Über das Office werden gemeinsame, übergreifende Strategien und Aktivitäten in die Werke eingesteuert und verankert. Dieses erfolgt über die jeweiligen „Diversity Beauftragten“ eines Standortes. In Bremen bin ich dafür die Ansprechpartnerin.
Ich möchte hier am Standort mit meinen Kolleginnen und Kollegen das Thema Umgang mit Vielfalt in der Diskussion halten und gemeinsam weiterentwickeln. Mein Ansatz ist ganz einfach: Vielfalt zu leben ist für mich eine Frage der Haltung und des Respekts im Umgang mit anderen – egal welcher Herkunft, welches Alters, welches Geschlechts. Wir sind Führungskräfte und damit Vorbilder für unsere Mannschaft! An diesen Werten festzuhalten und daran zu arbeiten ist uns wichtig.
Wie wird Diversity aktiv gelebt, ist das ein Top-Down-Ansatz, muss der aus der Führung kommen?
Schreiber: Damit dieses Thema erfolgreich in einem Unternehmen implementiert werden kann, braucht es eine Strategie und die muss von oben getragen werden. Dafür braucht es eine klare Positionierung der Geschäftsführung. In Bremen haben wir zusammen mit der Hochschule Bremen den „Diversity Preis“ etabliert, der solche herausragenden Leistungen von Unternehmen und Institutionen sichtbar macht und mit dem „Bremer Diversity Preis“ auszeichnet. Dabei geht es um eine ganzheitliche Strategie „Vielfalt zu nutzen“. Hierbei werden auch Themen wie flexible Arbeitszeitmodelle, Generationsmanagement und Internationalisierung berücksichtigt.
Frau Schreiber, vielen Dank für das Gespräch!
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