Hoch hinaus
PressedienstKaum jemand kennt das Aalto-Hochhaus besser als Rolf Diehl
Architekten und Studierende aus aller Welt kommen in die Bremer Vahr, um sich das Aalto-Hochhaus anzuschauen. Erbaut wurde es vom finnischen Architekten Alvar Aalto. Bewohner Rolf Diehl führt regelmäßig Gruppen durchs Haus. Kaum jemand kennt die Besonderheiten des denkmalgeschützten Gebäudes besser als der 81-Jährige.
Eigentlich wollten Rolf Diehl und seine Frau Erika nie im Bremer Stadtteil Vahr wohnen. Hier waren in den 1950er-Jahren innerhalb kürzester Zeit tausende Wohnungen entstanden, das Ehepaar hatte seine Vorbehalte gegenüber dem Viertel. Doch als die beiden nach ihrem Berufsleben aus dem Umland wieder nach Bremen ziehen wollten, sahen sie sich auch in der Vahr um. „Da haben wir erst mal gemerkt, wie grün es hier ist“, erzählt Rolf Diehl. Auch die Ruhe und die kurzen Einkaufswege überzeugten das Ehepaar.
Ihnen wurde im denkmalgeschützten Aalto-Hochhaus, dem Wahrzeichen des Stadtteils, eine Wohnung im zweiten Stockwerk angeboten. Der finnische Star-Architekt Alvar Aalto (1898-1976) hatte das Gebäude entworfen, ab 1959 wurde es errichtet. Die Diehls nahmen das Appartement: Es war Liebe auf den ersten Blick. „Das ist keine Wohnung, die quadratisch, praktisch gut ist“, betont Erika Diehl. Sie habe ihren eigenen Charme, so wie alle anderen 188 Appartements auch.
„Von Aalto hatte ich anfangs keinen Schimmer“
Nach dem Einzug vor 15 Jahren knieten sich die beiden immer mehr in die Geschichte der Vahr ein, Rolf Diehl wurde zum „Vahr-Reporter“ beim Bürgerfunk – und begehrter Experte fürs Aalto-Hochhaus. „Von Aalto hatte ich anfangs keinen blassen Schimmer“, räumt Diehl ein. Das änderte sich schnell: Ob man nun wissen will, warum das Haus in zwei Halbbögen mit spitzen Winkeln an den Seiten gebaut wurde, warum der Handlauf im Treppenhaus geschwungen ist oder warum an den Balkonen vertikale Holzstreben befestigt sind – Diehl kann so gut wie jede Frage zum Haus beantworten. Seine Frau kümmert sich vor allem um den sozialen Zusammenhalt in der Nachbarschaft.
Architektur-Professor aus Tokio war beeindruckt
Bis zum Beginn der Corona-Pandemie führte der 81-Jährige regelmäßig Besuchergruppen durchs und ums Haus. Auch Architektinnen, Designer und Studierende aus aller Welt kamen, um sich bei ihm zu informieren. Rolf Diehl erinnert sich noch gut an einen Architektur-Professor aus Tokio, der mit seiner Frau und einem Begleiter angereist war. „Sein Helfer hat bestimmt 200 Bilder geschossen. Die haben die Führung sehr genossen“, sagt Diehl. Demnächst will er nach der Corona-Pause seine beliebten Besichtigungstouren wieder anbieten. Nur bei einer solchen ist es Besucherinnen und Besuchern auch möglich, auf die Dachterrasse zu gehen und den Blick weit bis über die Stadtgrenzen hinaus zu genießen.
Aalto hatte Wohl der Menschen im Blick
Bis in die 1970er Jahre war das 22 Stockwerke hohe Aalto-Hochhaus das höchste Wohnhochhaus in Deutschland. Aber nicht nur deshalb ist der Bau etwas Besonderes. „Aaltos Standpunkt war: Hier sollten sich die Menschen wohlfühlen“, berichtet Diehl. Der Finne Aalto war durch seine besonderen Konzeptionen des organischen Bauens international bekannt geworden. Und so sind die Wohnungen zwar klein; sie sind nur rund 34 bis 60 Quadratmeter groß. „Aber jede Wohnung hat ihren eigenen Grundriss und die Qualität eines Einfamilienhauses“, so Diehl. Denn alle Appartements sind zur Feierabendsonne ausgerichtet, die Balkone sind so gebaut, dass kein Nachbar den anderen sieht oder hört, zugleich wurde Platz für gemeinsame Aktivitäten im Haus geschaffen.
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Seit 1996 unter Denkmalschutz
Ursprünglich hatten die Bewohnerinnen und Bewohner im sogenannten Wirtschaftstreppenhaus auch die Möglichkeit, ihre Teppiche auszuklopfen und ihren Müll zu entsorgen, ohne bis nach unten laufen zu müssen. „Mit den Müll- und Papierschluckern wussten manche aber nicht umzugehen, deshalb mussten sie dichtgemacht werden“, sagt Diehl. Der Eingangsbereich ist wie eine Hotellobby aufbaut – mit vertäfelter Decke, schmalen Fliesen und zwei Fahrstühlen. 1997 wurde eine Concierge-Loge eingebaut, die rund um die Uhr besetzt ist. Ein Jahr zuvor wurde das Haus unter Denkmalschutz gestellt, und gerade erst wurde es aufwändig saniert. In Lucern in der Schweiz baute Aalto 1968 das vielbeachtete Haus nach. „Im vorderen Bereich sieht es genauso aus wie das in Bremen“, sagt Rolf Diehl.
Wohnung in der zweiten Etage
Das Ehepaar wird oft gefragt, warum es nicht ganz oben wohne, mit Blick in den Himmel. Doch die Höhe interessiert die beiden nicht. „Wir gucken von unserer Wohnung ins Grüne, auf die Bäume“, sagt Diehl. Außerdem können seine Frau und er vom Balkon aus mit Bekannten das ein oder andere Wort wechseln, die unten vorbeigehen. Auf diese Art und Weise kam Diehl auch zu seinem ehrenamtlichen Job als Hausführer: „Immer wieder standen Besucher vorm Haus, schauten hoch und sagten: Wir würden uns so gerne das Gebäude von innen ansehen, aber wir dürfen ja nicht rein.“ Diehl bekam von der Wohnungsbaugesellschaft Gewoba den Generalschlüssel für alle Etagen und die Erlaubnis, offizielle Führungen anzubieten.
„Haus ist etwas ganz Besonderes“
Von Architektur verstand er bis dato nicht viel, er hatte während seiner Erwerbszeit ein über die Grenzen Bremens bekanntes Restaurant, ein Delikatessengeschäft und einen Partyservice betrieben und später Führungskräfte trainiert. „Ich habe während der Führungen von den Architekten ganz viele Informationen bekommen, sie haben mich auf viele Details in der Bauweise hingewiesen“, erzählt Diehl. „Sie waren meine Lehrmeister.“ Geld bekommt er für seine Touren nicht. „Ich mache das, weil das Haus etwas ganz Besonderes ist.“ Im Jahr 2019 bekamen die Diehls für ihr Engagement den Bremer Denkmalpflegepreis.
Und was beeindruckt die Fachleute, die sich von Diehl durchs Gebäude führen lassen, ganz besonders? Rolf Diehls Augen fangen an zu leuchten bei der Frage. „Kommen Sie mal mit“, sagt er. Nach dem Rundgang durchs Haus ist der Besuch nun auf seiner Etage angelangt. „Wir haben hier für heutige Verhältnisse einen sehr breiten Flur.“ Er schließt die Tür zum eigenen Appartement auf. „Man kann das Haus nicht verstehen, wenn man keine Wohnung von innen gesehen hat“, sagt er. Der Blick der Besucherin schweift über den Flur durchs Wohnzimmer und bleibt an der breiten Fensterfront hängen. „Die Architekten sind immer fasziniert von dieser Tiefendimension. Wer am Eingang steht, denkt, er betritt ein Reihenhaus, nicht eine Wohnung“, sagt Diehl begeistert. Wer ihn reden hört, glaubt sofort den Satz, den er später beim Abschied sagt: „Wir haben es noch keinen Tag bereut, dass wir hierhergezogen sind.“
Pressekontakt: Rolf Diehl, +49 421 17519419, E-Mail: mail@rolfdiehl.de
Bildmaterial: Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.
Foto 1: Rolf Diehl auf der Dachterrasse des Aalto-Hochhauses. © WFB/Jörg Sarbach
Foto 2: Alle 189 Wohnungen sind zur Feierabendsonne ausgerichtet. © WFB/Jörg Sarbach
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