Eine runde Sache
HandwerkHans-Peter Schöner ist mit seiner Drechslerei mit Kunden in aller Welt verbunden
Das Drechslerhandwerk gilt als eines der ältesten Gewerke der Welt. In Bremen betreibt Hans-Peter Schöner eine von nur noch wenigen verbliebenen Drechslereien Norddeutschlands. Was in seiner Werkstatt entsteht, findet Abnehmer in ganz Europa – und sogar in den USA. Und seine Auszubildende kommt aus Japan.
Die Werkstatt ist erfüllt vom Duft nach Holz und dem Motorgeräusch einer Drehbank. Hans-Peter Schöner bearbeitet gerade den Griff für einen so genannten Tamper: eine Art Stempel zur gleichmäßigen Verteilung von Kaffeemehl in Siebträgermaschinen. Die Herstellung dieser Tamper-Griffe ist einer der Aufträge, die der 50-Jährige in großer Stückzahl erledigt. Die Produkte sind für zwei Kunden aus Portugal und Schottland. „Wir nutzen dafür unterschiedliche Hölzer wie Olive, Nussbaum oder Grenadill“, erzählt er. „Da riecht alles anders und sieht alles anders aus“, sagt der Betreiber der „Bremer Drechslerei“. „Das ist schon eine tolle Arbeit.“
In den Beruf und in eine Norddeutsche verliebt
Dabei ist es eher einem Zufall geschuldet, dass Hans-Peter Schöner Drechsler wurde. Seine Eltern betrieben in Baden-Württemberg eine Zimmerei und Dachdeckerei – er wurde Zimmerer, sein Bruder Dachdecker. Als eines Tages ein Kunde, von Beruf Maschinenbauer, bei seinem Bruder die Rechnung nicht bezahlen konnte, ließ der sich zur Begleichung der Schuld aus einer Laune heraus eine Drehbank bauen. Damit war Hans-Peter Schöners Ehrgeiz geweckt. „Ich wollte das mal ausprobieren, aber es hat nicht so richtig geklappt“, erinnert er sich. „Da habe ich noch eine zweite Ausbildung zum Drechsler gemacht.“ Damals verliebte er sich nicht nur in den Beruf, sondern auch in eine Frau aus Norddeutschland – mit der er inzwischen längst verheiratet ist und zwei Töchter hat. So kam er nach Bremen, wo er ab 1996 zunächst als angestellter Drechsler arbeitete, ein Jahr später seinen Meister machte und dann 2010 mit der „Bremer Drechslerei“ seinen eigenen Betrieb gründete: die mittlerweile einzige Drechslerei in der Stadt und eine von nur noch wenigen in Norddeutschland. Das Drechslerhandwerk ist inzwischen immaterielles Kulturerbe in Deutschland.
Altes Handwerk mit moderner Technik
Die Drehbank, mit der damals alles losging, besitzt Schöner heute noch. Darüber hinaus findet sich in der Werkstatt ein gutes Dutzend Maschinen – vom Hobelautomaten über die Fräsmaschine bis zum Laser-Cutter für individuelle Gravuren. Vor einigen Jahren schaffte sich Schöner zudem eine moderne CNC-Drehmaschine an, die häufig anfallende Arbeitsschritte mittels programmierter Computersteuerung erledigt. „Das ist der Lauf der Zeit“, meint er. Gerade bei wiederkehrenden Arbeiten lasse sich so eine Menge Zeit sparen. Während seiner Ausbildung habe er noch alles per Hand machen müssen, zum Beispiel die Abdeckkappen für Schraublöcher an Treppen. „Damit war man als Lehrling schon mal zwei Tage beschäftigt. Heute macht das die Maschine in zwei Stunden.“
Deko-Apfel, Kerzenständer, Griffe
Ihm machen aber immer noch die individuellen Einzelaufträge am meisten Spaß: „Wenn ein Kunde eine Idee hat, und ich überlege, wie ich das umgesetzt bekomme. Und das dann auch mit meinen eigenen Händen tun kann.“ Manchmal ist es ein Pfosten für ein Kasperletheater, eine individuelle Schüssel oder ein runder Tisch. Und ab und zu kommt es auch vor, dass er besonders gelungene Stücke noch einmal für sich herstellt und mit nach Hause nimmt – so geschehen mit einem formschönen Deko-Apfel, Kerzenständern und Flaschenöffner-Griffen.
Tischler machen Eckiges, Schöner macht Rundes
Früher gehörte zu den regelmäßigen Aufgaben eines Drechslers die Herstellung von verzierten Stäben für Treppengeländer. „Seit einigen Jahren wollen die Kunden aber höchstens noch schlichte Rundstäbe und entscheiden sich überwiegend für Edelstahl oder Glas“, berichtet Schöner. Und so ist sein Handwerk immer auch gewissen Mode-Erscheinungen unterworfen, weswegen er sich stets neue Nischen suchen muss. Neben den Tamper-Griffen produziert er momentan in großer Stückzahl Werkzeug-Griffe für einen Kunden aus den USA. „In Amerika ist es gerade ein Hype, selbst Sachen zu schnitzen, und für die Modellierwerkzeuge werden Griffe benötigt – da sind wir ins Spiel gekommen.“ Daneben gibt es aber auch verlässliche Zusammenarbeit mit Tischlern aus der Region. „Die Tischler machen nichts Rundes, die können nur eckig“, erläutert Schöner. Darum sei er bei allem gefragt, was rund werden solle: vom Handlauf über das Tischbein bis hin zum Treppengeländerstab.
Schöner bildet aus, damit Drechslerhandwerk nicht in Vergessenheit gerät
Seit der 50-Jährige seinen eigenen Betrieb führt, ist ihm das Thema Ausbildung ein wichtiges Anliegen. „Ich möchte dazu beitragen, das Drechslerhandwerk hochzuhalten und es nicht in Vergessenheit geraten zu lassen“, macht er deutlich. Mittlerweile gibt es so wenig Nachwuchs, sodass die für den Blockunterricht der Auszubildenden zuständige Berufsschule in Bad Kissingen vor einer Weile alle drei Jahrgänge zusammenlegte. Insgesamt sind dort momentan nur acht Azubis angemeldet.
Aus Japan nach Norddeutschland der Ausbildung wegen
Eine davon ist Takayo Miura, die bei Schöner das Drechslerhandwerk lernt. Die 25-Jährige kam vor einigen Jahren aus ihrer Heimat Japan nach Deutschland, weil die handwerkliche Ausbildung hier einen so guten Ruf hat, wie sie sagt. „Bei uns gibt es so etwas nicht“, unterstreicht sie. „Mich begeistert die Arbeit mit Holz, und ich wollte das unbedingt in Deutschland lernen.“ So ließ sie sich zunächst in Schleswig-Holstein zur Tischlerin ausbilden und legt jetzt in der „Bremer Drechslerei“ noch eine weitere Ausbildung nach. Wie es anschließend für sie weitergeht, weiß sie noch nicht: „Vielleicht gehe ich nach Tokio zurück und wende dort an, was ich hier gelernt habe. Vielleicht bleibe ich aber auch hier und mache meinen Meister.“
In Bremen fühle sie sich sehr wohl, erzählt Takayo Miura. Besonders beeindruckt sei sie von der Altstadt mit dem Rathaus und den anderen historischen Gebäuden. Und von den Bremer Stadtmusikanten: „Die Geschichte kenne ich schon seit meiner Kindergartenzeit, darum finde ich es toll, jetzt in der Heimatstadt der vier zu sein.“
Weihnachtlicher Spezialauftrag
Auch wenn Weihnachten in Japan nicht so eine große Bedeutung hat wie in Deutschland und Weihnachtsbäume dort eine Rarität sind: Der Auftrag, den sie vor kurzem zusammen mit ihrem Chef abschloss, machte ihr besonders viel Spaß. Für ein Start-up aus Osnabrück stand die Herstellung von 500 modularen Ständern für dessen Erfindung „Keinachtsbaum“ auf dem Programm. Für die Festtage lässt der sich mit frischem Tannengrün bestücken und soll so als täuschend echter Ersatz dafür sorgen, dass weniger Tannen gefällt werden müssen. Die Nachfrage ist bereits groß, und wenn alles nach Plan läuft, sollen nächstes Jahr 5.000 weitere Exemplare angefertigt werden.
Immer wieder etwas Neues also: Hans-Peter Schöner macht sich deswegen auch keine Sorgen um die Zukunft seines Berufs. „Es wird vielleicht anders werden“, meint er, „aber der Bedarf nach runden Holzprodukten wird nie ganz wegfallen. Drechsler wird es darum immer geben.“
Pressekontakt:
Hans-Peter Schöner, Tel.: +49 421 69894169, E-Mail: info@diebremerdrechslerei.de
Bildmaterial:
Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.
Foto 1: Takayo Miura macht bei Hans-Peter Schöner eine Ausbildung. Die 25-Jährige kam vor einigen Jahren aus Japan nach Deutschland, weil die handwerkliche Ausbildung hier einen so guten Ruf hat, wie sie sagt. © WFB/Jörg Sarbach
Foto 2: Hans-Peter Schöner hat ursprünglich Zimmerer gelernt. Durch Zufall kam er zum Drechseln. Heute betreibt er die norddeutschlandweit einzige Drechslerei in Bremen. © WFB/Jörg Sarbach
Foto 3: Für ein Osnabrücker Start-up fertigte die Bremer Drechslerei 500 „Keinachtsbäume“: ein zusammensteckbarer Ständer mit Löchern, in den frisches Tannengrün gesteckt wird. Es mutet dann an wie ein echter Weihnachtsbaum. © WFB/Jörg Sarbach
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