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25.10.2022 - Jann Raveling

Wie man den Ausweg findet, wenn es nicht mehr weitergeht

Erfolgsgeschichten

Escape Room-Anbieter LOCKED Adventures erschließt sich neue Geschäftsmodelle

Authentische Requisiten sorgen für gruselige Atmosphäre im Escape-Room
Authentische Requisiten sorgen für gruselige Atmosphäre im Escape-Room © WFB/Raveling

Ein schwaches Licht illuminiert die Gefängniszelle. Unheimliche Geräusche krächzen aus der Ferne, grauenerregende Folter-Apparaturen hängen an den Wänden, alles wirkt heruntergekommen, düster, vermodert. Wie bin ich hier nur hereingekommen? Und wie zur Hölle komme ich wieder heraus, bevor ich in die Hände meines Entführers falle?

Eine Stunde. So viel Zeit bleibt, um sich aus dem Escaperoom-Spiel „High Voltage – Unter Strom“ zu befreien – mitten in der Bremer Innenstadt, in der Nähe des Bahnhofs. Herausgelangt, wer Hinweise findet, Mechanismen entschlüsselt und einen kühlen Kopf bewahrt. Es ist einer von vier Escape-Rooms, welche die Bochumer Firma LOCKED Adventures in Bremen eröffnet hat.

Ausgelocked aus dem eigenen Geschäftsmodell

Escape-Rooms haben sich zu einem beliebten Freizeitvertreib für Kleingruppen, als Teambuilding-Maßnahme für Unternehmen oder Ausflugsziel für Schulklassen etabliert. Jedenfalls bis zu Corona-Krise – denn in den engen Räumen waren Abstandsregeln nicht einzuhalten.

„Corona war der Super-GAU für uns, die Lage schien ausweglos“, sagt Daniel Brock, Bremer Standortleiter der Bochumer Firma. „Und im Sommer sind die Menschen lieber am See oder im Park. Für uns kommt erst jetzt wieder die Hochsaison. Wir hoffen natürlich, in keinen weiteren Lockdown zu geraten.“

Daniel Brock
Standortleiter in Bremen: Daniel Brock inmitten der Kulissen des Escaperooms "Die letzte Nacht" © WFB/Raveling

Ausweg gefunden: Escape-Rooms in den eigenen vier Wänden

Wie hält eine Firma zwei Corona-Jahre durch, wenn das eigene Geschäftsmodell lange Zeit unmöglich wird? Die Antwort liegt – wie so oft in der Corona-Zeit – im Digitalen. Denn seit knapp zwei Jahren bietet das Unternehmen auch virtuelle Escape-Rooms.

Bis zu sechs Spieler:innen schalten sich dazu per Videokonferenz zusammen und lösen am Computer bis zu drei Stunden lang Rätsel. Die digitalen Escape-Rooms sind immer in eine spannende Geschichte eingebettet – mal geht es um einen verunglückten Journalisten in Stockholm, mal um eine vermisste Finnin im verschneiten Norden, mal um ein gruseliges Ferienhaus in Frankreich.

„Sie laufen hervorragend und haben uns durch die Krise gebracht“, erklärt Brock. Eines von ihnen wurde sogar für den deutschen Computerspielpreis nominiert. Zwischen 8 und 29 Euro kostet eine Session. Ihr Vorteil für das Unternehmen gegenüber echten Räumen: Eine unbegrenzte Anzahl an Menschen können gleichzeitig spielen, das Geschäftsmodell skaliert gut. Andere Firmen buchen die digitalen Räume gern für Mitarbeitendenevents oder Teambuildingmaßnahmen, besonders dann, wenn Betriebe über mehrere Standorte verteilt sind.

Schrift an der Wand
Für Gruselfans: Der Raum "High Voltage" © WFB/Raveling

Offline und online aus der Masse herausstechen

Den Grund für die anhaltende Beliebtheit der „LOCKED“-Räume findet, wer sich auch nur kurz in einem der echten Escape-Rooms in Bremen umschaut. Denn die beiden Gründer, Stephan Langhoff und Viktor Huhn, kombinieren ihre Liebe fürs Detail mit handwerklichem und technischem Geschick.

Jeder Spielraum ist komplex aufgebaut, liebevoll eingerichtet und mit interaktiven Elementen versehen. Jedes Rätsel wirkt neu, aus der Konserve gibt es hier nichts. „Andere Anbieter kaufen sich Räume fertig ein. Da kann es passieren, dass eingefleischte Fans zweimal auf den gleichen Raum treffen. Das ist dann eine absolute Enttäuschung. Das wollen wir nicht“, versichert Standortleiter Brock, der auch schon bei einigen Rätseln mitgetüftelt hat.

Ein Beispiel ist „Die letzte Nacht“. Wer den Kellerraum betritt, fühlt sich sofort in eine urige Bremer Spelunke versetzt mit Spielautomaten, schummerigem Licht und einer mit Stickern und Graffiti zugepflasterten Toilette. Darum entspinnt sich eine packende Geschichte – man wacht nach einer durchzechten Nacht in der leeren Kneipe auf, die Tür ist verschlossen. Wo ist der Schlüssel? Und was ist hier passiert? „Wir wollen etwas Neues bieten und setzen deshalb auf Themen wie Fantasy oder Horror“, so Brock.

Neonleuchtreklame "Krokodil"
Der legendären "Krokodil"-Kneipe in Bremen nachempfunden wurde das Abenteuer "Die letzte Nacht" © WFB/Raveling

Viel Hirnschmalz nötig

Wie komplex so ein Erlebnisraum ist, wird erst hinter den Kulissen klar. Hunderte Meter Kabel werden verlegt, damit Schalter, Sensoren, Lampen, Nebelmaschinen und Automatiken funktionieren. An vielen Stellen verstecken sich Minicomputer, die Licht, Sound und Rätsel steuern. Tausende Zeilen Code sind nötig, damit jedes Rädchen ineinandergreift.

Viele der Requisiten sind authentisch. „In unserem Horrorraum haben wir einen alten Behandlungsstuhl eingebaut, original aus den 60ern – den wir irgendwo in Niedersachsen aufgetrieben haben“, erzählt Brock. Da wird jedes Theater neidisch.

Ein Mann für alles

16 Angestellte, darunter viele Studierende, beschäftigt der Escape-Room in Bremen. Die sind vor allem als Gamemaster im Einsatz, welche die Räume aus der Schaltzentrale per Überwachungskamera steuern. „So gewährleisten wir einerseits die Sicherheit, andererseits kann der Spielleiter oder die Spielleiterin Hinweise geben, sollte eine Gruppe überhaupt nicht weiterkommen“, sagt Brock. Als Standortleiter kümmert er sich vor allem um Personalplanung, Buchhaltung und Organisatorisches, aber springt auch gern selbst als Gamemaster ein. „Es macht einfach Spaß, den Leuten beim Rätseln zuzuschauen und die Euphorie zu spüren, wenn sie es geschafft haben.“

Daniel Brock am Schreibtisch
An vier Stationen überwachen die Gamemaster die Spiele live und geben Spielegruppen Tipps, wenn sie nicht mehr weiterkommen. © WFB/Raveling

Der 28-jährige gebürtige Hamburger braucht zudem auch ein wenig handwerkliches Geschick. Denn hin und wieder geht in den Räumen etwas kaputt – und dann muss er selbst Hand anlegen.

Unterstützung aus Bremen bei der Ansiedlung

Trotz Corona-Krise hat sich der Bremer Escape-Room etabliert – gerade im Herbst und Winter sind die Wochenenden oft ausgebucht, trotz Öffnungszeiten vom Vormittag bis spät in den Abend. Bei der Ansiedlung in Bremen 2019 unterstützte die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB). „Die Zusammenarbeit war vorbildlich. Ob bei der Suche nach Räumlichkeiten oder bei Informationen zu Finanzierungsthemen, wir fühlen uns hier sehr gut aufgehoben“, sagte Gründer Stephan Langhoff damals. Derzeit arbeitet das Bremer Team mit der Touristik-Abteilung der WFB daran, die eigenen Angebote unter Touristinnen und Touristen noch populärer zu machen. Damit es nicht noch einmal heißt: ausgelocked aus dem eigenen Geschäftsmodell.

Thorsten Tendahl

Akquisition und Projekte

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