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Blick auf die Hallen von GERADTS in Bremen Horn-Lehe - Quelle: GERADTS
4.12.2024 - Jann Raveling

Die Tausendsassas aus Horn-Lehe

Luft- und Raumfahrt

GERADTS GMBH liefert Systemtechnik für zahlreiche Branchen – wie Aquarien fürs Weltall

Geht nicht? Gibt’s nicht! Die GERADTS GMBH macht wirklich, wo viele andere nicht mehr weiter wissen. Deshalb ist das Ingenieurunternehmen tief in den größten europäischen Luft- und Raumfahrtprojekten, aber auch in zahlreichen anderen Branchen verwurzelt.

Der Tag von Werner Geradts hat deutlich mehr als 24 Stunden. Anders lässt sich nicht erklären, wie der 69-jährige Gründer der GERADTS GMBH seine Ambitionen und Leidenschaften unter einen Hut bringt: Unternehmenslenker mit Expertise in zahlreichen Branchen wie der Luft- und Raumfahrt, Schifffahrt, Medizintechnik oder Verteidigungstechnik, dazu Hobbypilot, Imker, Brauer, Schafzüchter, Hobbybäcker und, und, und …

„Es ist nicht einfach, mit ihm mitzuhalten“, bestätigt sein Berater in dem 1978 gegründeten Unternehmen. Wer morgens früh hereinkomme, könne den Gründer schon oft in einer der Werkshallen an einer Maschine vorfinden. Bis heute ist der Tausendsassa nicht nur in der Geschäftsführung tätig, sondern auch zentraler Kopf in der Forschung und Entwicklung und lege bisweilen selbst noch in der Fertigung Hand an. „Er ist einfach nicht zu bremsen“.

Mensch steht vor Doppeldecker
Hobbypilot Geradts dreht mit seinem Doppeldecker gerne Runden über Norddeutschland © GERADTS

Technische Lösungen auf höchstem Niveau für zahlreiche Branchen

Das rastlose Gemüt des Gründers ist ein Erfolgsfaktor des heute 45 Beschäftigte zählenden Unternehmens. Aber Werner Geradts betont deutlich, dass ohne seine Angestellten die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte nicht möglich gewesen wäre.

Dabei ist es gar nicht so einfach zu erklären, was hinter den gut abgeschirmten Hallen eigentlich passiert. Wer sich die GERADTS-Lösungen einmal ansieht, könnte meinen: Irgendwie alles. Immer geht es um mechanische und elektromechanische Produkte oder Systeme. Das Unternehmen fertigt Anlagen, Baugruppen, Geräte und Einzelkomponenten für Luft- und Raumfahrt, Marine-, Hochvakuum-, und Medizintechnik, für die Feinstmechanik oder Verteidigungstechnik.

Allen gemein ist, dass es immer um Lösungen geht, die andere an ihre Grenzen bringen. „Wir machen möglich, wo andere scheitern, weil es technisch zu anspruchsvoll ist oder die Fertigung nicht umsetzbar scheint. Wir haben das Wissen und die nötige technische Ausstattung, um den Problemen auf den Grund zu gehen und so herauszufinden, was unser Kunde wirklich braucht“, sagt Werner Geradts. Zahlreiche Zertifizierungen und Zulassungen für die unterschiedlichsten Branchen bestätigen dies.

Blick auf mehrere Airbags
Airbag-Lande-System, um Drohnen sicher landen zu lassen © GERADTS
Aquarium mit FIsch
Dieses Miniatur-Aqaurium flog mehrmals ins Weltall © GERADTS

Im Weltall oder auf den Weltmeeren unterwegs

Beispiele? Für die Raumfahrt entwickelte das Unternehmen ein Aquarium, mit dem Forschende das Verhalten von Unterwasserökosystemen in der Schwerelosigkeit untersuchten. Es flog mehrmals ins All und überlebte sogar den Space-Shuttle Absturz der Columbia 2003. Im Bereich der Marinetechnik fertigt das Unternehmen spezielle Hochleistungs-Scheibenwischer, die auch bei starker See funktionieren. Für die Luftfahrt entwickelte es unter anderem ein Airbag-Lande-System für Drohnen und zum Beispiel eine Startvorrichtung für Drohnenstarts aus einem fliegenden Airbus A400M. GERADTS-Produkte sind an Bord des Orion-Moduls der NASA, der Ariane-6-Rakete und der Internationalen Raumstation ISS. Und auch bei den Vorbereitungen für das Gemeinschaftsprojekt Future Combat Air System (FCAS) von Deutschland, Frankreich und Spanien ist das Bremer Unternehmen wieder beteiligt.

Geht nicht? Gibt’s nicht! Geht? Geht noch besser!

Ein Gang durch die fünf Werkshallen des Unternehmens am Standort Horn-Lehe zeigt, wie diese Bandbreite an Produkten möglich wird. Die verschiedensten Werkzeugmaschinen reihen sich aneinander. Fräsen, Drehen, Schleifen, Schweißen, Nieten, 3D-Drucken, Kleben, Lasern, Wasserstrahlschneiden, Läppen und vieles mehr – alles drin.

„Manche brauchen wir für ein oder zwei Jahre nicht, aber dann kommt ein Auftrag, da holen wir sie wieder hervor. Unsere hohe Fertigungstiefe macht uns aus und ist eines der Geheimnisse unseres Erfolgs. Denn so können wir sichergehen, dass jedes Teil eine gleichbleibend exzellente Qualität hat“, sagt der Firmengründer.

„Unsere Devise ist: Egal wie groß ein Auftrag ist, wie viele Bauteile gewünscht sind, jedes Bauteil soll so sauber und präzise gearbeitet werden wie das allererste.“

Zu der mechanischen und elektronischen Expertise in Horn-Lehe kommt in Ganderkesee das Tochterunternehmen GERADTS Composites GmbH, das Faserverbundwerkstoffe verarbeitet. Aber egal an welchem Standort: Prototypen, Einzelstücke und Kleinserien stehen im Vordergrund, auch wenn GERADTS vereinzelt größere Aufträge übernimmt.

Mehrere Maschinen in einer Werkhalle
Diverse Maschinen zur Bearbeitung unterschiedlichster Werkstoffe werden bei GERADTS genutzt © GERADTS

Testen, was der Magen hergibt

Nicht nur die Fertigung muss höchsten Ansprüchen genügen. Auch beim Testen von Prototypen und Eigenentwicklungen lässt der emsige Entwickler nichts anbrennen. So nutzt er für die Erprobung von neuen Raumfahrtkomponenten das Firmenflugzeug, um Parabelflüge durchzuführen, in denen die Schwerkraft für kurze Zeit ausgehebelt werden kann. „Wir haben eine eigene Elektronik entwickelt, mit deren Hilfe wir an Bord der Cessna die Schwerkraft von Mond, Mars und die Schwerelosigkeit des Weltraums simulieren.“ Das Einzige, was die Testflüge begrenze, seien die Mägen seiner mitfliegenden Kunden, welche den enormen Belastungen des Fluges oft nicht gewachsen seien. Dafür hat selbst Tüftler Geradts noch kein Gegenmittel gefunden.

Ausbildungsbetrieb seit 1979

Gegen das Älterwerden scheint seine Devise hingegen zu sein: Einfach weitermachen! Zwar unterstützen seine Führungsmitarbeiter und sein Sohn Sebastian mittlerweile tatkräftig im Unternehmen. Das heißt für den Senior noch lange nicht: Feierabend. Dieses Wort scheint er ohnehin nur aus Erzählungen zu kennen. „Wenn ich abends nach Hause komme, gehe ich häufig direkt in meine Werkstatt und arbeite an meinen Projekten weiter“, gesteht der mehrfache Patentinhaber lachend.

Kleines Flugzeug
Mit der firmeneigenen Maschine testet Werner Geradts Bauteile und Komponenten für die Raumfahrt © GERADTS

Von seinen Angestellten erwartet er dieses Tempo nicht. Hohe Qualität, Engagement und fundiertes Wissen – ja, aber ihm sei auch klar, dass andere Menschen andere Prioritäten setzen. „Unsere Kunden setzen großes Vertrauen in uns, wir stecken tief in hochkomplexen Projekten mit drin. Und ebenso hohes Vertrauen setze ich in meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, erklärt er. Viele von ihnen habe er selbst ausgebildet, einige sind seit 40 Jahren im Unternehmen. Das handwerkliche Können sei ihm dabei immer wichtig gewesen. Auch „fertige“ Ingenieurinnen und Ingenieure müssen ein solides Grundverständnis für Werkstoff und Bearbeitung entwickeln: „Man bekommt ein ganz anderes Gefühl für das Material, wenn man selbst damit arbeitet.“

Mit dem Luftfahrt-Standort Bremen gewachsen

Im Laufe der Jahrzehnte hat Werner Geradts sein Unternehmen im Gewerbegebiet Horn-Lehe-West immer wieder erweitert. Dabei hat auch die WFB Wirtschaftsförderung Bremen unterstützt. „Es war immer eine gute Zusammenarbeit. Ich fühle mich wohl am Standort Bremen. Als traditioneller Bremer Kaufmann gilt mein Wort auch ohne schriftlichen Vertrag.“

Die Laufbahn begann mit der Lehre als Flugzeugmechaniker bei der Travelair und anschließender Bundeswehrzeit im Hubschraubergeschwader Ahlhorn. An deren Ende kam der erste Auftrag, eine historische Modelleisenbahn zu bauen. Das war der Grundstein für die Selbständigkeit im Jahr 1978. Als einen der ersten Kunden arbeitete Werner Geradts für VFW Fokker und bekam die Gründung des Entwicklungsrings Nord mit – beides Vorläufer des heutigen Airbus-Konzerns. Bereits in den Gründungsjahren des Bremer Raumfahrtkonzern OHB entwickelte sich eine sehr partnerschaftliche Zusammenarbeit, die bis heute von Bremen bis in den Orbit anhält. Zum 100-jährigen Jubiläum des Flugzeugbaus in der Hansestadt sieht er diese Entwicklung positiv. „Ich schätze den Standort Bremen hier sehr, gerade im Bereich der Luft- und Raumfahrt war die Entwicklung in den letzten Jahrzehnten hervorragend – und damit natürlich auch für uns.“

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