„Handarbeit so wichtig nehmen wie Kopfarbeit“
ErfolgsgeschichtenZum 100-Jährigen seines Malereibetriebes ruft Thomas Kurzke zum Umdenken auf
In dritter Generation eine Firma zu führen, ist etwas Besonderes. Das 100-Jährige seines Betriebes in Bremen-Walle hat Malermeister Thomas Kurzke deshalb entsprechend gefeiert. Im Jubiläum steckt die Verpflichtung, das Unternehmen und die Arbeitsplätze für die Zukunft zu sichern. Dem ist der 62-Jährige schon gerecht, indem er seinen Kollegen Mike Klug auf die Nachfolge vorbereitet. Nicht jeder Handwerksmeister steht so gut da. Angesichts des Nachwuchsmangels appelliert Kurzke als Präses der Handwerkskammer Bremen: „Es wird Zeit, Handarbeit so wichtig zu nehmen wie Kopfarbeit.“
Braucht heutzutage noch irgendjemand bei der Wohnungsrenovierung die Hilfe eines professionellen Malers? Angesichts der in Baumärkten angebotenen Fülle von Farben, Pinseln, Spachtelmassen und Tapeten scheint ein „Nein“ naheliegend zu sein. „Der Eindruckt täuscht“, sagt Malermeister Thomas Kurzke mit Nachdruck, „unter unseren Kunden sind nach wie ganz viele Privatleute.“ Vielleicht sei der Anteil nicht mehr so hoch wie früher, räumt er ein - wobei früher im Fall seines Unternehmens schon ein umfassender Begriff ist. Den Malereibetrieb Kurzke gibt es seit 100 Jahren in Bremen-Walle, offenbar ist die Familienfirma tief in dem Stadtteil verwurzelt: „Unser ältester Kunde ist seit mehr als 50 Jahren dabei“, sagt Kurzke und betont zugleich, dass es eine starke nachwachsende Generation gibt: „Unter den Jüngeren gibt es nach wie vor viele, die Qualität zu schätzen wissen.“
Den Wandel zur Tradition machen
100 Jahre als Malereibetrieb zu bestehen, ist nicht selbstverständlich. Bei aller Bodenständigkeit ist das Handwerk nicht vor neuen Entwicklungen gefeit. Immer wieder verändere sich die Kundenstruktur, bildeten sich neue Schwerpunkte aus, sagt Thomas Kurzke. Derzeit arbeiten die rund 20 Beschäftigten seines Betriebes nicht nur für Privatkunden, sondern auch für die Industrie, Baugesellschaften und für einen Lebensmittelkonzern. Dank der Klimaschutz- und Energiespar-Notwendigkeiten sind neben dem Malen Dämm- und Fassadenarbeiten gefragt. Der Malereibetrieb Kurzke war Trendsetter: „Wir haben schon 1973 die ersten Häuser gedämmt“, berichtet Kurze, „das hat sich dann langsam entwickelt.“
Aktuelle Entwicklungen beeinflussen auch kurzfristig die Auftragslage im Handwerk. Die von vielen Menschen als Krisenzeit empfundene Corona-Pandemie erweis sich für die Malerbranche als Boom-Zeit: „Viele konzentrierten sich darauf, ihre Häuser und Wohnungen zu renovieren“, so Kurzke. Derzeit verspürt er dagegen Unsicherheiten: „Im Moment sind die Menschen sehr zurückhaltend. Das merkt man zum Beispiel auch an den aktuellen Problemen in der Automobilindustrie.“ Thomas Kurzke hat sich wie viele andere Handwerker an ein solches Auf und Ab längst gewöhnt: „Sich durchzukämpfen, ist die große Kunst“, sagt er, „wenn es in einem Bereich flau wird, muss man sich mit neuen Feldern befassen.“ Angesichts der 100-jährigen Geschichte seines Unternehmens wirkt der Zeitraum für eine sichere Perspektive extrem kurz: „In der Regel liegt der Vorlauf bei sechs bis acht Wochen.“
Unternehmensnachfolge im Handwerk gelöst
Die darin steckende tägliche Herausforderung hat aber nicht nur eine zeitliche Dimension: „Es geht hier auch um die Verantwortung für rund 20 Beschäftigte“, betont Kurzke und fügt nach einer kurzen Pause hinzu: „Mein Großvater, mein Vater und ich - wir haben das in 100 Jahren immer hinbekommen.“ Der Malerei Betrieb war 1924 von Willy Kurzke in Walle gegründet worden; 1972 übernahm dessen Sohn Herbert das Geschäft an der Emder Straße; 20 Jahre später rückte Thomas Kurzke nach. Die Familienkette in dem Traditionsbetrieb reißt jetzt ab: „Meine beiden Töchter haben sich für einen anderen Berufsweg entschieden und studieren“, sagt der 62-Jährige. Kurzke hat die Entwicklung langfristig vorhersehen können und sich entsprechend vorbereitet. Wenn er sich in den Ruhestand zurückzieht, wird Malermeister Mike Klug den Betrieb übernehmen. Wie der jetzige Inhaber hat auch Klug nicht in dem Unternehmen gelernt, das er eines Tages führen wird. Aber er arbeitet schon seit mehr als 10 Jahren bei Kurzke. „Ich bin so froh, dass er da ist“, sagt sein Noch-Chef.
Engagiert für das Bremer Handwerk
Die Entlastung durch einen erfahrenen Kollegen dürfte Thomas Kurzke durchaus gebrauchen können. Neben seinem Beruf ist er ehrenamtlich als Präses der Handwerkskammer Bremen engagiert. Aus dieser Funktion, aber auch aus eigenem Erleben kennt er die größte Sorge des deutschen Handwerks - den Nachwuchsmangel. Für sein Unternehmen hat er eigene Strategien entwickelt, um junge Leute für sich zu gewinnen: „Wir gehen direkt in die Schulen, bieten Praktikantenplätze an. nehmen an Messen teil und sind in den social media aktiv.“ Leider muss auch er bestätigen: „Es gibt nicht mehr genügend Leute, die ins Handwerk gehen wollen.“ Dabei seien die Möglichkeiten im Handwerk sehr gut: „Wir brauchen eine andere Denkweise in Deutschland; Hand- und Kopfarbeit müssen gleich bewertet werden.“
Ein besonderes Kapitel ist für ihn das viel zitierte Thema „Work-Life-Balance“. Für Kunden sei es nicht leicht zu akzeptieren, wenn ein Maler kurz vor den letzten Pinselstrichen Feierabend macht und extra am nächsten Tag noch einmal kommt. Schon allein wegen der täglich notwendigen Rüst- und Anfahrtszeiten sei auch Teilzeitarbeit im Handwerk nur schwer zu realisieren: „Aber wenn das jemand haben möchte, muss man sich darauf einlassen. Wir müssen einfach umdenken“, betont Thomas Kurzke.
Von Bremen für Bremen
Der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH bescheinigt Kurzke, schon vor einiger Zeit grundlegend umgedacht zu haben. Vor Jahren habe er den Eindruck gehabt, dass sich die WFB insbesondere bei der Suche nach geeigneten Standorten eher für große Unternehmen interessierte als für die der Handwerksbetriebe und kleinen Firmen. „Das hat sich grundlegend geändert. Offenkundig versteht sich die WFB jetzt schon lange als Dienstleister aller Unternehmen“, zollt Kurzke der Wirtschaftsförderung Respekt.
Die Chance umzudenken, war für Kurzke ein wesentlicher Beweggrund, sich ehrenamtlich in der Maler-Innung und dann in der Handwerkskammer zu engagieren: „Man hat Einblicke in viele Bereiche, sieht Neues und bekommt dadurch Impulse.“ Trotz des zeitaufwendigen Engagements hat er die Faszination seines Hauptberufes nicht aus den Augen verloren: „Ich sehe abends, was ich tagsüber getan habe“, bringt er auf den Punkt, warum er diese Arbeit so mag. Natürlich stecke darin auch viel Verantwortung: „Aber es ist etwas, das einen auch stolz macht.“
Erfolgsgeschichten
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