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25.10.2019 - Janet Binder

Echtes Essen für alle

Pressedienst

Inklusive Stadtteilküche „Marie Weser“ bietet mehr als den schnellen Mittagstisch

Betriebsleiterin Dana Matthaeus und Mitarbeiterin Heide Amtsberg bereiten das Essen des Tages für das inklusive Restaurant „Marie Weser“ vor.
Betriebsleiterin Dana Matthaeus und Mitarbeiterin Heide Amtsberg bereiten das Essen des Tages für das inklusive Restaurant „Marie Weser“ vor. © WFB/Jens Lehmkühler

Liebe geht durch den Magen, sagt man. Aber auch Berührungsängste zwischen Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen kann man am besten mit einem leckeren Essen abbauen – dachte sich der Martinsclub Bremen e.V. Mit seinen zwei inklusiven Stadtteilküchen beweist er, dass es funktioniert.

Integration ist ein Menschenrecht – theoretisch. Nicht in allen gesellschaftlichen Bereichen funktioniert aber die Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen. In der inklusiven Stadtteilküche „Marie Weser“ in Bremen-Huckelriede beweist dagegen Köchin und Betriebsleiterin Dana Matthaeus, dass Integration eigentlich ganz unkompliziert möglich ist.

Heide Amtsberg hat eine Lernschwäche – und viel Spaß am Arbeiten

An diesem Tag steht Karotten-Zucchini-Pfanne mit Reis und Tsatsiki im „Marie Weser“ auf der Tageskarte. Es ist vormittags, die Vorbereitungen laufen: Beim Schneiden der Möhren passt Küchenhilfe Heide Amtsberg besonders gut auf. Sie hat das schon oft gemacht, doch vor einigen Wochen hat sie sich beim Schnittlauchschnippeln einen Finger böse verletzt. Das soll nicht noch mal passieren. Die 53-Jährige hat bei ihrem Job in der inklusiven Stadtteilküche in Bremen-Huckelriede sichtlich Spaß. „Ich mache hier alles, spüle, bringe Getränke“, sagt sie stolz.

Über 40 Prozent der Beschäftigten haben eine Beeinträchtigung

Aber manchmal ist sie nicht ganz bei der Sache, dann kann schon mal ein kleineres oder größeres Malheur passieren. Betriebsleiterin Dana Matthaeus bleibt in solchen Situationen gelassen. „Ich habe drei Kinder, ich habe sehr viel Geduld“, lacht die Köchin. Ihre Mitarbeiterin Heide Amtsberg hat eine Lernschwäche und ist eine von drei Menschen mit Beeinträchtigungen, die in dem 2016 eröffneten Bistro arbeiten.

Martinsclub ist der größte Träger der Behindertenhilfe in Bremen

Das „Marie Weser“ ist neben dem „Rotheo“ in Bremen-Kattenturm die zweite inklusive Stadtteilküche, die der Martinsclub Bremen e.V. betreibt. Der Verein ist mit 700 Mitarbeitern größter Träger der Behindertenhilfe in Bremen. Neben Beratungsstellen bietet er Wohnbetreuungen, Assistenzen in Schulen, Bildungskurse oder eben die beiden Cafés an.

Beschäftigte in Behindertenwerkstätten sind oft unterfordert

Für den Martinsclub lag es auf der Hand, für Menschen mit Beeinträchtigungen Arbeitsplätze in der Gastronomie zu schaffen. „Sie arbeiten oft in Werkstätten, viele sind dort aber unterfordert“, sagt Madlien Janko, Regionalleiterin beim Martinsclub Bremen. Leider würden aber zu wenig passende Jobs auf dem ersten Arbeitsmarkt angeboten, dabei sei das Interesse sehr hoch: „Wenn wir Stellen fürs ‚Marie Weser‘ oder fürs ‚Rotheo‘ ausschreiben, meldet sich eine ganze Reihe Bewerberinnen und Bewerber.“

Dana Matthaeus leitet das inklusive Restaurant „Marie Weser“, das 2016 in Bremen-Huckelriede eröffnete.
Dana Matthaeus leitet das inklusive Restaurant „Marie Weser“, das 2016 in Bremen-Huckelriede eröffnete. © WFB/Jens Lehmkühler

Alle werden nach Tarif bezahlt

Für Madlien Janko ist es wichtig, dass die Beschäftigten mit Beeinträchtigung in allen Tätigkeitsbereichen des Restaurantbetriebs eingebunden werden – und nicht nur an der Spüle stehen, wie es sonst häufig üblich ist. „Sie sollen auch den Kontakt zu den Kunden lernen und wissen, wie man eine Veranstaltung plant“, betont sie. 

Leitgedanke für den Martinsclub ist die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, wonach jeder Mensch ein Recht auf Inklusion hat, also darauf, ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein. Die besonderen Beschäftigten werden deshalb auch so wie die anderen Mitarbeiter nach Tarif bezahlt – in Behindertenwerkstätten ist das meist nicht der Fall. Finanziell unterstützt wird der Martinsclub von der Stadt, aber auch von der Sozialorganisation Aktion Mensch.

Hier treffen sich Menschen aus dem Stadtteil

„Wir sind ein normales Café, jeder kann hier vorbeikommen“, betont „Marie Weser“-Chefin Dana Matthaeus. Jeden Tag wird ein anderes Tagesgericht für fünf Euro angeboten, zudem stehen einfache Gerichte wie Ofenkartoffel, Flammkuchen oder Risotto auf der Karte. Gekocht wird nach dem Motto „Echtes Essen für alle“. „Das heißt, wir kochen mit frischen, saisonalen und regionalen Zutaten“, sagt die Leiterin. Die Gäste, die regelmäßig kommen, sind Beschäftigte aus den umliegenden Büros, Beamte der nahegelegenen Polizeistation oder auch ältere alleinstehende Menschen, die in der Nachbarschaft wohnen. Sie treffen im „Marie Weser“ oft auf Bewohner aus der integrativen Wohngemeinschaft im Haus. Auch sie essen hier Mittag, trinken heiße Schokolade oder vertreiben sich ihre Zeit in dem modern eingerichteten Bistro. Dana Mattheaus erlebt es immer wieder, dass Gäste tatsächlich ins Gespräch kommen.

Eine der Stammgäste ist Beate. Sie kommt gerne zum Mittagessen, wenn sie nicht gerade in einer Behindertenwerkstatt arbeitet. Heute hat sie einen freien Tag und ist schon früh ins Café kommen. Sie freut sich auf die Gemüsepfanne, auch wenn sie eigentlich lieber Nudeln mag. „Und Pudding“, fügt sie mit einem Lächeln auf dem Gesicht hinzu. Aber natürlich kommt sie nicht nur zum Essen, sondern auch, um mit anderen Menschen zusammen zu sein.

Kostenlose Karaoke-Abende und Do-it-yourself-Nachmittage

Denn das „Marie Weser“ ist mehr als ein Anbieter für den schnellen Mittagstisch, es möchte auch Treffpunkt im Stadtteil sein. Jeden ersten Dienstag im Monat wird deshalb ein kostenloser Karaoke-Abend veranstaltet. „Da ist Beate immer mit dabei und singt“, erzählt Dana Matthaeus. Einmal im Monat wird ein ebenfalls kostenloser Do-It-Yourself-Nachmittag für Frauen und Kinder angeboten. Regelmäßig stehen wechselnde kulinarische Veranstaltungen wie Weihnachtsbrunch oder Grünkohl-Büffet auf dem Programm.

Heide Amtsberg (Mitte) arbeitet nicht nur in der Küche. Sie bedient im Restaurant auch die Gäste. Das „Marie Weser“ ist Treffpunkt für Beschäftigte aus den umliegenden Büros, Menschen aus der Nachbarschaft und Bewohner aus der integrativen Wohngemeinschaft im Haus.
Heide Amtsberg (Mitte) arbeitet nicht nur in der Küche. Sie bedient im Restaurant auch die Gäste. Das „Marie Weser“ ist Treffpunkt für Beschäftigte aus den umliegenden Büros, Menschen aus der Nachbarschaft und Bewohner aus der integrativen Wohngemeinschaft im Haus. © WFB/Jens Lehmkühler

Betriebsleiterin Dana Matthaeus ist nicht nur für den Speiseplan zuständig

Ein paar Berührungsängste hatte Dana Matthaeus, als sie vor rund einem Jahr im „Marie Weser“ anfing. „Die sind inzwischen viel weniger als früher“, sagt sie. Sie geht offen auf alle Gäste zu, einmal am Tag besucht sie die integrative Wohngemeinschaft nebenan. Deren Bewohner haben sie so sehr ins Herz geschlossen, dass sie sich bei ihnen abmelden muss, wenn sie in den Urlaub geht. Die Köchin kennt inzwischen alle Vorlieben ihrer Gäste mit Beeinträchtigungen und geht darauf gerne ein. So zum Beispiel bei Beate: „Nächste Woche gibt es Nudeln, extra für dich mit Gemüse und mit viel Käse drauf“, sagt Matthaeus. Die Angesprochene ist sichtlich begeistert.

Arbeitsabläufe sind einfach verständlich schriftlich fixiert

Bevor Dana Matthaeus im „Marie Weser“ anfing, kochte die 41-Jährige in Restaurants und Schulküchen, arbeitete aber auch in einem Projekt für langzeitarbeitslose Frauen. Somit hatte sie bereits Erfahrungen mit Arbeitskräften, die etwas schwerer anzuleiten sind als andere. „Es gibt jeden Tag Dinge, die man noch mal von vorne erklären muss“, sagt sie. Weil sie nicht immer die Zeit dafür hat, liegen laminierte DIN A4-Blätter mit leicht verständlichen Beschreibungen der Tätigkeiten für den Früh- und den Spätdienst griffbereit. Darauf stehen die Arbeitsabläufe wie Tische abwischen, Geschirrspüler reinigen und Müll rausbringen detailliert und der Reihenfolge nach. Neben jedem Arbeitsschritt ist auch ein Foto abgebildet, damit nichts schief gehen kann.

Manchmal geht dann doch was schief, so wie an dem Tag, als sich Heide Amtsberg in den Finger schnitt. Meistens aber läuft alles gut. Heide hat viel Arbeitserfahrung, hat sie doch lange Jahre in der Küche eines regulären Restaurants für sauberes Geschirr gesorgt. Im „Marie Weser“ kann sie zeigen, welche Fähigkeiten sonst noch in ihr stecken. 


Pressekontakt:

Dana Matthaeus, Betriebsleiterin Marie Weser, Telefon +49 (0)421 – 89 82 36 36, d.matthaeus@marieweser.de.

Madlien Janko, Martinsclub Regionalleiterin Bremen-Huckelriede, Telefon +49 (0)421 – 87 86 65 80, m.janko@martinsclub.de.


Bildmaterial:

Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: Betriebsleiterin Dana Matthaeus und Mitarbeiterin Heide Amtsberg bereiten das Essen des Tages für das inklusive Restaurant Marie Weser vor. © WFB/Jens Lehmkühler

Foto 2: Dana Matthaeus leitet das inklusive Restaurant „Marie Weser“, das 2016 in Bremen-Huckelriede eröffnete. © WFB/Jens Lehmkühler

Foto 3: Heide Amtsberg (Mitte) arbeitet nicht nur in der Küche. Sie bedient im Restaurant auch die Gäste. Das Marie Weser ist Treffpunkt für Beschäftigte aus den umliegenden Büros, Menschen aus der Nachbarschaft und Bewohner aus der integrativen Wohngemeinschaft im Haus. © WFB/Jens Lehmkühler


Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen berichtet bereits seit Juli 2008 monatlich über Menschen und Geschichten aus dem Bundesland Bremen mit überregionaler Relevanz herausgegeben von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen arbeitet ähnlich wie ein Korrespondentenbüro. Bei den Artikeln handelt es sich nicht um Werbe- oder PR-Texte, sondern um Autorenstücke, die von Journalisten für Journalisten geschrieben werden.

Bei Fragen schreiben Sie einfach eine E-Mail an pressedienst@bremen.de.

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