Wie beeinflusst der nachhaltige Wandel Bremer Unternehmen?
4 Thesen, wie Bremen nachhaltiger mit Rohstoffen umgehen kann
Nachhaltigkeit ist mehr als ein Lippenbekenntnis, sondern gehört eindeutig zu den Zukunftsthemen, die in Bremen und der Bremer Wirtschaft immer mehr an Bedeutung gewinnen. Der Umgang mit Rohstoffen und Ressourcen wird sich in Bremen und der Welt künftig verändern müssen, Produktion und Entwicklung müssen nachhaltig gestaltet und nachhaltige Technologien angewandt werden. Wir haben vier Thesen aus vier Bremen Podcastfolgen zusammengefasst, die sich der Frage widmen, wie Bremen und Bremer Unternehmen nachhaltiger mit Rohstoffen umgehen können.
THESE 1: Die Bedeutung des regionalen Rohstoffrecyclings nimmt zu, um eine stabile Rohstoffversorgung sicherzustellen
Deutschland ist als Industrie- und Exportnation besonders stark auf eine stabile Rohstoffversorgung angewiesen. In den kommenden Jahren werden viele neue Herausforderungen auf unsere Gesellschaft zukommen, sei es bei der E-Mobilität, der Energiewende, dem Klimaschutz oder der Digitalisierung. Da Deutschland ein rohstoffarmes Land ist, kann das Recycling von Altholz, Kunststoff und anderen Rohstoffen eine entscheidende Rolle spielen, denn so können Rohstoffe selbst generiert werden.
Dieser Ansicht sind Oliver Groß, CEO der Nehlsen AG – einem deutschen Top Player in der Versorgungsbranche – und Professor Tilo Halaszovich, Professor für Global Markets an der Jacobs University Bremen. Sie sprachen mit Moderator Boris Felgendreher über das Thema Rohstoffversorgung und Recycling in der Podcastfolge 13 von Go Global! Bremen Business Talk - Der Podcast zu Wirtschaft, Innovation und Handel
Laut den beiden Gästen sei man in Deutschland beim Thema Recycling sehr gut aufgestellt. Die Produktion von Recyclingrohstoffen ist aktuell allerdings sehr kostenintensiv, sodass Recyclingrohstoffe mindestens genauso teuer sind wie primäre Rohstoffe, was noch viele Unternehmen und Produktionsstätten abschreckt, Recycling gezielt bei der Rohstoffversorgung zu nutzen. Eine gesellschaftliche Wandlung sei allerdings zu beobachten: Das Thema Nachhaltigkeit rücke bei Konsumentinnen und Konsumenten immer weiter in den Vordergrund. Dies führe dazu, dass auch Unternehmen sich gezielt mit dieser Thematik auseinandersetzen und die Entwicklung von nachhaltigen Technologien vorantreiben – so betont Oliver Groß, dass unter anderem auch die Nehlsen AG in die aktuellste Recyclingtechnik investiert.
Es sind einige technische Innovationen zu erwarten, die den Recyclingprozess deutlich kostengünstiger gestalten sollen. Unter anderem wird das Produkt- und Verpackungsdesign eine wesentliche Rolle spielen. Statt unterschiedliche Verbundmaterialien zu benutzen, können Produkte in einem Stück hergestellt werden. Auch kann sich die Röntgentechnik als Sensortechnik zum Trennen durchsetzen.
Durch den Einsatz von Recycling und die Suche nach alternativen Quellen wird sich die Rohstoffgewinnung in den nächsten zehn Jahren massiv verändern. Klimawandel und Nachhaltigkeit werden bestimmen, welche Art von Rohstoffgewinnung funktionieren kann und vor allem, inwiefern sie gesellschaftlich und ökologisch vertretbar ist.
THESE 2: Rohstoffkreisläufe und lokale Nahrungsmittelproduktion lohnen sich für Unternehmen
Tiere brauchen Proteine im Futter. In der Regel werden diese in Form von Soja oder Fischmehl ins Futter gemischt. Das sorgt immer wieder für Kritik, da für den Anbau artenreiche Lebensräume zerstört werden – der Regenwald gerodet und die Meere leergefischt – und die langen Transportwege für einen hohen CO2-Ausstoß sorgen. Aus diesem Grund müssen sich Unternehmen aus der Lebensmittel- und Futterindustrie dem gesellschaftlichen Wandel Richtung Nachhaltigkeit und Regionalität anpassen und über alternative Rohstoffquellen nachdenken.
Über das spannende Thema der nachhaltigen Lieferketten und der Kreislaufwirtschaft in der Nahrungs- und Futtermittelindustrie diskutierte Go Global Moderator Boris Felgendreher in Folge 12 mit zwei Gästen aus Bremen, die dieses Thema aus unterschiedlichen Blickwinkeln sehen aber auch gemeinsam an einem konkreten Projekt arbeiten: Dieter Meyer, Leiter Unternehmenskommunikation bei Vitakraft, einen der weltgrößten Markenunternehmen der Heimtierbranche, und Norman Breitling, Mitgründer des Bremer Start-ups Farmcycle.
Dieter Meyer stellt gleich zu Anfang des Gesprächs klar, dass sich Vitakraft selbst in der Verpflichtung sehe, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu überprüfen und alternative Ressourcen und zu finden. „Wir sind gefordert, unsere internationalen Aktivitäten auf ihren ökologischen Fußabdruck zu überprüfen. Gibt es logistische Alternativen und alternative Rohstoffquellen für unsere Futtermittel und Bedarfsartikel?“, so die grundlegende Frage Meyers. Dabei stellt er ein Revival des Labels „Made in Germany“ fest, mit dem Unterschied, dass dieser Begriff den Fokus nicht mehr auf die Qualität der Produkte legt, sondern auf die Nachhaltigkeit des Produktionsstandorts. Norman Breitling fügt hinzu, dass möglicherweise eine preisliche Entwicklung bei nachhaltigen Produkten in den nächsten Jahren sichtbar werden würde. Aufgrund des Mangels an Rohstoffen würden Transportkosten teurer werden, sodass Unternehmen, die regional produzieren, eventuell belohnt würden.
Tatsächlich bietet das Bremer Start-up Farmcycle eine regionale Alternative. Farmcycle züchtet schwarze Soldatenfliegen, um daraus Tierfutter herzustellen. Diese Proteinquelle benötigt nur einen Bruchteil der Energie- und Wasserversorgung im Vergleich zu konventionellen Rohstoffen im Tierfutterbereich wie Soja oder Fischmehl. Interessant dabei wäre eine mögliche Kooperation zwischen einem Tierfutterhersteller wie Vitakraft und einem Start-up wie Farmcycle, die einen nachhaltigen Kreislauf entstehen lassen kann: Abfälle aus der Vitakraft Produktion können von Farmcycle verwendet werden und die Erzeugnisse von Farmcycle können von Vitakraft genutzt werden.
THESE 3: Der Nachfragedruck nach nachhaltigen Produkten treibt Unternehmen dazu, Rohstoffkreisläufe zu überdenken
Bremen und Bremerhaven sind seit vielen Jahren wichtige Standorte für Nahrungs- und Genussmittel und viele namhafte, global operierende Unternehmen der Branche sind im Bundesland Bremen mit Hauptsitz oder Niederlassungen vertreten. Genau wie in der Tierfuttermittelbranche ist auch in der Genuss- und Lebensmittelindustrie ein Wandel in der Wahrnehmung und dem Bewusstsein der Verbraucher:innen in der Ernährung und dem Kauf von Lebensmitteln festzustellen.
Mit Maik Busse, COO/CFO der Frosta AG, und Oliver Bartelt, Leiter Unternehmenskommunikation beim Deutschen Milchkontor (DMK) – beides große Player der Lebensmittelindustrie aus Bremen – unterhält sich Boris Felgendreher in der Podcast-Folge 11 unter anderem über die Herausforderungen und Ziele der beiden Unternehmen rund um das Thema Nachhaltigkeit.
Nicht erst seit der Coronapandemie beschäftigen sich Konsumenten und Konsumentinnen bewusster mit einer nachhaltigen, qualitativ hochwertigen Ernährung. Die Tendenzen gehen in Richtung Bio und das Augenmerk liegt viel mehr auf guten Zutaten, wenig Fett und Zucker in den Produkten. So ist Frosta mit seinem großen Sortiment an vegetarischen und veganen Produkten schon seit längerem Vorläufer auf dem Gebiet der bewussten Ernährung. Zudem beschäftigt sich Frosta mit Themen wie umweltfreundliche Produktverpackungen, CO2-Abdruck des und die Nutzung von bestimmten Zutaten. „Wir stellen uns immer wieder die Frage, ob wir ein Produkt anders bereiten können,“ berichtet Maik Busse. „Wir achten zum Beispiel bei unseren Fischstäbchen darauf, dass wir kein Palmöl verwenden. Wir haben außerdem die ersten Papierbeutel auf dem Markt, weil wir daran glauben, dass es anders geht. Wir versuchen immer darüber nachzudenken, an welcher Stelle wir etwas anders machen können, um eine große Wirkung zu erzielen.“
Regionalität ist ein weiterer großer Trend, der in der Lebensmittelbranche beobachtet werden kann. Oliver Bartelt erklärt: „Diesen Trend zu mehr Regionalität bedienen wir in zweierlei Form. Entweder wird das Produkt dort hergestellt, wo es konsumiert wird. Bei uns in Bremen ist es zum Beispiel die Marke Bremerland.“ Regionalität bedeute aber auch, dass Konsumentinnen und Konsumenten mit einer Region etwas Bestimmtes verbinden. So betreibt der DMK die Marke Milram in ganz Deutschland, indem er auf den norddeutschen Charakter dieser Marke den Fokus setzt.
Trends entwickeln sich nicht linear und es sind immer wieder Individualisierungen und Neuerungen zu beobachten. Als Unternehmen müsse man immer darauf achten, flexibel zu bleiben und ein offenes Ohr für die Wünsche und Bedürfnisse des Marktes und der Verbraucher:innen zu haben, bestätigen beide Gäste.
THESE 4: Höhere Kosten werden durch neues Preisbewusstsein und Innovationen aufgefangen
Grüner Stahl made in Bremen kann durchaus wettbewerbsfähig werden. Aktuell muss allerdings eine Akzeptanz in der Gesellschaft entstehen, da eine nachhaltige Stahlproduktion mit höheren Kosten verbunden ist. Doch durch Investitionen in neue Technologien und durch eine höhere Produktion von Wasserstoff, wird auch die grüne Stahlproduktion auf langfristige Sicht günstiger werden. Bremen und Bremerhaven haben in der Tat große Zukunftspläne, wenn es um das Thema Wasserstoff geht und dafür müssen dringend die Weichen gestellt werden.
Zwei Bremer Unternehmen für die der Energieträger Wasserstoff in Zukunft eine Schlüsselrolle einnehmen soll, sind das Bremer Stahlwerk von ArcelorMittal und der Energieversorger swb. Aus diesem Grund unterhält sich Boris Felgendreher in Folge 9 des Go Global Podcasts mit Reiner Blaschek, dem CEO von ArcelorMittal und Torsten Köhne, CEO der swb über das Thema Wasserstoff und insbesondere über eine CO2-neutrale Stahlproduktion mit Wasserstoff.
Die swb sei kontinuierlich auf der Suche nach CO2-armen Lösungen. „Um CO2-optimiert zu arbeiten, ist Wasserstoff in einigen Bereichen die einzige Alternative zu fossilen Energieträgern“, so Köhne, „vorausgesetzt der Wasserstoff wird mit Ökostrom produziert“. Ein guter Weg, um die Stahlproduktion nachhaltiger zu gestalten und zu den Klimaschutzzielen der Bundesregierung bis 2030 beizutragen. Dennoch bringt Wasserstoff aktuell noch viele Herausforderungen mit sich. Zum einen muss genug CO2-freier Strom vorhanden sein, was momentan noch eine Schwierigkeit darstellt. Zum anderen müssen Leitungen oder Tanks mit immensem Druck verfügbar sein, um den Wasserstoff zu transportieren.
Reiner Blaschek berichtet zudem von den Zielen der ArcelorMittal, mit Wasserstoff den CO2-Impact des Unternehmens zu reduzieren. „Stahl hat den Vorteil, dass es zu 100 Prozent und immer wieder recycelbar ist, doch die Erzeugung von CO2 ist recht hoch“, sagt er. „Für eine Tonne Stahl fallen zwei Tonnen CO2 an.“ ArcelorMittal hat sich dazu verpflichtet, eine Reduktion von 30 Prozent bis 2030 zu schaffen. Ziel dabei ist es, Wasserstoff einzusetzen, um Kohle als Reduktionsmittel zu ersetzen und zu vermeiden, dass CO2 entsteht. Dies ist allerdings mit einem Technologiewechsel und hohen Kosten verbunden.
Die Region Bremen und Bremerhaven sei für die Wasserstoffproduktion prädestiniert, sind sich die beiden Gäste einig. Zum einen verfügt Norddeutschland über eine sehr große Erdgasinfrastruktur, nicht nur mit Erdgasleitungen, sondern auch mit großen unterirdischen Speichern. Zum anderen wird in Norddeutschland sehr viel regenerativer Strom erzeugt, insbesondere durch entsprechende off-shore Windparks in der Nordsee und Ostsee. Doch auch für einen Import von Wasserstoff eigne sich die norddeutsche Region dank ihrer großen Häfen sehr gut, so Blaschek und Köhne.
Der Podcast Go Global! trägt Bremer Ideen in die Welt hinaus und blickt auf weltweite Trends, die auch auf die Bremer Wirtschaft einen erheblichen Einfluss haben. In regelmäßigen Abständen spricht Moderator Boris Felgendreher mit Persönlichkeiten und Experten und Expertinnen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Start-ups. Die Themen sind dabei so vielfältig wie die Menschen selbst: neue Technologien, Handels- und Wirtschaftspolitik, Chancen und Möglichkeiten für Unternehmen. Der Podcast Go Global! wird von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH, der Senatorin für Wirtschaft, Häfen und Transformation sowie von der Handelskammer Bremen - IHK für Bremen und Bremerhaven produziert.
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