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2.11.2023 - Anne-Katrin Wehrmann

Social Franchising: Wie sich bewährte Konzepte im sozialen Bereich verbreiten lassen

Start-ups

Mit geteilten Ideen das Gemeinwohl steigern

Kam mit 12 Jahren aus Kasachstan nach Bremen: Der Sonderpädagoge Daniel Magel hat 2010 die Initiative „Hood Training“ gegründet.
Kam mit 12 Jahren aus Kasachstan nach Bremen: Der Sonderpädagoge Daniel Magel hat 2010 die Initiative „Hood Training“ gegründet. © WFB/Jens Lehmkühler

Was ist Social Franchising? Und wie können Unternehmen im Sozialbereich davon profitieren? Franchise-Konzepte bieten Vorteile gegenüber einer klassischen Unternehmensgründung. Sozialunternehmen können schneller ihre Wirkung vergrößern, Unternehmer:innen können sich auf bewährte Konzepte verlassen.

Beispiel für Social Franchise: Hood Training

Mit Hood Training hat Daniel Magel 2010 in Bremen-Tenever eine Jugendinitiative gegründet, die inzwischen zum mehrfach ausgezeichneten Vorzeigeprojekt geworden ist und sich weit über Bremen hinaus einen Namen gemacht hat. Die Idee dahinter: Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Stadtteilen eine Perspektive zu geben – mittels Sport, aktiver Jugendkultur, persönlicher Motivation und Teamwork. „Es gibt überall Kids, die es nicht leicht haben“, betont Magel. „Wir wollen sie von der Straße holen und gemeinsam etwas auf die Beine stellen.“ Das Projekt wurde immer größer, und irgendwann entstand die Idee, neue Standorte mit ins Boot zu holen. Vor ein paar Jahren schließlich mietete der studierte Pädagoge kurzerhand einen Transporter und tourte mit diversen Trainingsgeräten durch Deutschland, um Kontakte zu knüpfen und sein Konzept in anderen Städten vorzustellen.

Mit Franchising die eigenen Ziele an neuen Orten umsetzen

Heute gibt es mit Hood Training München und Hood Training Berlin zwei offizielle Kooperationspartner, in weiteren Städten laufen bereits entsprechende Gespräche. Dabei fungiert die eigens gegründete Hood Work GmbH als Muttergesellschaft, die die Markenrechte innehat und die Nutzungslizenzen vergibt, während die gemeinnützige Hood Training gGmbH als Tochter für die Ausgestaltung der Kooperationsverträge mit den aktuellen und künftigen Franchisenehmern zuständig ist. „Wir haben in Bremen viel Vorarbeit geleistet“, berichtet Magel. „Wir wissen, wie man Anträge für Fördergelder schreibt, mit den Behörden kommuniziert und nachhaltige Arbeit in den Quartieren leistet. Dieses Know-how geben wir an unsere Partner weiter.“

In die andere Richtung profitiere Hood Training davon, immer größer und bekannter zu werden – und so die eigenen Ziele an neuen Orten umsetzen zu können. „Sport und Bildung sollten überall und für alle zugänglich sein“, macht der 40-Jährige deutlich. „Die guten Seiten, die da vermittelt werden, das Miteinander: Das möchten wir verbreiten, und dafür ist Franchising eine super Sache.“

Social Franchising: Skalierung von gesellschaftlicher Wirkung

Das Partnerschafts-Modell des Franchising lasse sich hervorragend zur Skalierung von gesellschaftlicher Wirkung nutzen: Davon ist auch Arne Dähn, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Franchiseverbands, überzeugt. „Beim Social Franchising stehen Gemeinwohlziele im Vordergrund“, sagt er. „Ein ganz großer Vorteil ist, dass sich hier der soziale Impact standardisiert multiplizieren lässt – und das mit einer großen Sicherheit und einer hohen Geschwindigkeit.“ Franchise-Systeme zeichneten sich unter anderem dadurch aus, dass sie sehr schnell wachsen könnten, ohne dabei an Qualität zu verlieren: „Das funktioniert, weil sich der selbstständige Unternehmer vor Ort mit der Sache identifiziert und das Konzept mit all seiner Power umsetzt.“

Individuelle Lösungen für individuelle Konzepte

Einen Königsweg, wie sich das Ganze in die Praxis umsetzen lässt, gibt es laut Dähn nicht. „Jedes Konzept, jedes Unternehmen ist individuell und braucht daher individuelle Lösungen.“ Einige allgemeine Hinweise und Informationen hat der Deutschen Franchiseverband auf seiner Website zusammengestellt. Darüber hinaus rät der Jurist interessierten Initiativen und Sozialunternehmen, die selbst über ein Franchise-Modell nachdenken, sich an den Verband zu wenden und die dortige Expertise in Anspruch zu nehmen. „Wir helfen auch beim Aufstellen von Verträgen und haben für unsere Mitglieder einen detaillierten Leitfaden zum Social Franchising erstellt“, erläutert er. Hier antwortet der Experte auf einige wesentliche Fragen:

Ein Mann blickt in die Kamera
Arne Dähn, stellvertretender Geschäftsführer des Deutschen Franchiseverbands. © Deutscher Franchiseverband e. V.

Wie funktioniert Social Franchising?

Franchising funktioniert als Geschäftsmodell unabhängig von der jeweiligen Branche und vom Absatzmarkt. Vielmehr ist der Partnermarkt, also das Verhältnis zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer, von Bedeutung. Das gilt auch für den sozialen Bereich. Beim Social Franchising übertragen die Partner das vor allem wirtschaftlich ausgerichtete System des Franchising auf die Umsetzung und Verbreitung gesellschaftlicher Vorhaben und Ziele. Die Vielfalt dieser Vorhaben und Ziele ist groß.

Was sind die Vorteile und Chancen des Social Franchising gegenüber der Gründung eines eigenen Unternehmens oder dem Eröffnen eines weiteren Standorts?

Franchising ist ein auf Nachhaltigkeit und Partnerschaft basierendes Kooperations- und Skalierungsmodell und eignet sich als solches ideal als Expansionsmodell für gesellschaftliche und soziale Wirkung. Sämtliche Vorzüge des Franchising sind gleichermaßen Erfolgsfaktoren für das Social Franchising – unter anderem: klar geregelte Zusammenarbeit, effiziente Organisationsform, optimale Wachstumsfähigkeit und intrinsische Motivation der selbstständigen Netzwerkpartner:innen.

Was gilt es zu beachten?

Das Herz der Zusammenarbeit ist die gelebte Praxis, der Kopf ist der Vertrag. Im Social-Franchise-Vertrag ist das Fundament der Partnerschaft hinterlegt, er ist die Grundlage für das gesamte Miteinander und regelt die Rechte und Pflichten der Beteiligten. Der Franchisegeber gewährt dem Franchisenehmer in der Regel Nutzungsrechte und Know-how sowie allgemeine betriebliche Unterstützung und laufende Betreuung. Als Gegenleistung kann der Franchisenehmer ein Entgelt in Form von Franchisegebühren entrichten, sofern er seinerseits Einnahmen erzielt. Der Franchisenehmer wird zur Einhaltung des Systemkonzepts und zum einheitlichen Auftreten nach außen verpflichtet.

Welche Art von Unternehmen eignen sich besonders für Franchises im sozialen Bereich?

Grundsätzlich gilt: Überall da, wo es um den Auf- und Ausbau starker Marken geht, wo sich Prozesse standardisieren und vereinheitlichen lassen, wo Ideen und Projekte erfolgreich und mit klarer Alleinstellung pilotiert wurden – überall da lässt sich Franchise bei der Multiplikation anwenden.

Was entscheidet über den Erfolg?

Die Erfolgsfaktoren eines umfassenden „Franchise-Leistungspaketes“ wie Marke, Betriebskonzept, einheitliches Marketing- und Vertriebskonzept, Controlling und Benchmarking, Aus- und Weiterbildung, Qualitätsmanagement sowie über allem eine umfassende Know-how-Dokumentation garantieren die Anerkennung des Franchisings. Darüber hinaus braucht es ein passendes Franchisenehmer-Profil, das dann auch entsprechend umgesetzt wird. Der Franchisenehmer als Markenbotschafter vor Ort ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg des ganzen Konzeptes.

Franchising-Vertrag für die Basics schließen

Im Falle von Hood Training sieht das Franchisenehmerprofil so aus: „Unsere Partner sollen anerkannte Träger der Jugendhilfe sein, eine pädagogische Leitung haben und idealerweise gemeinnützig sein“, sagt Gründer Daniel Magel. „So lassen sich unsere Prinzipien am besten umsetzen.“ In den Verträgen müssten die Basics stimmen, der Rest sei flexibel handhabbar. Die entscheidenden Aspekte schriftlich festzuhalten und auf den Punkt zu bringen, war nach seiner Aussage durchaus eine Herausforderung. Zum Glück habe er einen Kollegen im Team, der sich mit solchen Dingen auskenne: „Er hat einen Vertragsentwurf vorformuliert und von einem Anwalt prüfen lassen. Jetzt können wir praktisch nonstop Verträge schließen.“

Über Sport soziale Kompetenzen erlernen: Das ist die Idee der Bremer Initiative „Hood Training“.
Über Sport soziale Kompetenzen erlernen: Das ist die Idee der Bremer Initiative „Hood Training“. © WFB/Lehmkühler

„An die Sache glauben“

Ende November werden die Trainerinnen und Trainer aus München und Berlin wieder in Bremen sein, um an einer der regelmäßigen Fortbildungen von Hood Training teilzunehmen. Vertraglich geregelt ist, dass sie dafür einen bestimmten Betrag bezahlen, der zum Beispiel über Fördergelder oder Bildungsgutscheine finanziert wird. „Wir haben schon darauf geachtet, dass wir auch finanziell ein bisschen etwas davon haben“, sagt Magel. „Dafür geben wir unseren Partnerinnen und Partnern alle unsere Konzepte und zeigen ihnen, was wir drauf haben.“ In der Praxis gebe es zudem einen regen Austausch und bei Bedarf auch schon einmal längere Telefonate.

Sein Tipp an alle, die über Social Franchising nachdenken: „Du musst an die Sache glauben, sie ernst nehmen und mit dem Herzen dabei sein. Wenn du das tust, dann mach es – ganz egal, was es ist.“

Über Sozialunternehmen in Bremen

Sozialunternehmen lösen gesellschaftliche, soziale oder ökologische Herausforderungen. Aus diesem Grund unterstützt die Hansestadt Bremen diese Branche in besonderem Maße. Die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH fördert und stärkt soziales Unternehmertum in Bremen und unterstützt bereits bestehende Sozialunternehmen, die noch nicht in Bremen ansässig sind bei der Ansiedlung.

Mehr zu unseren Services für Sozialunternehmen auf unserer Schwerpunktseite.

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