Eine zweite Chance für den ersten Job
Social EntrepreneurshipDie Initiative JOBLINGE bringt Jugendliche in Bremen und deutschlandweit in die Ausbildung
Das Sozialunternehmen JOBLINGE ermöglicht jungen Menschen mit schwierigen Startbedingungen einen Weg in den Arbeitsmarkt. Seit 2018 engagiert es sich in Bremen – und vermittelt seitdem Ausbildungsplätze wie auch soziale Kompetenzen.
Sajeda hat einen Traum. Die 18-Jährige aus Bremen möchte medizinische Fachangestellte werden, Menschen helfen, Patientinnen und Patienten in Arztpraxen oder Laboren betreuen. Ein Job mit Perspektive, denn unsere Gesellschaft wird immer älter und medizinisches Personal ist gefragt. Für die junge Syrerin, die erst seit vier Jahren in Deutschland lebt und lernt, ist das ein weiter Weg – den sie jedoch nicht alleine gehen muss.
Dazu kommt sie seit acht Wochen jeden Tag von 9 bis 16 Uhr an die Bremer Schlachte. Dorthin, wo sonst Jung und Alt eine Auszeit vom geschäftigen Stadttreiben suchen und die zahlreichen Restaurants und Biergärten direkt am Weserufer genießen. Hier liegen auch die Büro- und Unterrichtsräume des Sozialunternehmens Joblinge. Als eine von 20 Teilnehmenden lernt Sajeda acht Wochen lang, wie sie Präsentationen hält, Bewerbungen schreibt, ein Vorstellungsgespräch führt oder sich selbst organisiert.
Chancengleichheit herstellen
Ist der Anfang gemacht, geht es ans Eingemachte: Bremer Unternehmen präsentieren sich den Teilnehmenden. Die arbeitssuchenden Jugendlichen erhalten die Chance, sich einen Praktikumsplatz zu erarbeiten. Aus dem dann – vielleicht schon bald – ein Ausbildungsplatz wird.
„Wir bieten jungen Erwachsenen aus schwierigen Verhältnissen ein Netzwerk, mit dem sie hier in Bremen Fuß fassen können. Es geht uns um Chancengleichheit“, erklärt Laura Volk, Unternehmenskoordinatorin bei JOBLINGE. „Uns ist wichtig, dass die Jugendlichen einen Beruf finden, der zu ihnen passt. Wir arbeiten mit ihnen ihre Stärken und Schwächen heraus, sprechen über ihre Wünsche, üben Bewerbungsgespräche und Arbeitssituationen.“
Motiviert im Beruf auch ohne Vorzeige-Zeugnis
Gute Noten sind auch heute noch für viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber das Auswahlkriterium bei der Personalauswahl. Sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler haben es deshalb oft schwer, an einen Ausbildungsplatz zu gelangen. Ihnen fehlen häufig positive Lernerfahrungen und Lernumgebungen über ihre Schullaufbahn hinweg und die Noten sind dementsprechend durchwachsen. „Dabei haben sie viele nützliche Fähigkeiten und können sich zu wertvollen und motivierten Angestellten entwickeln. Wir unterstützen sie dabei und sehen uns als Vermittler:innen zwischen Arbeitssuchenden und Ausbildungsplatz“, führt Volk weiter aus.
Viele der Teilnehmenden kommen aus prekären Verhältnissen, Hartz-IV-Gemeinschaften, haben einen Migrationshintergrund oder eine Fluchterfahrung gemacht. Über das Jobcenter finden sie zu JOBLINGE. „Wichtig ist uns, dass die jungen Erwachsenen es aus eigener Kraft und mit eigener Motivation schaffen, sich selbst aus ihren bisherigen Verhältnissen weiterzuentwickeln“, erläutert Volk.
Nach Bremen gekommen, um etwas zu bewegen
Das Bremer Büro der Joblinge ist einer von mehr als 30 bundesweiten Standorten. In Bayern 2007 gegründet, sitzt die Dachorganisation auch heute noch in München. Sie verantwortet das Programm und koordiniert die einzelnen Standorte. Mehr als 12.000 benachteiligte Jugendliche wurden seit dem Start des Programms unterstützt. Drei Viertel von ihnen konnten nachhaltig in den Arbeitsmarkt vermittelt werden – sie erhielten eine zweite Chance für die Ausbildung.
Seit 2018 ist der Bremer Standort aktiv. Wie alle anderen Niederlassungen ist er als gemeinnützige Aktiengesellschaft organisiert. „Bremen ist sehr bunt. Es gibt viele Ecken, an denen man anpacken kann. Die Stadt bietet ein gutes Umfeld, um etwas zu bewegen“, so Volk.
Kooperationen gesucht
Damit sie etwas bewegen können, sind gute Kontakte für Volk und ihr Team das A und O. Mittelständische bremische Betriebe wie Hansewasser, die Bremer BMW-Niederlassung oder der Reifen- und KFZ-Fachhandel Emigholz engagieren sich bereits für JOBLINGE: „Einige Unternehmen stellen sich regelmäßig als Arbeitgeber:in vor, andere bieten Praktikumsplätze oder stellen Mentorinnen und Mentoren für die Eins-zu-eins-Unterstützung unserer Jugendlichen.“ Plätze im Bereich KFZ-Mechatronik, in kaufmännischen Feldern und in der Pflege stoßen auf viel Interesse. „Aber auch in anderen Bereichen vermitteln wir immer wieder motivierte Jugendliche“, erklärt Volk, die seit 2020 für JOBLINGE arbeitet.
Das Team sucht stetig nach neuen Kooperationspartnerinnen und -partnern, führt sie weiter aus: „Wir wünschen uns noch mehr Unternehmen, die Praktika anbieten und bereit sind, in die Ausbildung zu investieren. Besonders in einer Stadt wie Bremen mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit.“ Bedenken seitens der Firmen begegnet das Team mit einem umfassenden Betreuungsangebot: Auch nach erfolgreicher Vermittlung bleibt JOBLINGE Bremen noch in engem Kontakt mit den Auszubildenden und begleiten sie auch in der Ausbildung bei allen Fragen, Sorgen und Nöten. „Zu sehen, wie sich Jugendliche in einem Betrieb einfinden, sich wohlfühlen und sich so neue Chancen erschließen, motiviert uns immer wieder“, schließt Volk bei einem letzten Blick auf das Bremer Schlachte-Ufer.
Video-Reihe "Sozialunternehmen in Bremen"
Teil 1: Joblinge Bremen - Eine zweite Chance für den ersten Job
Teil 2: climb Lernferien - Wenn die Schule in den Ferien weitergeht
Teil 3: weserholz - Wenn ein Möbelstück beim Sprachenlernen hilft
Teil 4: GemüseAckerdemie - Junges Gemüse erntet junges Gemüse
Teil 5: Der Standort Bremen für Sozialunternehmen
Gemeinsam für Sozialunternehmen in Bremen
Unter dem gemeinsamen Projekt “Förderung der Solidarischen Wirtschaft, Genossenschaften und Social Entrepreneurship“ vereinen sich Maßnahmen des Starthauses Bremen, der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH (BIS) sowie der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB). Alle haben das gemeinsame Ziel, Bremen als Standort für Sozialunternehmen attraktiver zu machen und die Gründung sowie Ansiedlung dieser Unternehmen zu fördern. Als Teil der Regionalgruppe des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND) engagiert sich die WFB für ein engeres Zusammenwachsen der Branche und kooperiert mit Akteuren wie dem Social Impact Lab Bremen.
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