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Start with a friend - Quelle: Start with a friend
16.4.2025 - Anne-Katrin Wehrmann

Wie Start with a friend in Bremen echte Integration schafft

Social Entrepreneurship

Geflüchteten Menschen das Ankommen erleichtern

Ende 2014 fand sich in Berlin ein kleines Team von Engagierten zusammen, um Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zusammenzubringen – und sich damit für eine Einwanderungsgesellschaft einzusetzen, die Vielfalt aktiv lebt. Seit 2017 ist Start with a friend auch in Bremen aktiv. Um in der Skalierung entscheidungsfähig zu bleiben, setzt der Verein auf klare Strukturen.

Vivien Kühne ist eine „Local“ im Bremer Start with a friend-Team. Seit mittlerweile sieben Jahren engagiert sich die 36-Jährige als Mitglied im Event-Team, das unter anderem die monatlichen Treffen organisiert. „Ein Event kann bei uns alles sein“, erzählt sie. „Vom gemütlichen Spieleabend über das gemeinsame Kochen bis hin zum Theaterbesuch. Bei gutem Wetter sitzen wir auch gerne einfach auf dem Deich und quatschen, und wer mag, bringt etwas zu essen mit.“

Ehrenamtliches Engagement trägt die Vereinsarbeit

Nach ihrem beruflich bedingten Umzug nach Bremen war in Kühne der Wunsch gewachsen, „etwas Ehrenamtliches zu machen“. Vivin Kühne ist studierte Kognitions- und Medienwissenschaftlerin, heute arbeitet sie in der Software-Branche. Auf der Suche nach einem sinnvollen Betätigungsfeld googelte sie kurzerhand ihre Herzensthemen Migration, Gleichstellung und Diversität – und stieß dabei auf die Website von Start with a Friend (SwaF). „Die haben einen sehr professionellen Internetauftritt, das hat mir sofort gefallen“, erläutert sie. „Und thematisch passt das einfach super zu meinen Interessensgebieten.“

Zwei Menschen machen ein Selfie
Ein "Local" und ein "Newcomer" kommen in den Tandems zusammen - so lernt jede und jeder etwas über eine andere Kultur © Start with a friend

Es gibt viele Möglichkeiten, sich bei Start with a Friend zu engagieren. Allein in Bremen setzen sich etwa 25 Ehrenamtliche für Vielfalt, Akzeptanz und Teilhabe ein – indem sie die lokale SwaF-Community aktiv gestalten, neue Teilnehmerinnen und Teilnehmer begrüßen sowie passende 1:1-Tandems aus Menschen mit und ohne Einwanderungsgeschichte zusammenbringen.

Neben ihr besteht die Bremer Community aus insgesamt 300 weiteren Mitgliedern, wobei die Zahl der „Newcomer“ (sind neu in Deutschland) die der „Locals“ (leben schon länger hier) überwiegt. Seit der Gründung der Ortsgruppe vor knapp acht Jahren hat SwaF in Bremen rund 250 Tandems vermittelt, aus denen inzwischen viele Freundschaften hervorgegangen sind. Zur Koordination der lokalen Aktivitäten hat von Anfang an auch eine Person auf Minijob-Basis für den Verein gearbeitet, aktuell ist gerade noch eine zweite hinzugekommen.

Gleichberechtigte Teilhabe mit Input aus den lokalen Communitys

„Wir ermöglichen qualifiziertes Engagement und schaffen Räume, in denen sich alle Menschen gegenseitig stärken können. Durch Bildung, Partizipation und Empowerment.“ So steht es auf der Homepage von Start with a Friend. Auf dem Weg zu einer Einwanderungsgesellschaft, in der sich alle Menschen wohlfühlen und gleichberechtigt mitgestalten, brauche es Begegnungen, die ein wertschätzendes, respektvolles und empathisches Miteinander fördern.

Die Vermittlung von Tandem-Partnerschaften auf Augenhöhe sei ein wesentlicher Aspekt der Vereinsarbeit, berichtet Nilab Alokuzay-Kiesinger, Geschäftsführerin des SwaF-Bundesteams in Berlin. „Dabei achten wir darauf, dass alle Begegnungen kultursensibel, vielfaltssensibel und diskriminierungssensibel stattfinden“, betont sie. „Um das zu gewährleisten, haben wir entsprechend geschulte Fachleute im Team.“ Mit Blick auf die Organisationsstruktur zeichne den Verein aus, dass er nicht als Dachverband an einem Ort angesiedelt sei, sondern an allen derzeit 26 Standorten selbstständig lokal agiere. „Die Bedarfe an den Tochterstandorten werden regelmäßig an uns in Berlin kommuniziert. Wenn wir hier dann neue Dinge entwickeln, können wir jederzeit auf den Input aus den Communitys zurückgreifen.“

Gruppe Menschen in der Natur
Gemeinsame Aktivitäten schweißen die "Friends" zusammen © Start with a friend

Wachstum erfordert neue Entscheidungswege

Der Verein finanziert seine Arbeit im Wesentlichen über das Bundesprogramm „Menschen stärken Menschen“ des Bundesfamilienministeriums sowie über lokale Programme und private Spenden. Seit neuestem haben Einzelpersonen und Unternehmen außerdem die Möglichkeit, mithilfe von Fördermitgliedschaften einen Beitrag zu leisten. „Auch wenn wir ein Verein sind: Wir sehen uns als Sozialunternehmen und messen unseren Erfolg am nachhaltigen Engagement unserer Ehrenamtlichen und an der Zahl der Tandems, die wir vermitteln“, erläutert Alokuzay-Kiesinger. Ein wesentliches Ziel sei in dem Zusammenhang, die Finanzierung und damit die Strukturen an den lokalen Standorten langfristig zu sichern.

Angesichts des Wachstums der vergangenen Jahre (sowohl in der Anzahl der Standorte als auch in der Vielfalt der lokalen Teams) wurde mit der Zeit deutlich, dass die bisherigen Entscheidungswege an ihre Grenzen stießen. „Prozesse wurden schwerfällig, Entscheidungen zogen sich in die Länge und Beteiligung war nicht mehr überall gleich gut möglich“, sagt die SwaF-Geschäftsführerin. „Gleichzeitig war es uns wichtig, dass unsere Struktur unsere Werte widerspiegelt: Diversität, Augenhöhe und Partizipation.“ Auf der Suche nach einer Struktur, die Skalierung nicht ausbremst, sondern ermöglicht und dabei Raum für gemeinsame Verantwortung schafft, zeigte sich: Es braucht einen guten Mix aus unterschiedlichen Entscheidungsphilosophien.

Hybrides Modell aus soziokratischen und anderen Elementen

Nach intensiver Beschäftigung mit unterschiedlichen Formen der Entscheidungsfindung erwies sich das Modell der Soziokratie als besonders geeignet. In der Soziokratie sind grundsätzlich alle Beteiligten berechtigt, Einwände einzubringen, wenn ein Beschluss gefasst werden soll. „Für uns bedeutet das, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo die größte Kompetenz und Betroffenheit liegt“, macht Alokuzay-Kiesinger deutlich. „Wir arbeiten mit Kreisen, klaren Rollen und dem Konsentprinzip. Das schafft Verbindlichkeit, Transparenz und echte Beteiligung auf Augenhöhe.“ In der Skalierung helfe dieses Prinzip, Verantwortung dezentral zu organisieren und den lokalen Teams eigenständiges Handeln zu ermöglichen.

Grenzen zeigen sich nach Aussage der Geschäftsführerin allerdings dort, wo schnelle und eindeutige Entscheidungen notwendig sind – zum Beispiel in Krisensituationen oder bei vertraglich geregelten Verantwortlichkeiten, für die jemand verbindlich einstehen muss. Aktuell arbeitet der Verein daher bewusst mit einem hybriden Modell. „Wir nutzen Elemente der Soziokratie dort, wo sie stärken – und ergänzen sie durch andere Modelle, wo es mehr Klarheit, Schnelligkeit oder zentrale Zuständigkeit braucht.“ Unter dem Strich sei es die Mischung aus Beteiligung und klarer Verantwortung, die Start with a Friend handlungsfähig mache. Die Kunst liege darin, flexibel zu bleiben und die Struktur als lernendes System zu begreifen. Ihr Tipp für andere wachsende Organisationen: „Gerade in einer Skalierungsphase ist es zentral, einen hybriden Entscheidungsprozess bewusst zu gestalten. Und dabei regelmäßig zu reflektieren, wie stark welche Entscheidungslogik jeweils gewichtet ist.“

Menschen beim Basteln
Gemeinsame etwas Neues ausprobieren - Start with a friend kommt allen Beteiligten zu Gute. © Start with a friend

Begegnungen schaffen Möglichkeiten

Eine weitere Skalierung ist zwar laut Nilab Alokuzay-Kiesinger angesichts knapper Mittel für dieses Jahr zunächst einmal nicht geplant. Die bisherigen Erfolgsgeschichten sind aber für das gesamte Team Motivation genug, sich auch in Zukunft mit voller Kraft für ein gutes Zusammenleben aller in einer pluralen Gesellschaft einzusetzen. Da ist zum Beispiel Fahed Khalili: „DIE Inspiration von Start with a Friend“, wie die Geschäftsführerin den 2015 aus Syrien Geflüchteten nennt. Schon kurz nach seiner Ankunft in Deutschland begann Khalili, sich selbst im Verein zu engagieren, wurde zum hauptamtlichen Mitarbeiter und ist heute im Vorstand für Asyl- und Migrationspolitik verantwortlich. „Das ist ein tolles Beispiel, was Begegnungen an Möglichkeiten schaffen können“, meint Alokuzay-Kiesinger.

Und auch in Bremen gibt es diese Erfolgsgeschichten. Dazu gehört ein junger Mann aus Syrien, der nach wenigen Monaten als Newcomer ins lokale SwaF-Team wechselte und heute mit Frau, Kind und festem Job in Osnabrück lebt, ebenso wie eine junge Frau aus der Türkei, die als Tandem-Teilnehmerin kurzerhand Mitglieder ihres Sprachkurses zum monatlichen Treffen mitbrachte und damit das Vereinsleben bereicherte. Neben dem Einsatz der ehrenamtlichen Kräfte seien funktionierende Netzwerke entscheidend für den Erfolg der Vereinsarbeit, betont die Bremer Ehrenamtliche Vivien Kühne. Daher sei das Team im regelmäßigen Austausch mit Mitgliedern anderer Organisationen und habe unter anderem zuletzt auch am Kooperationsworkshop Sozialunternehmen / Wirtschaft der WFB Wirtschaftsförderung Bremen teilgenommen. „Es geht bei uns viel um den Austausch, der zwischendrin passiert“, erläutert Kühne. „Das bringt Wissen darüber, was möglich ist. Über Kommunikation lässt sich Neues erfahren – und das schafft dann häufig Realität.“

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