Mit Vertrauen und Respekt erfolgreich in der Informatik - Gyde Wortmann
Digitalisierung / Industrie 4.0Gyde Wortmann ist Mitgründerin und im Vorstand der abat AG
Gyde Wortmann wurde in Buxtehude geboren und ist in Flensburg an der deutsch-dänischen Grenze groß geworden. Ihr Vater war bei der Bundesmarine, und es war ein Wunsch der Eltern, dass ihre Kinder zweisprachig in zwei Kulturen aufwachsen. Während der Grundschulzeit lebte Wortmann mit ihrer Familie zwei Jahre in den USA – wieder zweisprachig in beiden Kulturen. Als Dänin zwischen Deutschen, in Dänemark als Deutsche zwischen Dänen oder als Deutsche zwischen Amerikanern: „Ich habe die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Kulturen erlebt. Diese Erfahrungen haben mich sehr geprägt und mir für mein ganzes Leben geholfen.“
Zurück aus den USA entdeckte Wortmann Judo für sich. „Ein toller Sport, der viel mit Vertrauen und Respekt zu tun hat“, sagt sie. Sie hat bei Judomeisterschaften erfolgreich um Titel gekämpft und parallel schon als Schülerin und später während der Studiums Kinder und Jugendliche trainiert. „Das Judo hat mir viel Selbstvertrauen gegeben, und es hat mir Freude gemacht, mich für meinen Sport einzusetzen.“ Sie ging zur dänischen Schule und lebte in der dänischen Kultur. „In Dänemark zum Beispiel duzen sich alle – nur die Königin nicht.“ Als sie mit 14 Jahren wegen eines Judokaderlehrgangs eine Woche schulfrei brauchte, ging sie mit der Kadereinladung zum Rektor. „Er sah sich das an und fragte mich: ,Schaffst du das auch mit der Schule?‘ Ich war mir sicher und bestätigte es. Daraufhin sagte er: ,Alles klar, dann viel Erfolg und viel Spaß beim Lehrgang.‘“
Dass der Rektor sie ernst genommen und ihr die Entscheidung zugetraut hat, prägte sie. „Ich habe in meinem Leben Menschen um mich gehabt, die mir den Raum gegeben haben, Neues auszuprobieren und Verantwortung zu übernehmen.“ Sie nahm Mathematik und Physik als Leistungskurse in der Oberstufe, nach dem Abitur 1985 studierte sie Wirtschaftsinformatik in Flensburg. „Der Studiengang war noch ganz neu, wir waren nur 50 Studierende und haben den Studiengang gemeinsam mit unseren Professoren weiterentwickelt“, erinnert sich Wortmann an ihr Studium, das sie 1990 mit dem Diplom abschloss.
Der Schritt zum eigenen Unternehmen
Anschließend arbeitete sie als Business Analyst bei der LSI Logic Products GmbH in Braunschweig. 1992 wechselte sie zur VW GEDAS GmbH, wo Hinrich Meisterknecht bereits tätig war und bis 1996 auch Holger Pralle und Ronald Wermann dazu kamen – das spätere Gründungsteam von abat. „Wir vier waren gemeinschaftlich als Team für den SAP-Bereich verantwortlich, das war zu der Zeit ein absolutes Novum“, erzählt Wortmann.
Das Unternehmen wurde größer und seine Strukturen unflexibler, damit fiel der Start-up-Charakter weg. Als eine Kollegin schwanger wurde und als Führungskraft in Teilzeit arbeiten wollte, schien das im Unternehmen nicht machbar. „Aber wir haben das durchgeboxt und alle vermeintlich schwierigen Fragen zur Personalverantwortung in Teilzeit geklärt.“ Einige Jahre später wurde die Personalleiterin schwanger und bat sie um Unterstützung, die Teilzeit in ihrer Position bei der Geschäftsführung durchzusetzen. „Das hat uns überrascht, aber wir haben ihr trotz der Geschichte von damals geholfen. Ich sehe das Verhalten in Konflikten und beurteile die Situation – nicht den ganzen Menschen.“ Das hat sie beim Judo gelernt: „Egal wie es auf der Matte läuft: Man begrüßt und verabschiedet sich mit einer Verbeugung und zeigt Respekt vor dem Gegner und dem Kampfrichter.“
Bei VW GEDAS änderten sich die Strukturen und Gyde Wortmann, Holger Pralle, Hinrich Meisterknecht und Ronald Wermann hätten fortan nicht mehr als Team arbeiten können. Über ein Jahr lang arbeiteten sie an alternativen Konzepten, wollten die Geschäftsführung von ihren Ideen überzeugen. „Man hat uns hingehalten. Daraufhin haben wir vier beschlossen, uns selbstständig zu machen. In diese Entscheidung waren auch unsere jeweiligen Lebenspartner involviert, das war uns allen sehr wichtig.“
Familiäre Atmosphäre trotz schnellem Wachstum
Dass sie ihr Unternehmen im September 1998 in Bremen gegründet haben, war eher ein Zufall. Wermann stammt aus Bremen, Pralle und Meisterknecht kommen aus der Region – da war di Hansestadt naheliegend. Außerdem überzeugte die Anbindung mit Flughafen, Bahnhof und Autobahn. „Also haben wir den Gesellschaftervertrag in Bremen unterschrieben. Als wir beim Notar rauskamen, habe ich gesagt: ,Nun zeigt mir doch mal die Stadt, in der wir gerade eine Firma gegründet haben.‘ Nach einem Bummel durch Böttcherstraße und Schnoor und einer Bratwurst auf dem Marktplatz war ich begeistert. Ich habe mich so schnell eingelebt und wohl gefühlt, Bremen war schon nach wenigen Monaten eine neue Heimat.“
Im Januar 1999 nahm die abat AG dann (damals noch als act GmbH) mit 13 Mitarbeitenden ihre Arbeit in den Büroräumen in Hastedt auf. Nach fünf Jahren ist das Unternehmen, das 2001 zur abat AG umfirmiert wurde, nach Findorff umgezogen. „Nach einem Jahr hatten wir 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nach zwei Jahren waren es schon 50.“ Nach der großen Wirtschaftskrise 2008 kamen auch ehemalige Fachkräfte großer IT-Konzerne zu abat. „Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass wir das familiäre Miteinander in unserer Firma auch bei 70, 100 oder gar mehr Beschäftigten halten könnten, aber es geht!“
Ihre Unternehmenskultur stützt den Erfolg: ohne steife Bürokratie, ohne Hierarchien, ohne starre Regeln. Stattdessen stehen gegenseitiges Vertrauen, Eigenverantwortlichkeit, respektvolles Miteinander und Flexibilität im Vordergrund. „Seit 2008 wachsen wir pro Jahr um 10 Prozent“, sagt Wortmann. „Auch wenn ich heute nicht mehr jeden Namen unserer rund 650 Mitarbeitenden kenne, so scheint unsere Ansprache zu stimmen, dass sie sich wohl fühlen.“ Im Laufe der Jahre wurde die Geschäftsführung erweitert, es ist heute ein Entscheidungsgremium, das offen ist für die Ideen und Vorschläge aus den Teams.
Weltweit aktiv
abat ist heute ein internationaler SAP-Dienstleister und Produktanbieter, der Unternehmensprozesse optimiert und mit eigenen Lösungen weiterentwickelt, vorwiegend in den Branchen Automotive, diskrete Fertigung, Logistik, Nachhaltigkeitsmanagement sowie Informationssicherheit. abat hat Standorte in Bremen, München, St. Ingbert, Walldorf, Wolfsburg und Oldenburg sowie in Puebla (Mexiko), Minsk (Weißrussland) und Birmingham (Alabama, USA).
Auch der Vorstand wurden inzwischen erweitert, das Gründendenteam ist nach wie vor gemeinsam an Bord. „Wir vier ergänzen uns einfach perfekt. Uns alle einigt der Respekt vor Menschen“, sagt Wortmann. „Manchmal gibt es Diskussionen, in denen man mit seiner Meinung allein dasteht, und dann muss man sich fragen: Gibt es überzeugende Gründe für die Mehrheit? Oder macht es Sinn, für meine Meinung zu argumentieren? Unsere Unterschiedlichkeit war bei vielen Entscheidungen sehr wertvoll.“
Unsere Reihe "Bremer Frauen in der IT":
In unserer Reihe sind bisher erschienen:
- Teil 1: Juliane Jarke
- Teil 2: Sadia Shakil
- Teil 3: Christiane Niebuhr-Redder
- Teil 4: Gyde Wortmann
- Teil 5: Tanja Schultz
Erfolgsgeschichten
Die Kosten im Gesundheitssystem explodieren. Kann der Bremer Schwerpunkt auf Künstliche Intelligenz im Gesundheitswesen einen Ausweg weisen? Das thematisiert der Bremer Institutsleiter Prof. Dr. Horst K. Hahn am 2. und 3. Dezember 2024 auf dem Symposium „AI in Health“.
Mehr erfahrenIm Schuppen Eins in der Überseestadt entsteht auf mehr als 1.500 Quadratmetern ein neues Behandlungs- und Präventionszentrum – mit einem für Bremen einzigartigen Konzept. Besonders daran ist das Medical Hub, das Ärztinnen und Ärzten die Möglichkeit bietet, eine Praxis zu mieten und Verwaltungsaufgaben gegen Gebühr abzugeben. Welche Vorteile DRVN noch mit sich bringt, erläutert CEO Melanie Stade.
Mehr erfahren auf der Webseite der ÜberseestadtIm 17. Jahrhundert gegründet, noch heute aktiv: Einige Bremer Unternehmen sind älter als die Vereinigten Staaten von Amerika. Vor allem die starken Bremer Sektoren wie Logistik, Schifffahrt und Lebensmittelhandel warten mit besonders traditionsreichen Beispielen auf.
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