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8.11.2017 - Jann Raveling

Den Mittelstand im Nordwesten auf die digitale Überholspur bringen

Digitalisierung / Industrie 4.0

Die Bremer Niederlassung des Ingenieurdienstleisters Ferchau treibt die Digitalisierung im Mittelstand voran

Projektmanagement mittels SCRUM oder Kanban - moderne Arbeitsmethoden gehören bei Ferchau zum Standard.
Projektmanagement mittels SCRUM oder Kanban - moderne Arbeitsmethoden gehören bei Ferchau zum Standard. © Ferchau

Jörg Haverkamp ist Niederlassungsleiter der Bremer Ferchau Engineering Niederlassung. Der Ingenieurdienstleister mit Hauptsitz im nordrhein-westfälischen Gummersbach unterstützt den Industrie-Mittelstand im Nordwesten mit Know-how und Arbeitskraft. Einen immer größeren Stellenwert nehmen Digitalprojekte ein. Der gebürtige Münsteraner Haverkamp weiß, dass viele davon zum Scheitern verurteilt sind, wenn sie nicht richtig angegangen werden.

Herr Haverkamp, wie läuft das bei einem Ingenieurdienstleister, kommen Unternehmen zu Ihnen, um sich Ingenieure für ihr Digitalprojekt zu leihen?

Die wenigsten Unternehmen, die zu uns kommen, haben eine konkrete Vorstellung von der Digitalisierung. Meistens gibt es einen „Schmerz“, ein Problem, das sie lösen müssen: Die Produktion ist zu langsam, Produkte nicht marktfähig, Daten und Prozesse laufen nicht rund oder sind ineffizient organisiert. Ein Lösungsweg kann digital erfolgen. Die Hälfte unseres Geschäfts besteht aus Off-Campus Projekten in unseren Büros, die andere Hälfte unseres Personals arbeitet beim Kunden vor Ort.

Und dann geht es sofort in die Vollen?

Wir schauen zunächst, ob der analoge Prozess optimal organisiert ist. Wenn etwas schlecht läuft, wird es nicht besser, indem man es „digital“ abbildet. In einer Produktion untersuchen wir zum Beispiel, ob sich durch Lean-Management-Ansätze Arbeitsabläufe effizienter gestalten lassen. Erst danach prüfen wir, inwiefern eine Digitalisierung Sinn macht.

Niederlassungsleiter von Ferchau Engineering Bremen: Jörg Haverkamp
Niederlassungsleiter von Ferchau Engineering Bremen: Jörg Haverkamp © Ferchau

Wie geht es dann weiter?

Ein Fokus gilt den Schnittstellen: Welche können wir vereinen? Oft sind in Unternehmen viele verschiedene Softwares und Maschinen im Einsatz, manche davon jahrzehntelang. Sie kommunizieren aber nicht untereinander. Wir bauen Brücken vom Papier zum Computer. Bei uns gibt keine „allgemeinen Digitalisierungsstrategien von der Stange“. Denn solche verschwinden schnell in der Schublade. Grundlage unserer Arbeit ist ein konkretes Projekt, oft in Form eines Piloten. Der muss zum Unternehmen passen, zum finanziellen Rahmen, muss aber auch groß genug sein, um relevante Änderungen anzustoßen. Darauf kann das Unternehmen aufbauen.

Sie sprechen mit vielen Unternehmen, der größte Teil Ihrer Kunden stammt aus der Industrie, wie weit hat die „Industrie 4.0“ die Branche durchdrungen?

Jeder kennt den Begriff, aber die wenigsten können sich etwas unter “Industrie 4.0” vorstellen, weil viele Themen und Bereiche darunter fallen. Es gibt große Eintrittsbarrieren und Hemmschwellen, sich überhaupt damit auseinanderzusetzen. Viele wissen nicht, wo sie anfangen sollen.

Wie reagieren Sie darauf? Schließlich sind es ja Ihre Kunden, denen Sie eine Dienstleistung verkaufen wollen.

Wir haben einen “Digitalisierungs-Readiness-Check” entwickelt. Über einen Fragebogen können Unternehmen in 30 Minuten herausfinden, wie weit die Digitalisierung in ihrem Unternehmen vorangeschritten ist. Die Auswertung gibt eine erste Idee, anhand der wir gemeinsam mit den Unternehmen einen Fahrplan erstellen können.

Blinder Aktionismus führt selten zum Ziel - auch nicht bei der Digitalisierung.

Oft trifft die Digitalisierung auf Ängste und Bedenken, gerade bei den Mitarbeitern. Wie gehen Sie damit um, wenn „jemand von außen kommt und jetzt alles anders macht“?

Neben den Fachleuten, Ingenieuren und IT-Experten, arbeiten bei uns Change-Manager von Anfang an mit. Wir holen Mitarbeiter ab, zeigen Verständnis und schaffen Akzeptanz. Denn es geht hier um konkrete Ängste - um den eigenen Arbeitsplatz. Wir haben festgestellt, dass Positivbeispiele helfen. Wenn Angestellte etwa sehen, wie andere Unternehmen Digitalisierung erfolgreich umgesetzt haben, ohne dass die Befürchtungen der Angestellten eintrafen. Der Schlüssel dazu ist Kommunikation. Wir wollen zeigen, dass jeder Mitarbeiter wertvoll ist und wir sein Fachwissen auch weiterhin brauchen.

Haben Sie für Mittelständler ein paar konkrete Tipps parat?

Als Erstes: Vernetzen Sie sich. Schauen Sie, was andere erreicht haben und wie. Welche Dienstleister helfen wirklich weiter? Blicken Sie dabei über die Branchengrenzen hinweg. Zweitens: Trennen Sie sich von Pauschalbetrachtungen. Sind Ihre analogen Prozesse optimal? Wenn ja, können Sie sie digital verbessern. Und als Letztes: Machen Sie sich im Voraus Gedanken, blinder Aktionismus führt nicht zum Ziel.

Wie gehen Sie die Digitalisierung bei Ferchau an?

Im Gegensatz zu früher arbeiten wir interdisziplinärer. In unseren Teams sitzen Ingenieure und IT-Fachleute, wir verheiraten beide Welten. Zudem bauen wir uns ein lokales Netzwerk hier in Bremen auf. Wir kooperieren mit vielversprechenden Start-ups und wollen eigene Veranstaltungsformate auf den Weg bringen. Wir haben Programmierer, die nur für interne Prozesse coden und organisieren uns zunehmend nach modernen, agilen Management-Prinzipien wie SCRUM.

Wie bleiben Sie persönlich up-to-date?

Ich bin an neuen Technologien interessiert, ich muss immer neue Gadgets ausprobieren. Als Fan von Heimautomatisierung, finde ich es toll, das Leben durch Technik einfacher zu machen. Das einzig Analoge ist mein Notizbuch, in dem ich meine Gedanken sammle. Aber dafür besorge ich mir demnächst einen Stift, der Geschriebenes gleich auch digitalisiert!

Sie haben jahrelang in München gelebt, stammen aus dem Münsterland – wie schätzen Sie Bremen als Innovationsstandort ein?

An Bremen reizt mich die Vielfältigkeit – es ist der facettenreichste Ferchau-Standort. Maritimes, Automotive, Raumfahrt und Start-ups, das kann kein Ort sonst bieten. Dazu noch die Wissenschaft, die ein großartiger Ideengenerator ist. Die Stadt ist nicht überlaufen wie Hamburg oder München, auch junge Unternehmen werden wahrgenommen. Die Handschlagmentalität hat etwas für sich – wenn man hier ersteinmal angekommen ist, hat man sich ein starkes Netzwerk aufgebaut. Mir ist es wichtig, hier vor Ort Know-how zu schaffen und die Unternehmen bei Innovationen zu unterstützen, ob junge Start-ups oder alteingesessene Familienbetriebe. So können wir nachhaltig erfolgreich sein.

Herr Haverkamp, danke für das Gespräch!


Informationen zur Bremer Überseestadt gibt es bei Dagmar Nordhausen, Tel.: 0421 9600-252, dagmar.nordhausen@wfb-bremen.de


Welche Services die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH bei der Digitalisierung Ihres Unternehmens bietet, finden Sie auf der Übersichtsseite Digitalisierung.


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