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15.1.2020 - Nina Svensson

Blick weit über Tastatur und Monitor hinaus

Digitalisierung / Industrie 4.0

Dr. Juliane Jarke forscht am ifib und am ZeMKI der Universität Bremen über die Einflüsse der Digitalisierung auf die Gesellschaft

Bild von Juliane Jarke - Frauen in der IT

„Technik ist sozial“ und „Daten sind nicht neutral“. Zwei scheinbar einfache Sätze, hinter denen doch so viel steckt. Es ist sogar ein ganzes Forschungsgebiet, für das sich Dr. Juliane Jarke begeistern kann. Seit September 2014 arbeitet sie als Wissenschaftlerin im Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) sowie im Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) an der Universität Bremen. Von April 2019 bis März 2020 war sie außerdem Vertretungsprofessorin für Informationsmanagement. Ihr Ziel ist es, dass Technik so gestaltet wird, dass sie in sozialen Systemen funktioniert und den gewünschten Nutzen bringt.

Juliane Jarke stammt aus der Nähe von Berlin. Schon früh hat sie sich für Gesellschaft und Politik interessiert und war unter anderem im Jugendpresseverband Brandburg und für die Stiftung politische und christliche Jugendbildung aktiv. In der Schule wiederum wählte sie Mathematik und Physik als Leistungskurse. Nach dem Abitur reiste sie ein halbes Jahr durch Südamerika und entschied sich nach ihrer Rückkehr für ein Studium der Informatik und Philosophie an der Universität Hamburg.

„Ich fand es spannend, wie Computer und ihre Prozesse funktionieren“, sagt Jarke. „Aber schon bald hat mich die angewandte Informatik viel mehr interessiert.“ Nachdem sie ihr Informatikstudium 2005 mit dem Bachelor abgeschlossen hatte, hat Jarke bei der Rambøll Management GmbH im Kompetenzzentrum IT Management und Innovation in Hamburg gearbeitet. „Dort wurde für mich sehr deutlich, dass man Technik nicht isoliert betrachten kann, sondern sie immer im Zusammenhang mit den sozialen Systemen sehen muss, in denen sie angewendet wird.“

Studium und Doktorarbeit in England

Also ging Jarke nach England an die Lancaster University Management School und studierte dort Information Technology, Management and Organisational Change. „Dort ging es nicht nur um Prozessoptimierung, sondern die soziale Komponente wurde weiter gedacht. Wie verändern Informationssysteme Organisationen und Gesellschaft? Das war genau mein Thema.“ 2007 schloss sie das Masterstudium in Lancaster ab, ein Jahr später machte sie zusätzlich ihren Magister-Abschluss in Philosophie an der Universität Hamburg.

Anschließend ging Jarke nach Brüssel und arbeitete als Stagiaire in den Bereichen e-Infrastrukturen und Digital Science in der Europäischen Kommission. Cyberinfrastrukturen, Rechnernetze, Dateninfrastrukturen – wie verändern digitale Strukturen die Wissenschaft? Welche Folgen hat der weltweite Zugriff auf Forschungsgeräte und -ergebnisse? Diese Fragen waren und sind nach wie vor im Fokus von Juliane Jarke. So ging sie wieder zurück nach Lancaster, um dort zu promovieren. Ihr Thema: „Performances of associations: Sociomaterial orderings and configurations of a European eGovernment ‘community of practice’“ oder anders gesagt: Es ging um e-Government und Digitalisierung im öffentlichen Sektor und die Fragen, wie arbeiten Communities in diesem Bereich und wie können die Mitglieder voneinander lernen? 2013 hat Jarke – inzwischen dreifache Mutter – ihre Doktorarbeit verteidigt und 2014 die Urkunde erhalten. „Das funktionierte nur, weil mein Mann mit seiner Arbeit flexibel ist, mich immer unterstützt hat und zudem hat die Uni in Lancaster eine gute Kita.“

Nach dem Abschluss ihrer Doktorarbeit in England wechselte Juliane Jarke an die Universität Bremen.
Nach dem Abschluss ihrer Doktorarbeit in England wechselte Juliane Jarke an die Universität Bremen. © WFB/Pusch

Partizipative Gestaltung von Technik für Alt und Jung

Noch während ihrer Promotion lernte Juliane Jarke Professor Dr. Herbert Kubicek, heute Senior Researcher am ifib kennen. 2014 zog sie mit ihrer Familie nach Bremen. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin ist sie seitdem am ifib als auch am ZeMKI genau in dem Bereich tätig, der sie seit so vielen Jahren begeistert: Wie werden soziotechnische Systeme konfiguriert durch das Zusammenspiel von Menschen, Technologien, Organisation und Praktiken?

Von 2016 bis 2019 hat Jarke das von der EU geförderte Forschungsprojekt Mobile Age geleitet, in dem innovative Ansätze für die partizipative Technikgestaltung mit älteren Menschen entwickelt und erprobt wurden. Auch Jarke selbst war für viele Workshops und Interviews in den Stadtteilen Hemelingen und Osterholz unterwegs. „Es ist sehr aufwändig, Software partizipativ zu entwickeln. Wir haben Interviews geführt, aber auch ältere Menschen gebeten, ihren Tagesablauf zu dokumentieren und uns ihren Stadtteil zu zeigen“, erzählt Jarke. So wollte das Team herausfinden, welche digitale Dienstleistungen und Services für ältere Menschen sinnvoll wären und ihnen einen Nutzen bringen würden. „Um auch ältere Menschen an digitalen Diensten und damit an der Gesellschaft teilhaben zu lassen, kann man nicht einfach irgendetwas von oben herab bestimmen, sondern muss diese Dienste gemeinsam mit ihnen entwickeln.“

Kommunikation auf Augenhöhe ist Juliane Jarke wichtig – mit Studierenden, im eigenen Team sowie mit den Zielgruppen ihrer Forschungsprojekte.
Kommunikation auf Augenhöhe ist Juliane Jarke wichtig – mit Studierenden, im eigenen Team sowie mit den Zielgruppen ihrer Forschungsprojekte. © WFB/Pusch

Kommunikation mit den Zielgruppen ist wichtig

Wie wichtig das ist, belegt Jarke auch an einem Beispiel aus der Gesundheitswissenschaft: Es wurde ein Alarm entwickelt, der automatisch auslöst, wenn jemand im Bett einen epileptischen Anfall erleidet. Gut gemeint, aber doch an der Lebenswirklichkeit älterer Menschen vorbei: Denn tatsächlich reagierten die Sensoren auch bei sexuellen Aktivitäten und schon stand der Pflegedienst in der Tür. Bei der Entwicklung des Alarms wurde schlichtweg vorausgesetzt, dass ältere Menschen sowieso keinen Sex mehr hätten. „Ein gutes Beispiel dafür, dass man sich auf Augenhöhe mit der Zielgruppe treffen muss und nicht einfach nur nach eigenem Ermessen Technik entwickeln sollte“, sagt Jarke.

In anderen Projekten geht es um die Digitalisierung im Bildungsbereich. Auch hier stellt sich die Frage: Wie ändern digitale Medien und Schulinformationssysteme die Organisation von Schule? Wie ändern sich Rolle und Berufsverständnis von Lehrkräften? Fragen, auf die Juliane Jarke und ihr Team Antworten suchen – und zudem auch die Zukunft in den Blick nehmen müssen: „Wissenschaft findet meistens in Projekten statt, die im Durchschnitt drei Jahre laufen. Wichtig ist, dass es auch danach weiter geht und dass unsere Ergebnisse einen längerfristigen Nutzen haben oder daraus weitere Projekte entstehen.“


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