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5.4.2016 - Jann Raveling

Neue Industrie-Funkstandards: Wenn es zwischen Maschinen funkt

Digitalisierung / Industrie 4.0

Das Bremer TZI entwickelt neue Methoden zur drahtlosen Kommunikation

Zwei Männer stehen am Bremer TZI - Technologie-Zentrum Informatik und Informationstechnik für diese Forschung: Armin Dekorsy und Frank Bittner. Dekorsy ist Leiter des Arbeitsbereichs Nachrichtentechnik, Bittner Forschungsmanager am TZI. Gemeinsam arbeiten sie in dem Projekt mit dem komplexen Namen „Hochperformante, sichere Funktechnologien und deren Systemintegration in zukünftige industrielle Closed‐Loop‐Automatisierungslösungen“ kurz HiFlecs. Was sich dahinter verbirgt: Die Grundlage für ein neues Industrie-Funksystem.


Das wird dringend gebraucht: Maschinen werden immer flexibler und mobiler. Fabriken müssen schnell umgebaut werden können, wenn sich Produkte und Baureihen ändern. Gleichzeitig werden die hergestellten Produkte intelligent: Eingebaute Sensoren kommunizieren mit Maschinen und bestimmen selbstständig ihren Weg über das Fließband. Kabel stören in so einer hochflexiblen Umgebung.


Schnell und zuverlässig

Maschinen per Funk miteinander zu verbinden ist jedoch weitaus komplexer, als das Handy zuhause ins WLAN einzubinden. „Einerseits ist die Reaktionszeit heutiger Funknetzwerke zu gering, andererseits ist die Zuverlässigkeit nicht gegeben“, so Armin Dekorsy. Erst wenn Funknetzwerke ihre Signale in weniger als 1 Millisekunde – einer Tausendstel Sekunde – weitergeben können, sind sie für industrielle Zwecke geeignet. Beispiel: Ein Sensor in einer Flaschenfabrik, der fehlerhaft gegossene Glasflaschen erkennt und an eine Aussortier-Maschine weitergibt – bei einem Durchsatz von mehrere Tausend Flaschen die Minute bleibt eine Entscheidungszeit von Sekunden-Bruchteilen. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass das Funknetzwerk nicht von anderen Netzwerken – wie dem Handy in der Tasche des Maschinenführers – gestört wird.

Die Menge macht‘s

„Im Gegensatz zu herkömmlichen Datennetzen, die darauf ausgelegt sind, große Datenmengen in kurzer Zeit zu übertragen, haben wir es in der industriellen Datenverarbeitung mit neuen Herausforderungen zu tun: Die Datenmenge, die pro Sensor/Aktor an die Maschinen weitergegeben werden muss, ist relativ klein im Vergleich zum Youtube-Video auf dem Handy, dafür haben wir eine enorme Menge an Sensoren/Aktoren“, so Bittner. In der Fabrik der Zukunft empfangen Maschinen umfangreiche Daten, die von Sensoren in der Produktionskette, aber auch in den Produkten selbst integriert sind. Und die sie fehlerfrei empfangen müssen.

HiFlecs und das TZI

Dabei Datensalat zu vermeiden ist eine Aufgabe von HiFlecs. Das Projekt ist Teil des Forschungsprogramms Industrial Radio des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, BMBF. Ziel des Forschungsprogramms ist es, einen neuen, international gültigen Standard für industrielle Funkverbindungen zu schaffen – ähnlich wie „Bluetooth“ oder „3G“ im Konsumentenbereich. Das TZI ist dabei mit Grundlagenforschung beauftragt, die die Basis für eine spätere Standardisierung und Normierung bilden kann. Das Team um Dekorsy arbeitet vor allem daran, die Kommunikation von Maschine zu Maschine zu optimieren, um kurze Reaktionszeiten und eine deutlich höhere Zuverlässigkeit zu schaffen. Eine weitere wichtige Aufgabe ist es, auch ältere Maschinen in den neuen Standard integrieren zu können. „Kein Unternehmer wird sich allein deswegen neue Maschinen kaufen wollen“, erklärt Bittner. Deshalb müssen eben auch ältere Maschinen eingebunden werden können.

Deutschland mit Vorsprung – noch

An HiFlecs sind zwölf weitere Partner aus Industrie und Wissenschaft beteiligt. Mit 6,5 Millionen Euro wird das Projekt bis 2018 gefördert. HiFlecs ist wiederum Teil des Forschungsprogramms Industrial Radio, das insgesamt acht technisch orientierte Projekte umfasst, sowie eine Begleitforschung, die die Standardisierungsaktivitäten unterstützt – und die Zeit drängt. „Bei neuen Standards setzen sich oft diejenigen mit der größten Marktmacht durch“, so Bittner. Bei kabellosem Internet waren das die Amerikaner mit dem Wi-Fi-Standard. Bei industriellem Funk soll sich die deutsche Technik durchsetzen. Denn Standards selbst zu setzen bedeutet auch, einen Wettbewerbsvorteil gegenüber denen zu haben, die ihn übernehmen. Dafür stehen die Zeichen gut, denn die deutsche Automatisierungstechnik ist führend in der Welt – auf der aufgebaut werden kann bei der Entwicklung von Maschinen, die funken.


Technik ist die eine Sache

Deshalb gehört nicht nur die wissenschaftliche Forschung zu den Aufgaben des TZI, sondern auch die politisch-strategische Arbeit. So ist es bei „Industrial Radio“ wichtig, dass die Funkfrequenzen, auf denen die Sensoren eines Tages funken sollen, von niemanden anderem benutzt werden, um Interferenzen zu vermeiden. Dazu braucht es der Zusammenarbeit mit Regulierungsbehörden wie der Bundesnetzagentur, die das entsprechende Frequenzband blockieren kann. „Bei einem weltweiten Standard müssen zudem die Frequenzbänder in anderen Ländern ebenfalls dafür frei sein“, führt Bittner aus. Viel Abstimmungs-Arbeit für die Funkexperten – aber Kommunikation ist ja ohnehin ihr Fachgebiet.




Mehr Informationen zum Einsatz von Funktechnologien in der Industrie auf der Webseite des TZI


Welche Services die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH bei der Digitalisierung ihrers Unternehmens bietet, finden Sie auf der Übersichtsseite Digitalisierung.

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