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10.5.2016 - Jann Raveling

Wie ein Bremer Unternehmen Industrie 4.0 ins Reich der Mitte bringt

Digitalisierung / Industrie 4.0

SALT AND PEPPER siedeln sich in China an

Presswerk Jinhong Autoparts vor dem Engagement von SALT AND PEPPER
Presswerk Jinhong Autoparts vor dem Engagement von SALT AND PEPPER © SALT AND PEPPER

Ein ganz normaler Arbeitstag im Presswerk des Automobilzulieferers Jinhong Autoparts in der Metropole Jilin im Nordosten der Volksrepublik China. Frauen und Männer stehen direkt neben 400- bis 1.250-Tonnen-Pressen. Sie nehmen einzelne Bauteile aus Behältern, legen sie in die Pressen, holen anschließend das fertige Bauteil heraus und packen es auf ein Fließband, welches das Teil zur nächsten Maschine befördert. Eine monotone Arbeit, die sich durch Roboter automatisieren ließe. Doch in China sind die Arbeitskosten gering und Industrieroboter teuer. Eine Herausforderung für die Bremer Technologieberatung SALT AND PEPPER, wenn es darum geht, Industrie auf dem Level 4.0 einzuführen.

Denn auch in China gibt es einen Innovationsdruck: Westliche Hersteller, die auf den chinesischen Markt drängen, müssen möglichst günstig produzieren, um mit der lokalen Wirtschaft mithalten zu können. Gleichzeitig wollen sie ihre eigenen Qualitätsstandards halten – die teuer sind. Um diese Kosten aufzufangen, steigt der Druck auf die regionalen Zulieferer wie Jinhong, die immer günstiger produzieren müssen. Einsparnisse, die sich nur noch mit effizienterer Produktion – durch zunehmende Automatisierung und Digitalisierung – erzielen lassen, aber gleichzeitig erschwinglich für den chinesischen Mittelstand sein müssen.


Deutsche Messe führt zu Erstkontakt

Vor diesem Problem sah sich auch der chinesische Automobilzulieferer Jinhong Autoparts. Auf einer Zulieferermesse von VW in Wolfsburg präsentierte sich Jinhong 2014 mit einem Stand direkt gegenüber von der Technologieberatung SALT AND PEPPER aus Bremen. Schnell war ein Kontakt geknüpft: Bei einem ersten Gespräch schilderten Vertreter von Jinhong, dass sie gern ihren Materialfluss und ihre Arbeitsabläufe optimieren würden, dabei aber nur auf begrenzte Ressourcen zurückgreifen könnten. Im Dezember 2014 flogen daraufhin Berater von SALT AND PEPPER nach Jilin und schauten sich das Presswerk an. An verschiedenen Stellen des Produktionsprozesses erkannten die Experten Verbesserungspotenzial. Lagerbestände waren zu hoch, Rüstzeiten mit über 45 Minuten zu lang und der Ausschuss war enorm, da erst am Ende der Produktionskette die Qualität der Teile kontrolliert wurden. Zudem gab es keine Übersicht über die Produktionsabläufe, die Arbeitssicherheit war kaum vorhanden und das Personal wechselte häufig, auch zwischen den Fachbereichen. Kurz gesagt: Kaum einer wusste, wer was wann wo tat. Damit war die Aufgabe schnell klar: Prozesse optimieren, Kosten senken. Gleichzeitig sollte das Werk fit für Industrie 4.0 gemacht werden.

Mittels digitaler Betriebsdatenerfassung können Maschinen direkt vor Ort optimiert werden
Mittels digitaler Betriebsdatenerfassung können Maschinen direkt vor Ort optimiert werden © SALT AND PEPPER

Think Lean

SALT AND PEPPER nutzte dafür „Lean Management“. Bei diesem „schlanken Management“ handelt es sich um eine Methode, bei der der Fokus auf einer effizienten Wertschöpfungskette und möglichst geringer Ressourcenverschwendung liegt. Ziele dieser Prozessoptimierung sind unter anderem Kundenorientierung und Kostensenkung. SALT AND PEPPER lebt den „Think Lean“ Gedanken. So auch in Jilin. Die Technologieberatung gestaltete bei Jinhong Autoparts unter anderem Materialströme in der Fertigung, die Fertigungsplanung und -steuerung sowie die Materialbestände effizienter. Zusätzlich wurden deutsche Standards in der Qualitätssicherung und in der Konstruktion von Werkzeugen eingeführt. Außerdem wurden die Softwaresysteme im Rahmen des Lean Management zu „lean data“ umstrukturiert. Auch bei lean data geht es darum, Verschwendungen zu minimieren. Hier bezieht es sich jedoch auf das Anhäufen von Dateninformationen, die durch ineffiziente Datenstrukturen oder sogar falsche Daten entstehen. SALT AND PEPPER ließ eigens für den chinesischen Automobilzulieferer eine neue Software entwickeln.


Voraussetzung für Industrie 4.0

„Lean Management ist eine wichtige Voraussetzung für Industrie 4.0“, erklärt Marko Schluroff, Geschäftsführer von SALT AND PEPPER. „Denn nur, wenn Unternehmensprozesse klar und zielgerichtet gestaltet sind, kann eine Digitalisierung Erfolg haben.“ Das gilt nicht nur in China, sondern weltweit. Im Zuge der Prozessoptimierung führte SALT AND PEPPER eine bisher fehlende Betriebsdatenerfassung (BDE) ein. So werden jetzt Maschinen-, Fertigungsauftrags-, Lager- sowie Personaldaten erfasst und sind digital verfügbar. Dazu wurden Maschinen mit Computern ausgerüstet, die Daten an die Unternehmenszentrale funken, aber auch vor Ort per Touchpanel Zugriff auf die Betriebsdaten zulassen. „So können jederzeit Arbeitsabläufe optimiert werden“, sagt Schluroff. Auch eine computergestützte, vorbeugende Instandhaltung ist jetzt möglich. Die BDE wurde zudem mit dem Enterprise-Resource-Planning-System (ERP) verbunden. Jinhong Autoparts kann nun auf jeder Ebene – vom Einkäufer bis zum Werksleiter – auf die kompletten Produktionsdaten zugreifen und diese gleichzeitig auch an Kunden weitergeben.

Marko Schluroff, Geschäftsführer SALT AND PEPPER
Marko Schluroff, Geschäftsführer SALT AND PEPPER © SALT AND PEPPER

Industrie 4.0 für kleine und mittlere Unternehmen

„Das ist Industrie 4.0 im kleinen Maßstab“, so Schluroff, „die aber gerade für mittelständische Unternehmen interessant ist. Sie legt den Grundstock für eine spätere Steigerung.“ Das gelte auch für deutsche Unternehmen. Auch bei nur kleinen Investitionssummen können schon Schritte in Richtung Digitalisierung gemacht werden. Das müsse noch nicht die vollständig digitalisierte Produktion sein – wie bei Jinhong. Wichtig sei, so Schluroff, dass Unternehmen ihre Ziele im Vorfeld kennen würden. Dann könne man in einem nächsten Schritt herausfinden, mit welchen Mitteln und Budgets sich die Schritte dahin realisieren lassen. SALT AND PEPPER begleitet Unternehmen auf diesen Schritten – von ersten Workshops, in denen es darum geht herauszufinden, welche Prozesse sich überhaupt digitalisieren lassen bis hin zu einer Strategie und Umsetzung. „Unser Ansatz ist es, die Menschen im Unternehmen zu befähigen, im Sinne von Industrie 4.0 zu denken. Denn nur, wenn die verschiedenen Bereiche wie Vertrieb, Produktion und Management zusammenarbeiten, kann ein Projekt Erfolg haben“, ist Schluroff überzeugt.


SALT AND PEPPER für den individuellen Geschmack

Die Idee zu SALT AND PEPPER entstand bei einem gemeinsamen Kochen von vier Kollegen. Das Nachwürzen mit Salz und Pfeffer symbolisiert für sie den individuellen Geschmack, welchen sie auf die individuelle Beratung übertragen. 2008 in Bremen gegründet, beschäftigt das Unternehmen mittlerweile 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in neun Standorten deutschlandweit, darunter ein Büro eigens für die Softwareentwicklung. Mit einer durchschnittl. Umsatz-Wachstumsrate von 21 Prozent zwischen 2011 und 2014 gehört SALT AND PEPPER zu den 500 am stärksten wachsenden Unternehmen in Deutschland und erhielt im November 2015 die Auszeichnung "Wachstumschampion 2016". In der westchinesischen Stadt Deyang, eine Autostunde vom Wirtschaftszentrum Chengdu, hat die Technologieberatung ein eigenes Büro eröffnet. Damit hat das vierköpfige Team, das seit Januar 2015 bei Jinhong Autoparts arbeitet, Verstärkung bekommen und eine ständige Vertretung im Land der Mitte. Das, wie Schluroff bemerkt, beim Thema Industrie 4.0 vor Begeisterung kaum zu halten sei.
Mehr zu den Dienstleistungen von SALT AND PEPPER auch auf dem Industrie 4.0-Unternehmensprofil.




Welche Services die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH bei der Digitalisierung ihres Unternehmens bietet, finden Sie auf der Übersichtsseite Digitalisierung.

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