Die Folgen des Brexit für Export- und Importunternehmen
BrexitSeit dem 1. Januar gehört das Vereinigte Königreich nicht mehr zum EU-Binnenmarkt. Unternehmen mit Sitz in der EU haben seither einen Drittlandstatus. Für viele Produkte gibt es nun neue Vorschriften, Zölle, Steuern und Übergangsfristen. Sie sorgen zusammen mit IT- und logistischen Problemen sowie Hürden durch die Corona-Pandemie für massiven Frust bei Im- und Exporteuren. Hier reagiert Bremen: Mit Peter Decu, Geschäftsführer der britischen BRELON Ltd., hat ein Außenhandelsprofi als Partner von bremeninvest, der Auslandsmarke der WFB, seine Tätigkeit in London aufgenommen. Er bietet Hilfestellung für betroffene Firmen und will den Wirtschaftsstandort Bremen als attraktive Alternative für einen Firmensitz ins Spiel bringen.
Wirtschaftsexperten im Vereinigten Königreich schlagen inzwischen Alarm. Die Exporte aus britischen Häfen in die EU seien wegen des Brexits im Januar drastisch eingebrochen, die Ausfuhren aus Großbritannien nach Europa im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 68 Prozent niedriger ausgefallen, berichtet der Logistikverband Road Haulage Association laut „Guardian“. Innerhalb eines Jahres seien die Exporte in die EU um zwei Drittel gesunken. Der Branchenverband sieht die Ursachen keineswegs hauptsächlich in der Corona-Pandemie, sondern vor allem in den Formalitäten und Kontrollen als Folge des Brexits. Während die Johnson-Regierung solche Argumente zurückweist, bestätigt die British Ports Association dem Bericht in der Tageszeitung „Observer“ zufolge den massiven Rückgang. Auch das Office for National Statistics bestätigt diesen Trend und gibt offiziell einen Rückgang von 40 Prozent der Ausfuhren gegenüber dem Vormonat an.
Nicht auszuschließen ist, dass sich die Handelsprobleme im Sommer noch verschärfen, denn ab Juli enden Übergangsregelungen, dann wollen auch die Briten Einfuhren aus der EU stärker kontrollieren. Der Kreditversicherer Euler Hermes prognostiziert massive Einbußen für die britischen Exporteure. Durch den Brexit müssten die Exporteure im Vereinigten Königreich mit Einbußen von 12 bis 25 Milliarden Pfund (13,5 bis 28,1 Milliarden Euro) rechnen. Die Versicherer schätzen das Volumen der Exporte in die EU im Jahr 2020 auf 165 Milliarden Pfund.
Auch die Dienstleistungsbranche spürt die Folgen des Brexit
Neben der produzierenden Industrie werden die Folgen des Brexits auch für die Dienstleistungsbranche immer deutlicher. Mit 80 Prozent der Bruttowertschöpfung macht sie den Großteil der britischen Wirtschaft aus. Anfang des Jahres hat Amsterdam bereits London als größten europäischen Börsenplatz überholt. Rund 1,3 Billionen Pfund an Kapital haben die englische Hauptstadt verlassen. Auch Frankfurt profitiert vom Brexit und ist mittlerweile der wichtigste kontinentaleuropäische Finanzplatz (London liegt weltweit noch auf Platz zwei). Im vergangenen Jahr konnte die Mainmetropole rund 60 neue Bankenlizenzen vergeben und tausende Arbeitplätze dazugewinnen.
BDI warnt vor schwer beherrschbaren Folgen des Brexit
Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) warnte Ende Januar vor schwer beherrschbaren Folgen der Kombination aus Brexit und Pandemie. Obwohl sich die Unternehmen im vergangenen Jahr trotz Corona gut auf die neuen Handelsbarrieren vorbereitet hätten, träfen die Störungen viele Betriebe mit aller Härte, sagte BDI-Präsident Joachim Lang der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Lang: „Das stellt die paneuropäischen Lieferketten in dramatischer Weise vor eine Zerreißprobe. Die Vorbereitungen der Regierung in London und in vielen britischen Unternehmen waren nicht ausreichend, um die zusätzliche Bürokratie und unnötige Grenzformalitäten abzufedern.“
Zwar soll das mit der EU buchstäblich in letzter Minute vereinbarte Handelsabkommen harte Brüche durch einen weitgehenden Verzicht auf Zölle und Mengenbeschränkungen vermeiden. Dennoch gibt es aufgrund der Ursprungsregelungen Zölle, die zusätzlich zur Einfuhrumsatzsteuer fällig werden, etwa, wenn britische Händler Waren aus dem Vereinigten Königreich liefern, die nicht dort, sondern beispielsweise in Asien produziert wurden. „Es ist ein erheblicher Einschnitt, dass das Vereinigte Königreich nun endgültig und praktisch den EU-Binnenmarkt und die Zollunion verlassen hat. Das zieht weitreichende Beschränkungen im grenzüberschreitenden Warenverkehr und deutlich mehr zollrechtliche Formalitäten nach sich“, argumentierte BDI-Chef Lang im dpa-Gespräch.
Mehr als 50 Bremer Unternehmen haben Niederlassungen in Großbritannien, über 300 pflegen Geschäftskontakte mit britischen Partnern. Den Wert der Ein- und Ausfuhren Bremens mit dem Vereinigten Königreich beziffert das Statistische Bundesamt für 2019 mit 2,38 Milliarden Euro. Demnach war das Vereinigte Königreich bisher Bremens drittwichtigster (Außen-) Handelspartner. Grund genug für Bremens Wirtschaftsförderer, die Reißleine zu ziehen: Anfang des Jahres hat Peter Decu, Geschäftsführer der britischen BRELON Ltd., als Partner der WFB seine Tätigkeit in London aufgenommen.
Zitat: „Der Brexit trifft neben britischen vor allem internationale Unternehmen extrem stark, die sich im Vereinigten Königreich angesiedelt haben, um von dort aus den europäischen Binnenmarkt zu bedienen. Hier kann Bremen als leistungsstarker Wirtschaftsstandort mit seinen Kompetenzen und der hervorragenden Anbindung an den EU-Binnenmarkt punkten.“
Andreas Heyer, Vorsitzender der WFB-Geschäftsführung.
„Wir erwarten eine verstärkte Nachfrage von Unternehmen im Vereinigten Königreich und reagieren darauf mit einer auf zwei Jahre befristeten Aktivität vor Ort“, sagt Andreas Heyer, Vorsitzender der WFB-Geschäftsführung. Und Clas Vögeding, bei der WFB-Projektleiter internationale Ansiedlung ergänzt: „Wir wollen Bremer Unternehmen und Institutionen beim Aufbau von Geschäftsbeziehungen und bei der Kooperation mit Partnern im Vereinigten Königreich unterstützen, das gilt für Bremer Firmen, die nach dorthin exportieren, besonders aber für Unternehmen im Vereinigten Königreich, die ihre Waren und Dienstleistungen in die EU exportieren wollen.“
Wer seine Chancen abwägt, landet in Bremen
Andreas Gerber, Teamleiter Akquisition und Projekte bei der WFB, skizziert den Fokus der neuen Aktivitäten Bremens in London: „Es geht uns besonders auch um diejenigen internationalen Unternehmen, die sich im Vereinigten Königreich – möglicherweise schon vor Jahren – niedergelassen haben, um einen Fuß im europäischen Binnenmarkt zu haben. Dieser Fuß ist jetzt wieder raus aus dem Binnenmarkt. Vielleicht ist es sinnvoll für viele internationale Unternehmen, insbesondere aus Asien, aber auch aus den Vereinigten Staaten, sich in ihrer Organisationsstruktur noch einmal neu zu organisieren. Nicht unbedingt, um ihr Unternehmen komplett auf das europäische Festland zu übertragen, sondern nur Teile davon, zum Beispiel die Logistik oder andere Dienstleistungen.“
Bremeninvest rechnet damit, „dass viele Unternehmen eine Abwägung ihrer Opportunitäten vornehmen“, ergänzt Gerber. „Sie werden sich fragen: Sind wir hier noch gut aufgehoben, oder brauche ich möglicherweise eine Niederlassung? Da kommen wir ins Spiel. Wir reichen ihnen die Hand und helfen ihnen, sich optimal aufzustellen. Dafür braucht man einen Mann vor Ort.“
„Unternehmen, die sich für unseren Standort interessieren, bieten wir einen „one-stop-shop“.
Clas Vögeding, Projektleiter internationale Ansiedlung bei der WFB
Während auf beiden Seiten des Ärmelkanals nach wie vor umfangreiche Corona-Restriktionen gelten, nutzen Peter Decu in London und Bremeninvest in Bremen die Zeit, um Netzwerke auszubauen, spätere Veranstaltungen für potenzielle Interessenten und Partner zu planen und hilfreiche Informationen zu sammeln. „Wir dürfen keine Rechts- oder Steuerberatung machen. Aber wir können gemeinsam Lösungen finden und wir wissen, dass es passende Antworten auf Fragen gibt und wer sie beantworten kann. Wir sind ja in einer Konkurrenzsituation mit allen anderen Bundesländern. Aber auch mit anderen Staaten, zum Beispiel mit den Holländern oder mit den Franzosen. Die haben nationale Wirtschaftsförderungen, die sehr agil sind. Wir kümmern uns intensiv, nur so können wir dann punkten“, sagt Andreas Gerber.
Clas Vögeding, bei Bremeninvest auch für das Partnerland Türkei zuständig, rührt die Werbetrommel: „Unternehmen, die sich für unseren Standort interessieren, bieten wir einen „one-stop-shop“. Wir nehmen solche Unternehmen wirklich an die Hand, begleiten sie von A bis Z und sagen ihnen, was als nächstes gemacht werden muss. Wir haben gute Kontakte in die einzelnen Institutionen hier vor Ort und können so manche operativen Schritte stark beschleunigen. Unser Service ist kostenfrei.“
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