Briefe aus China: Ausgabe Juni 2019
InternationalesDer Handelskonflikt zwischen USA und China dominiert die Schlagzeilen – im Riesenreich geschieht aber noch so viel mehr Berichtenswertes. Aus diesem Grund präsentieren wir Ihnen alle vier Monate unseren WFB-Länderbrief China.
Bremische Unternehmen exportieren jährlich Waren im Wert von anderthalb Milliarden Euro ins Reich der Mitte, das Land ist damit drittwichtigster Handelspartner. Und auch für bremische Importeure ist China ein wichtiger Einkaufsmarkt. Aus Shanghai berichtet Lu Wang, Direktorin des Bremeninvest-Büros der Wirtschaftsförderung Bremen, und gibt uns alle vier Monate einen Überblick über Trends, Chancen und neue Entwicklungen im Land. Wenn Sie diesen Länderbrief regelmäßig als Newsletter erhalten möchten, melden Sie sich gern hier an.
Unsere Themen im Juni:
Brücken schlagen mit künstlicher Intelligenz (KI)
China ist auf dem Weg zur Nummer Eins in Sachen KI – das ist zumindest der eigene Anspruch bis zum Jahr 2030. Vor zwei Jahren verabschiedete das Land eine viel beachtete KI-Strategie und steckt seitdem Milliarden an staatlichen und privaten Geldern in Forschung und Entwicklung. In knapp zehn Jahren soll der KI-Markt mehr als 150 Milliarden Dollar umsetzen.
Grund genug, einen Blick auf die rasante KI-Entwicklung im Land zu werfen. Im April 2019 besuchte Prof. Frank Kirchner, Leiter des Robotics Innovation Centers am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Bremen, mit einer Delegation das Land. Für ihn war der Umgang mit der neuen Technologie vor Ort faszinierend: „China hat massiv aufgeholt und spielt in der KI-Entwicklung vorne mit, wir forschen weltweit an den gleichen Themen. In China wird zudem – wie auch in den USA – deutlich progressiver gesellschaftlich mit der künstlichen Intelligenz umgegangen. Während in Deutschland häufig über Regularien und Restriktionen in den Medien berichtet wird, geht es dort eher um die Chancen und vielen neuen Möglichkeiten.“
Für bremische Unternehmen und Institute sieht er große Chancen, durch die chinesische KI-Technologie zu profitieren: „Viele deutsche und europäische Unternehmen bevorzugen heute schon China als Land für Forschung und Entwicklung. Es gibt dort weniger Beschränkungen, schnellere Verfahren und vor allem einen großen Pool an ausgebildeten KI-Expertinnen und -Experten, die direkt von den Unis kommen.“ So sei es einfacher, vor Ort zum Beispiel Genehmigungen für die Einrichtung einer Teststrecke für autonomes Fahren einzuholen. Auch die Verfügbarkeit von Daten für das Training von KIs sei in China höher. Kirchner weiter: „Auch für den deutschen Mittelstand ergeben sich dadurch Chancen. Die chinesischen Provinzen stehen in Konkurrenz zueinander und bieten so attraktive Investitionsmöglichkeiten, sodass eine Entwicklung vor Ort wirtschaftlich reizvoll werden kann.“
Kommunikation in China: Was ist eigentlich WeChat?
Ein urbaner Chinese oder eine Chinesin ohne Smartphone – kaum vorstellbar. 60 Prozent der Bevölkerung sind im Reich der Mitte online, davon 98 Prozent mit dem Smartphone und so gut wie jeder nutzt WeChat. Die App ist das meistgenutzte Kommunikationsmittel. Und geht dabei weit über westliche Pendants wie Whatsapp hinaus. Denn neben Chats bietet die App ein soziales Netzwerk, in dem Unternehmen, Prominente oder Newsseiten präsent sind, ähnlich wie Facebook bei uns. Gleichzeitig bietet die App eine Vielzahl von Mini-Programmen, mit denen Restauranttische gebucht, Handwerker bestellt oder Arzttermine vereinbart werden können – oder es wird auch einfach nur gespielt. Und der Clou: Über WeChat Pay können Chinesinnen und Chinesen fast jeden Einkauf erledigen, ob online oder offline. Bargeld hat im Alltag so gut wie ausgedient.
Wer Geschäfte in China anbahnt, kommt daher um die App kaum herum – sie ist auch in einer deutschen Version im Appstore erhältlich. Für deutsche Gastronomen, Hoteliers oder Einzelhändlerinnen und Einzelhändler kann angesichts steigender Touristenzahlen aus China die Bezahlmöglichkeit per WeChat Pay eine Option sein, Gästen entgegenzukommen und so den Umsatz zu steigern. Im vergangenen Jahr besuchten rund 8.000 Besucherinnen und Besucher aus Fernost Bremen.
Dabei muss nicht zwangsläufig die Bezahlfunktion der App direkt genutzt werden (was für Ausländer ohne chinesische Konten ohnehin schwierig wird). Verschiedene Zahldienstleister, etwa Wirecard, bieten heute bereits mit WeChat Pay (oder der Konkurrenzapp Alipay) kompatible Systeme an.
Zum Weiterlesen: www.mobilegeeks.de/artikel/wechat/ und www.businessofapps.com/data/wechat-statistics/
Linktipp: China Techcity
Die Webseite Abacus News hat die größten Techfirmen Chinas aus dem Bereich der Konsumgüter, Internet und sozialer Medien in einer wunderschön aufbereiteten Grafik dargestellt: https://www.abacusnews.com/china-tech-city
5G auch in China auf den Weg gebracht
Im Juni hat nicht nur die Bundesregierung ihre 5G-Lizenzen vergeben, auch China vergab Sendefrequenzen für den neuen Mobilfunkstandard an vier staatliche Netzbetreiber. Im Gegensatz zu den deutschen Lizenzen gab es kein Bieterverfahren. Die Netzbetreiber wollen die neue Technologie nun schnell etablieren, die ersten Netze sollen schon Ende 2019 in den größten Städten in Betrieb genommen werden. In Deutschland soll 5G erst 2020 an den Start gehen, Experten erwarten einen zunächst langsamen Ausbau mit einer Konzentration auf die Ballungsräume.
Von der Entscheidung profitiert auch der Technikkonzern Huawei, der als Netzausrüster für einen Großteil der nötigen technischen Ausrüstung der Sendemasten sorgt – und somit die harschen Einschnitte in das eigene Geschäftsmodell durch das Technologieembargo durch die USA im Handelskonflikt kompensieren könnte. Voraussetzung ist, dass er einen Ersatz für US-amerikanische Zuliefertechnologien findet.
5G ist die nächste Generation des Mobilfunks und erlaubt bis zu zehnfach höhere Geschwindigkeiten. Neben schnellem Internet für den Endverbraucher ist die Technologie vor allem für das Internet-of-Things wichtig, also die Verbindung von Geräten, Maschinen oder Autos mit dem Internet. Sie ist damit eine wichtige Voraussetzung für den nächsten Schritt in der Digitalisierung, etwa autonome Fahrzeuge.
Standort in China aufbauen: Office-in-Office-Lösungen nutzen!
Rund 200 Bremer Firmen sind in China präsent – und das in ganz unterschiedlichen Ausprägungen. Ob ein eigenes Büro, ein Produktionsstandort oder nur mit einzelnen Mitarbeitenden: Die einfachste Lösung ist dabei das sogenannte Office-in-Office. Dabei nutzt ein Unternehmen vorhandene Büroinfrastrukturen eines anderen Unternehmens oder einer Institution, mietet sich sozusagen ein. Das bietet den Vorteil eines kostengünstigen Starts. Bremeninvest, die Marke, unter der die Wirtschaftsförderung Bremen im Ausland um Investoren und Ansiedlungen wirbt, nutzt diese Option ebenfalls und hat das Büro von Lu Wang im Shanghaier Büro des Bremer Handelskonzerns Melchers aufgeschlagen, einem der im Chinageschäft deutschlandweit erfahrensten und ältesten Unternehmen. Was alles bei einem Standortaufbau in China zu beachten ist, erfahren Sie hier.
Eine Chinesin in Bremen: App CN
Jiani Chen ist frische Neu-Bremerin. Die quirlige Chinesin gründete in der Hansestadt das Start-up App CN und will jetzt international durchstarten. Über Unterschiede zwischen dem Land im fernen Osten, bremische Eigenheiten und neue Entdeckungen, berichtet sie in unserer Story „Die Magie von Fahrrädern, Blumenständen und Bücherläden“
Haben Sie Interesse oder Fragen zur Wirtschaft in China? Wir freuen uns darauf, mit Ihnen in Kontakt zu treten! Unsere nächste Ausgabe der "WFB-Länderbriefe China" erscheint im Oktober.
Matthias Hempen
Akquisition und Projekte
Projektleiter internationale Ansiedlung, Schwerpunkt China
+49 (0) 421 9600-127
Lu Wang
Bremeninvest China / Office Shanghai
Director Bremeninvest China
00 86-21 5081 5576
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