Briefe aus dem Silicon Valley Juni 2022 – das Ende des Hyperwachstums
LänderbriefeTrends und Technologien aus dem Tech-Tal
Aus der Traum vom schnellen Geld? Im Silicon Valley brauen sich dunkle Wolken für Start-ups zusammen, meint unser US-Experte Tim Ole Jöhnk. Außerdem: Wie Bremen in Los Angeles von sich reden macht.
Direkt aus den USA meldet sich Tim Ole Jöhnk, Direktor des Northern Germany Innovation Office (NGIO), mit Themen, die das Silicon Valley in den vergangenen Tagen und Wochen heiß beschäftigten. Sie wollen unsere Länderbriefe regelmäßig als Newsletter erhalten? Melden Sie sich hier an.
Unsere Themen im Sommer 2022:
Das Ende des Hyper-Wachstums – zumindest für einige Zeit…
Über zwei Jahre nach dem Beginn der COVID-19 Pandemie mit den damit einhergehenden Herausforderungen in globalen Lieferketten, steigender Inflation und irritierten Märkten hat die Verunsicherung auch das Silicon Valley erreicht.
Ängste vor einer Rezession brauen sich am Horizont zusammen – und Investor:innen bringen ihre Schäfchen (ihr Geld) lieber ins Trockene. So warnt Sequoia Capital, einer der frühesten Investoren von Apple, Google AirBnB davor, dass keine schnelle Wirtschafts-Erholung folgen wird. Im Mai schickte die Firma eine 52-seitige Präsentation an ihre über 200 Portfolio-Firmen und warnte vor einem „Crucial Moment“ durch globale Unsicherheit und Wandel.
Die Botschaft: Es gibt keine schnellen Eingriffsmöglichkeiten der Politik und Firmen sollten ihr Kapital beisammenhalten. Die Zeit des „Hypergrowth at any cost“ geht zu Ende. Inzwischen veröffentlichen auch die Investoren Andreessen Horowitz, Y-Combinator und Lightspeed in ihren Blogs Warnungen, Lightspeed Venture Partners schreibt etwa einen „Survival Guides in the Economic Downturn“
Auch im etablierten Techsektor ziehen die ersten Konzerne bereits Konsequenzen: Meta stoppt Neueinstellungen, auch Uber sagt „Hiring is a privilege“, Amazon spricht von Overstaffing in den Warenlagern und Robin Hood baut 9 Prozent der Stellen ab, Peloton sogar 20 Prozent.
Auch in Gesprächen mit Gründer:innen (Deutschland wie USA) sehe ich mehr und mehr schmerzverzerrte Gesichter, wenn sie über Investorenmeetings reden. Start-ups, die jahrelang Millionen- und Milliarden in Finanzierungsrunden erhielten, stehen nun vor Herausforderungen, wenn der Geldhahn versiegt. Und wenn statt Umsatzwachstum um jeden Preis plötzlich Gewinne und effizienter Umgang mit Investitionen eingefordert werden.
Aber jede Krise ist auch eine Chance
In vergangenen Krisen sind Firmen wie Cisco (Crash 1981), Google & PayPal (Dot.com-Bubble), AirBnB (2008 Financial Crisis), DoorDash (Pandemie) stärker zurückgekommen.
Technologischer Fortschritt ist unabhängig von Marktentwicklungen – viele Investorinnen und Investoren glauben nach wie vor fest daran, dass die Digitalisierung erst am Anfang steht. Und neue Technologien Wachstumspotenzial bieten: Sei es die Optimierung von Workflow-Prozessen, Cloud-Infrastruktur, Online-Marktplätze sowie die AR/VR (Metaverse) und KI/ Automatisierung. Wenn eine Region weiß, wie diese Technologien zu realisieren sind, dann ist es das Silicon Valley. Investor Andreessen ist so davon überzeugt, dass sie erst im Mai einen 4,5 Milliarden Dollar schweren Web 3.0 Fund aufgelegt haben.
Meine persönlichen Gedanken dazu:
Mich treibt schon länger der Gedanke umher, wie die Zukunft vom Wagniskapital aussehen wird. Das derzeitige System von Investitionen belohnt schnelles Wachstum um jeden Preis. Es ist darauf optimiert, schnelle Wertsteigerungen und schnelle Exits zu erreichen. Wir geben Gründerinnen und Gründern damit das Signal „fokussiert euch auf die kurzfristigen Gewinne“. Dabei kann man schnell das große Ganze vergessen. Facebooks berühmtes Mantra „Move fast and break things“ funktioniert nicht mehr. Es hat spätestens seit dem Cambridge-Analytica-Skandal, Desinformationskampagnen und Hassrede im Internet gezeigt, dass schneller Fortschritt um jeden Preis gesellschaftliche Kosten verursacht.
Was passiert aber mit Technologien und Ideen, die nicht in das Modell schnellen Wachstums passen? Technologien, die aber in den Bereichen Gesundheit, Nachhaltigkeit, Diversity/Equity/Inclusion, erneuerbare Energien für uns als Gesellschaft positiven Wandel erzeugen könnten?
Vielleicht gibt uns dieser Moment des Durchatmens die Möglichkeit, über slow-capital nachzudenken und neue Wege (etwa non-dilutive Funding, Grants, impact investments) zu erkunden. Stanford, MiT und weitere Universitäten sowie Non-Profits scheinen das auch so zu sehen. Programme wie Emergence, USAIDS DIV und Stanfords neue School of Sustainability mit Spenden in Höhe von 1,1 Milliarden Dollar von Venture Capitalist John Doerr deuten zumindest darauf hin, dass Zeit und Geld in diese Gedanken investiert wird. Das Ende des Hypergrowth kann also auch etwas Gutes haben.
Bremen auf großer Space-Bühne in Los Angeles
Im Mai fand in der Stadt Long Beach – auch gern Space Beach genannt – die Space Tech Expo USA statt, eine der größten Raumfahrtmessen des Jahres. Mittendrin: Das Bundesland Bremen, das sich dort mit einem Stand den 3.000 Besucher:innen präsentierte.
Dazu kam der Hansestadt die Ehre zuteil, erstmalig für das gesamte Messe-Event das Matchmaking zu organisieren und damit Raumfahrtbegeisterte aus aller Welt zusammenzubringen. Ein voller Erfolg für die Messe und das Bundesland: Sowohl die Messebesuchenden als auch die Organisator:innen zeigten sich beeindruckt vom hohen Interesse und der reibungslosen Organisation der Businessmeetings. Insgesamt 475 Treffen kamen zustande.
Bremen verfügt dabei bereits über jede Menge Matchmaking-Erfahrung: So ist der Businessaustausch bei der Space Tech Expo Europe, die jedes Jahr im November in Bremen stattfindet, schon länger ein Erfolgsmodell. Nun soll Bremen auch bei den künftigen Los-Angeles-Ausgaben der Messe wieder das Matchmaking übernehmen.
Mehr zum Raumfahrtstandort Bremen sowie der gesamten Spacebranche und den Raumfahrtambitionen des Silicon Valley übrigens auch in unserem Winterbrief 2021.
Erfolgsgeschichten
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