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22.11.2018 - Jann Raveling

China als Standort: Vor- und Nachteile für eine Ansiedlung in Fernost

Internationales

Warum Unternehmen sich für eine Niederlassung in China entscheiden und was sie beachten müssen

Standortfrage China - relevant für den Im- und Export
Standortfrage China - relevant für den Im- und Export

Ein Standort in China kann für Unternehmen sowohl Vor- als auch Nachteile haben. Deshalb ist eine gute Planung und Vorbereitung das A und O. Egal, ob es darum geht, neue Märkte zu erschließen und Umsätze zu steigern oder vor Ort für das Heimgeschäft zu produzieren.

Mehr als 500 Bremer Unternehmen tätigen regelmäßig Geschäfte in China. Einige davon mit Niederlassungen und Produktionsstätten, andere in gemeinsamen Büros oder Vertretungen. Das Reich der Mitte ist für viele Unternehmen ein Beschaffungsmarkt – sie kaufen Waren und Güter und importieren sie nach Deutschland. Aber auch als Absatzmarkt ist das Land attraktiv, Produkte made in Germany genießen hohes Ansehen.

Bei der Überlegung, ob, wie und wann sich ein eigenes Büro in Fernost lohnt, sind Vor- und Nachteile abzuwägen. Am Anfang steht die Überlegung über:

Das Ziel eines Standorts in China

Was verspreche ich mir von einem Standort im Land? Möchte ich vor Ort sein, um Einkauf oder Verkauf von Waren besser zu organisieren und die Qualität zu inspizieren? Möchte ich einen einfacheren Zugang zu Kunden erlangen, Service-, After Sales-, Montage-/Inbetriebnahme-Prozesse verbessern? Möchte ich selbst Waren produzieren, um sie in Deutschland zu vertreiben?

„In China sind viele Marktsegmente noch entwicklungsfähig, nicht ausgereift oder sogar unterversorgt. Für bremische Unternehmen bestehen gute Chancen zum Beispiel in Bereichen wie Medizintechnik, Nahrungsmittelwirtschaft, Automotive, Umwelttechnologien, Abfallwirtschaft oder Schiffszubehör“, sagt Torsten Grünewald, Referent Geschäftsbereich International der Handelskammer Bremen - IHK für Bremen und Bremerhaven. „Hier kann man mit deutscher Qualität punkten - bremische Unternehmen sind besonders bei Nischenprodukten sehr gut aufgestellt.“

Bei der Definition der Ziele sollten diese so konkret wie möglich formuliert werden: Wie viele Produkte sollen pro Jahr verkauft werden? Wie viele Kundenkontakte entstehen? Je konkreter die Ziele formuliert werden, desto leichter lässt sich der Einstieg planen und mit realen Bedarfen abgleichen.

Ist ein Unternehmen sich über die eigenen Ziele im Klaren, kann es sich an den nächsten Schritt machen:

Informationen über den Standort China

„China-Geschäft so ganz nebenbei ist meines Erachtens schwierig bis fast unmöglich“, ist Grünewald überzeugt. Jedes Unternehmen sollte sich daher umfassend über den Standort informieren. Dazu gehören neben der Recherche von Markt, Wettbewerb, möglichen Geschäftspartnern insbesondere auch die rechtlichen-, steuerrechtlichen-, arbeitsrechtlichen- sowie zoll- und exportkontrollrechtlichen Rahmenbedingungen, die das China-Geschäft mit sich bringt.

Deshalb gilt: Frühzeitig mit der Bank, dem Steuerberater und dem Rechtsanwalt seines Vertrauens austauschen! Die Handelskammer Bremen als Ansprechpartnerin für Expansionen ins Ausland und die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) stehen mit ihrem Wissen als Ansprechpartner zur Verfügung. Aber nicht nur den Markteinstieg gilt es gut zu planen – ebenso die Exit-Strategie. „Bei allen Überlegungen zum Markteinstieg ist es auch wichtig, über einen möglichen Marktausstieg nachzudenken. Was passiert, wenn Erwartungen nicht eintreffen, sich der Markt oder gar rechtliche Rahmenbedingungen verändern?“, mahnt der China-Experte. „Wie steige ich aus dem Markt wieder aus, was sind die möglichen Konsequenzen und welche Verpflichtungen (z.B. Kündigung von Personal) sowie Kosten sind mit einer Schließung verbunden?“ Fehlerhafte Entscheidungen können sich schnell auf Unternehmensratings oder das Image eines Unternehmens auswirken.

Neben der Kalkulation eines möglichen Scheiterns gibt es noch weitere Hürden, die Unternehmen im China-Geschäft mit guter Planung spielend nehmen können. Es gilt:

Herausforderungen eines Standorts in China abwägen

Auch in China schläft die Konkurrenz nicht und die dortige Industrie mischt längst auf der Weltbühne mit. Wer den Markt nicht genau kennt, läuft Gefahr, bald schon einer unter vielen zu sein und sein Alleinstellungsmerkmal zu verlieren.

Zudem dürfen Unternehmen die Größe des Landes mit seinen mehr als 1,3 Milliarden Einwohnern nicht unterschätzen: Ein Standort in einer einzelnen Region garantiert noch lange keinen Zugang zum gesamten Binnenmarkt. Deshalb sollten Expansionswillige sich von Anfang an überlegen, welche Stadt bzw. welche Region mit der eigenen Branche die größten Überschneidungspunkte hat – wo der größte Absatzmarkt liegt.

Auch umgekehrt, als Produktionsstandort, kann das Reich der Mitte zu einer Herausforderung werden: Denn auch in dem Riesenland werden gut ausgebildete Fachkräfte knapp – und immer besser bezahlt. Zudem sollten die gerade in letzter Zeit zunehmenden zollrechtlichen Konflikte in einer langfristigen Planung Beachtung finden.

Torsten Grünewald, Referent Geschäftsbereich International der Handelskammer Bremen - IHK für Bremen und Bremerhaven
Torsten Grünewald, Referent Geschäftsbereich International der Handelskammer Bremen - IHK für Bremen und Bremerhaven © Bild: IHK

Das führt direkt zu einem weiteren wichtigen Punkt: Zeit. Güter auf dem Import- oder Exportweg benötigen zumeist Wochen auf See. Aus „Just in Time“ kann so auch mal „Just Wait“ werden. Das muss in die eigenen Geschäftsprozesse miteinbezogen werden, ebenso wie Zeitverzögerungen in der täglichen Kommunikation. Schließlich ist es in Peking bereits acht Stunden später als bei uns. Eine andere Zeit – oft auch auf ganz persönlicher Ebene:

Kulturelle Eigenheiten eines China-Standorts mitdenken

Andere Länder, andere Kulturen. Wer sich nicht ausreichend vorbereitet, kann schnell in Fettnäpfchen treten – deshalb sollten China-Reisende diese fünf Tipps beachten. Geschäftsbeziehungen benötigen oft eine lange Zeit, bis gegenseitiges Vertrauen entsteht. In China ist es nicht unüblich, sich in den ersten Treffen nur auf sozialer Ebene näherzukommen – das Geschäftliche folgt später. Fingerspitzengefühl ist gefragt! Zudem sollte beim Markteintritt auch der Umgang mit kritischen Themen, wie zum Beispiel Schutz von geistigem Eigentum, Zahlungsmoral, Qualitätssicherung oder Korruption bedacht werden. Von immer größerer Wichtigkeit ist zudem die:

Internet-Anbindung in China

Deutsche Unternehmen, die in China eine Niederlassung eröffnet haben oder noch möchten, stehen häufig vor dem folgenden Problem: Mitarbeiter in China benötigen Zugriff auf die Daten aus dem Headquarter in Deutschland, gleichzeitig müssen sie aber sicherstellen, dass sensible Unternehmensdaten geschützt bleiben. Darüberhinaus ist das Internet in China streng reguliert, viele Seiten wie Google oder Facebook funktionieren nicht oder nur eingeschränkt.

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Eine Herausforderung, gerade in Zeiten der Digitalisierung, wo die Geschwindigkeit und Verfügbarkeit von Daten geschäftsentscheidend ist. Deshalb gibt es Dienste wie die „Digitale Seidenstraße“ des Bremer IT-Spezialisten Consultix: „Wir bieten ein Virtual Private Network (VPN) über eine direkte Hochleistungs-Internetverbindung von Bremen über Frankfurt, Kasachstan und die Mongolei nach China. Die Daten sind sicher in Deutschland gehostet“, sagt Andreas Dickehut, Geschäftsführer von Consultix. Dessen Rechenzentrum steht in einem Bremer Bunker, einmalig in Deutschland.

Haben Sie dann einmal alles bedacht und ist Ihre Entscheidung positiv ausgefallen, sprechen alle Vorüberlegungen für einen Standort in China, gilt es zu überlegen, welche Rechtsform dieser haben soll.

Standort in China: Was darf‘s denn sein?

„Erfahrungsgemäß bieten sich für deutsche Unternehmen drei Möglichkeiten in China unternehmerisch tätig zu werden: die Repräsentanz, die Tochtergesellschaft oder das Office-in-Office“, sagt Chinaexperte Grünewald von der Bremer Handelskammer.

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Metropolen wie Shanghai sind für deutsche Unternehmen erste Adressen im Auslandsgeschäft

Eine Tochtergesellschaft dürfte vielen am Geläufigsten sein. Hierbei gründet das Unternehmen eine eigene Gesellschaft in China, die von dort aus geführt wird, entweder von eigenen Mitarbeitern aus Deutschland oder neu gewonnenen Fachkräften vor Ort.

Eine Repräsentanz ist eine offizielle Vertretung eines Unternehmens, jedoch meist ein kleines Büro, das nicht über die volle Geschäftsfähigkeit wie eine Niederlassung beziehungsweise ein vor Ort eingetragenes Unternehmen verfügt. So kann eine Repräsentanz häufig keine Verträge rechtskräftig unterzeichnen. Repräsentanzen dienen der Kontaktpflege, Geschäftsanbahnung und Vor-Ort-Kommunikation.

Office-in-Office bezeichnet eine der einfachsten Formen der Auslandsvertretung. Dabei nutzt ein Unternehmen vorhandene Büroinfrastrukturen eines anderen Unternehmens oder einer Institution, mietet sich sozusagen ein. Das bietet den Vorteil eines kostengünstigen Starts – etwa wenn ein Engagement zunächst angetestet werden soll. Anbieter dieser Lösungen sind die deutsch-chinesische Auslandshandelskammer (AHK) oder die German Center. Empfehlenswert bei jeder dieser Formen ist es, sich von fachkundigen Experten beraten zu lassen, welche die dafür notwendigen Registrierungsverfahren und Meldepflichten kennen.

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Ist der bürokratische Teill erledigt, wird es konkret:

Mitarbeiter und Büros in China finden

Ähnlich wie in Deutschland läuft in China die Vermittlung von Immobilien häufig über fachkundige Immobilienmakler – insofern keine andere Lösung gewählt wird, wie etwa Bürogemeinschaften. Hier bietet die deutsch-chinesische Handelskammer oder die Handelskammer Bremen Hilfe. Komplizierter wird die Frage nach der Besetzung der Auslandsstellen. Wenn eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert und qualifiziert sind, nach Fernost zu ziehen, ist das ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Neue Mitarbeiter können vor Ort eingestellt werden oder von Deutschland aus nach Fernost entsendet werden – wie und wie viele, das hängt immer vom geplanten Vorhaben ab. Neben fachlicher Qualifikation ist die menschliche Komponente, das richtige Fingerspitzengefühl, Empathie für die andere Kultur, ein entscheidender Faktor für ein erfolgreiches Auslandsengagement.

Anfängerfehler vermeiden

Torsten Grünewald von der Handelskammer Bremen warnt, eine Auslandsaktivität nicht zu unterschätzen. „Auslandsgeschäfte werden zunehmend schwieriger, da sie häufig handelspolitischen Einflüssen unterliegen. Sanktionen und Protektionismus haben in den vergangenen Jahren zugenommen“, so der 38-jährige. Unabhängig vom Land seien Auslandsgeschäfte anspruchsvolle Vorhaben, die gut überlegt und vorbereitet werden müssten. Dabei sollten Unternehmen nicht am falschen Ende sparen und lieber ein höheres Budget für das Engagement im Ausland einplanen. Daneben ist es wichtig, gerade die kulturellen Besonderheiten im Blick zu haben (siehe oben) und sich entwickelnde Beziehungen zu Geschäftspartnern vor Ort ihre Zeit zu geben.

Hilfe beim Start in China

Viel zu beachten! Eine Auslandsansiedlung ist komplex und ohne Beratung und Expertenrat für Mittelständler nur mit großem Aufwand zu realisieren. Aus diesem Grund helfen verschiedene Bremer Institutionen bei der Ansiedlung im Ausland:

Die Handelskammer Bremen berät als erster Ansprechpartner bei sämtlichen Fragestellungen, die das Im- und Exportgeschäft mit sich bringt. „Ein guter Einstieg sind zudem unsere Länderveranstaltungen und Seminare, bei denen die Unternehmen wichtige und umfangreiche Informationen für den Markteinstieg in China beziehungsweise, Auslandsgeschäfte im Allgemeinen erhalten können“, so Grünewald von der HK Bremen. Handelskammer, Wirtschaftsförderung, aber auch die deutschen Außenhandelskammern, chinesische Kammern und Behörden arbeiten eng zusammen und senken so die Hürden für Auslandsinvestitionen hiesiger Unternehmen.

Für die Wirtschaftsförderung Bremen arbeitet Lu Wang in Shanghai und betreibt dort das Bremeninvest Office.


Weitere Informationen zur Ansiedlung in China:

Torsten Grünewald, Referent Geschäftsbereich International Handelskammer Bremen - IHK für Bremen und Bremerhaven, Tel: +49 (0) 421 / 36 37 - 250, gruenewald@handelskammer-bremen.de

Zu den Angeboten der Deutschen Außenhandelskammer in China gibt es mehr auf: https://china.ahk.de/de/

Matthias Hempen, Unternehmensservice und Vertrieb, Projektleiter internationale Ansiedlung, Schwerpunkt China T +49 (0) 421 9600-127 F +49 (0) 421 9600-8127 matthias.hempen@wfb-bremen.de

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