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15.3.2023 - Tim Ole Jöhnk

Briefe aus dem Silicon Valley Frühjahr 2023 – eine Bank erschüttert die Tech-Welt

Internationales

Trends und Technologien aus dem Tech-Tal

Silicon Valley Brief 02 23 Teaser
© unsplash

Was bedeutet der Fall der Silicon-Valley-Bank für die Tech-Start-ups aus San Francisco? Das versucht unser US-Experte Tim Ole Jöhnk herauszufinden. Außerdem in unserem Frühjahrs-Brief: Chat-GPT erobert die Welt – aber steckt dahinter ein nachhaltiges Geschäftsmodell?

Direkt aus den USA meldet sich Tim Ole Jöhnk, Direktor des Northern Germany Innovation Office (NGIO), mit Themen, die das Silicon Valley in den vergangenen Tagen und Wochen heiß beschäftigen. Sie wollen unsere Länderbriefe regelmäßig als Newsletter erhalten? Melden Sie sich hier an.

Silicon Valley Bank (SVB) kollabiert – wie reagiert die Tech-Welt?

Bank
Kommt eine erneute Bankenkrise? © unsplash/Martin

Die SVB zählte etwa die Hälfte aller mit Venture Capital ausgestatteten Start-ups der USA und etwa 2.500 Risikokapital-Fonds zu ihren Kundinnen und Kunden und war die wichtigste Bank im Silicon Valley mit rund 180 Milliarden Dollar an Einlagen. Für Jahrzehnte konnten Start-ups auf Investor:innen mit tiefen Taschen und damit einhergehend einem regen Influx von frischem Kapital auf die Dienste der Bank zählen. Die SVB hatte, wie die meisten ihrer Konkurrentinnen und Konkurrenten, nur einen Teil dieser Einlagen in Bargeld belassen und den Rest dazu genutzt, langfristige Verbindlichkeiten, wie etwa sichere Staatsanleihen, zu kaufen (davon aber vergleichsweise viel zu anderen Banken und ohne ausreichende Absicherung). Solange Zinssätze niedrig blieben, versprachen diese Anleihen sichere und moderate Renditen.

Mit steigender Inflation wurde der Leitzins seitens der US-Zentralbank FED seit 2022 immer weiter angehoben. Im Mai 2022 warnte der einflussreiche Venture Fund Sequioa vor schweren Zeiten. Geld wurde teurer, Fonds hatten es schwerer, neue Investor:innen zu finden und Start-ups, die vorher pro Tag hunderttausende Dollar „verbrannten“, mussten plötzlich sparen. Firmen mussten verstärkt ihre Einlagen u.a. bei der SVB anzapfen, anstatt neues Kapital einzusammeln. Zusätzlich verloren Staatsanleihen mit steigenden Zinssätzen drastisch an Wert. Um dennoch Geld an die Kundinnen und Kunden auszuzahlen, musste die SVB einen Teil ihrer Staatsanleihen zu schlechten Konditionen verkaufen und machte diesen Wertverlust zusammen mit einer nötigen Kapitalerhöhung am 08. März publik. Dies führte zu einer Panik innerhalb der Tech-Industrie. Firmen und Fonds fürchteten um die Zahlungsfähigkeit der Bank und versuchten ihr Geld im großen Stil von der SVB abzuziehen und zu anderen Geldinstituten zu transferieren. Innerhalb von 48 Stunden kollabierte die Bank.

Am Freitag, den 10.03 verkündete die US-Bundeseinlagenversicherungsgesellschaft (FDIC), dass sie die SVB übernehmen würde. Jedoch versichert die FDIC nur Einlagen bis zu einer Höhe von 250.000 USD. 96 Prozent aller SVB-Kundinnen und -Kunden liegen jedoch deutlich über dieser Summe. Für viele Start-ups und Firmen waren es dramatische Neuigkeiten.

Aus diesem Grund griff über das Wochenende dann auch die FED, die US-Zentralbank, ein. Sie stellte über Notkredite zusätzliche Liquidität zur Verfügung und erlaubte es, Kredite gegen den Nominalwert der gehaltenen Staatsanleihen aufzunehmen. Neben der SVB waren noch weitere Banken ins Straucheln geraten, wie die Signature Bank, Silvergate oder die First Republic Bank. Sie können nun ihren Kundinnen und Kunden wieder Geld bereitstellen. Gleichzeitig ist es keine Bankenrettung, die SVB ist Geschichte und die Behörden suchen bereits nach interessierten Investor:innen, die die Konkursmasse aufkaufen wollen; Anleger:innen in SV-Bankaktien gehen leer aus.

Auch wenn damit die erste Panik abebben dürfte – die sich im gut vernetzten Silicon Valley rasant ausbreitete, manche sprechen von einem "Twitter-Bankrun" – ist für viele Firmen nicht klar, wie lange sie noch liquide genug sind, um Gehälter und sonstige Verpflichtungen zu bedienen und wie schnell die neuen Hilfen greifen. Viele Unternehmen versuchen ihre Gelder zu anderen Banken zu transferieren, während einige Tech-Milliardäre zu unkomplizierten „Freundschaftshilfen“ aufriefen, um gerade den kleinen Start-ups zumindest genug Liquidität zur Verfügung zu stellen, um Gehälter zu bezahlen.

Der Kollaps der SVB ist der größte Bankenkollaps seit der Finanzkrise 2008 und lässt Ängste einer Systemkatastrophe wiederaufleben. Denn auch wenn die SVB vor allem mit Unternehmen zusammenarbeitete, könnten die Nachwirkungen auch Endkundinnen und -kunden erreichen. So war die SVB etwa an Wohnimmobilien-Projekten beteiligt, deren Finanzierung nun überdacht werden könnte. Und letztendlich ist das Silicon Valley für viele Hightech-Produkte verantwortlich, die tagtäglich von Millionen Menschen genutzt werden, deren Services aber eng an Finanzdienstleistungen hängen. So verkündete etwa die Verkaufsplattform Etsy, dass es zwischenzeitlich Probleme bei der Zahlungsabwicklung gegeben habe. Die Langzeit-Auswirkungen auf das Silicon Valley und die Tech-Szene sind daher noch vollkommen unabsehbar und die nächsten Wochen bleiben kritisch.


Chat GPT – wo steckt das Geschäftsmodell in der KI?

Chat GPT
Ganz neu: ChatGPT soll in Version 4 noch besser sein © unsplash/Vittoriosi

Das Leben im Silicon Valley ist immer schnell und spannend. Jedoch waren die letzten vier Monate selbst für diese Region besonders intensiv und haben gezeigt, wie nah beieinander Erfolg und Chaos liegen können. Im November hat Open AI mit GPT einen Chatbot auf den Markt gebracht, der weltweit für Aufsehen gesorgt hat. Innerhalb kürzester Zeit berichteten Medien, wie die KI Examen fürs Jurastudium ablegte, an den renommiertesten Wirtschaftsschulen aufgenommen wurde und sogar Zulassungsprüfungen der amerikanischen Ärztekammer mit Bravour bestand. Nur im Abitur in Bayern, da konnte sie nicht brillieren (der Spiegel berichtete).

Die Technologie hinter dieser KI wurde viele Jahre entwickelt und die Tatsache, dass KI so leistungsfähig ist wie von GPT bewiesen, überraschte im Silicon Valley Expertinnen und Experten nicht weiter. Was jedoch erstaunte, war, wie schnell diese App wuchs. Spotify brauchte etwa 150 Tage, um die Eine-Million-Nutzer:innen-Marke zu überspringen, Instagram 75 Tage. ChatGPT stellte diese Bestmarke innerhalb von nur fünf Tagen ein. Selbst Sam Altman, einer der Mitgründer und CEO von OpenAI, hatte nicht mit einer solch gewaltigen Reaktion gerechnet. Spätestens seit Mitte Dezember zeichnete sich ChatGPT vor allem dadurch aus, dass die Server überlastet waren. Kein Wunder, denn die Rechenleistung, die der Algorithmus benötigt, um dem Ansturm gerecht zu werden, ist massiv. Auch deshalb versuchen Venture Capital-Firmen (=Risikokapital-Firmen) vorherzusehen, wer in der KI-Industrie die großen Profite erzielen wird. Insgesamt stehen bei dieser Art von KI drei potenzielle Märkte zur Auswahl:

  1. Programme, die generative KI (wie ChatGPT) nutzen, um Aufgaben zu lösen (etwa Copywriting, Erstellung von Bildern oder das Schreiben von Code).
  2. Die Modelle, welche die KI trainieren und als APIs (Schnittstellen) den Programmen zugänglich machen.
  3. Infrastruktur, also Cloud-Plattformen oder Hardwarehersteller, auf welchen die Modelle laufen.

Normalerweise würde man in der Technologie-Szene davon ausgehen, dass die Firma, welche die Endkund:innen anspricht, auch den meisten Wert abgreift und die höchsten Profite erzielt. Bei generativer KI ist das jedoch, zumindest noch nicht, der Fall. Es gibt zwar bereits die ersten Anwendungsfälle, die mehr als 100 Millionen US-Dollar an Umsatz generieren (Copywriting, Image Generation und Coding), aber das Wachstum ist nicht zwingend nachhaltig. So basieren die Apps beziehungsweise die Produkte auf einer Handvoll von KI-Modellen und heben sich hinsichtlich ihrer Technik oder ihrer Funktion kaum voneinander ab. Während also zurzeit viele neue Nutzer:innen auf den Markt strömen, bleibt es abzuwarten, wer sich auch auf mittel- und langfristige Sicht bewähren kann. Die meisten Firmen in den USA können übrigens auch noch nicht abschätzen, was genau ChatGPT jetzt eigentlich alles für sie verändern wird. Jedoch höre ich immer häufiger, dass Marketing-Departments die KI für die Erstellung von Inhalten nutzen und Buchhaltungen automatische Rechnungen generieren lassen.

Generative KI könnte ohne ihre Basismodelle nicht funktionieren. Bei den Modellanbieter:innen (etwa OpenAI, Google oder Stability) bleibt jedoch derzeit erstaunlich wenig Wertschöpfung hängen. Zwar sehen Plattformen wie Stable Diffusion ein gewaltiges Wachstum von User:innen, die ihr Modell dazu nutzen, um Programme zu schreiben und zu vermarkten, jedoch stellt Stability diese API kostenfrei zur Verfügung. Auch ChatGPT ist in der Basisversion kostenfrei nutzbar und selbst die Bezahlversion hat schon eine Preisvergünstigung hinter sich. Dazu kommt auch, dass es bisher noch keine sogenannten Killer-Apps gibt, also Programme, die so gut sind und einen einzigartigen Marktbedarf befriedigen, dass sich eine Plattform als klare Gewinnerin des KI-Rennens herausstellt.

Bleiben also die Hersteller von Chips und Hardware sowie die großen Cloud-Betreiber. Fast jeder Prozess, der mit generativer KI zu tun hat, muss an irgendeinem Punkt auf einer GPU oder TPU, also auf einem Prozessor, laufen. Das passiert meistens in der Cloud. Amazon Web Services, Google Cloud Plattform oder Microsoft Azure sind gemeinsam mit Firmen wie Nvidia als klare Gewinner zu sehen. Nvidia alleine hat im dritten Quartal 2022 einen Umsatz von 3,8 Milliarden US-Dollar nur im Bereich Datacenter GPU verzeichnet. Jedoch hat die Firma auch mit den anhaltenden Lieferengpässen von Prozessoren zu kämpfen und Cloud-Provider sehen sich der Gefahr ausgesetzt, dass KI-Modelle kaum angeschlossene Datenbanken brauchen und somit leicht von einer Cloud in die nächste transferiert werden können. Das könnte also bedeuten, dass Modellbetreibende recht einfach immer zum günstigsten Cloud-Anbieter springen können.

Auch deshalb setzen die einzelnen Dienste stark auf eigene KI-Lösungen, oder kaufen sich ein – wie etwa Microsoft, das mit einem Multimilliarden-Beitrag bei Open AI (der Firma hinter ChatGPT) einsteigen will, um es in eigene Produkte zu integrieren, zum Beispiel in die Suchmaschine „Bing“. Damit wird die KI mehr zu einem zusätzlichen Service als ein eigenes Produkt. Auch Google überlegt, sein Modell „LaMDA“ in die Suche zu integrieren, hält sich aber noch zurück, unter anderem aus Angst vor Reputationsverlust durch  falschen Aussagen der KI (wie etwa von ChatGPT bekannt).


Wasserstoff-Reise ins Silicon Valley

Delegationsreise
Teilnehmende der Delegationsreise © WFB

Während KI und Banken das Valley aufwühlen, macht auch noch eine andere Technologie immer mehr in Kalifornien von sich reden: Die Nutzung von Wasserstoff. Um sich einen Überblick über die Entwicklungen zu verschaffen, reiste Ende des vergangenen Jahres eine norddeutsche Delegation im Rahmen des Northern Germany Innovation Office (NGIO) in die USA. Mit dabei waren auch Vertreter des ECOMAT, Bremens Leuchtturm der Spitzentechnologie für öko-effiziente Luft- und Raumfahrttechnologien. Zum Nachbericht der Reise auf der ECOMAT-Seite

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