„Wir wollen in die DNA eines Unternehmens einwirken“
KreativwirtschaftDie Bremer Hilfswerft und die Frage, warum das Streben nach dem Gemeinwohl für Unternehmen immer wichtiger wird
Tue Gutes und rede darüber: Die Hilfswerft in der Bremer Neustadt unterstützt Unternehmen, sozial und ökologisch zu wirtschaften. Sie informiert und vernetzt Gründungswillige, Start-ups und Studierende. Ihre Ideen treffen deutschlandweit auf Interesse.
Am Anfang war da eine Frage: „Was können wir als BWLer tun, was uns persönlich und unsere Umwelt voranbringt?“ Darüber diskutierten Nils Dreyer, Sönke Burkert und Carsten Lessmann eines Abends lange und ausführlich. Die drei Freunde kamen dabei auf soziale Unternehmensprojekte wie die Bank für Mikrokredite des nobelpreisprämierten Inders Muhammad Yunus. Das – so ihre Idee – müsste doch viel bekannter gemacht werden!
Ausgetretene Pfade verlassen
Die drei erinnerten sich an ihr Wirtschaftsstudium – an das klassische Mantra von Angebot und Nachfrage, Umsatz und Gewinn. „Alternative Ansätze kommen kaum zur Sprache, das wollten wir ändern“, so Carsten Lessmann. Denn sie sind überzeugt: Viele junge Absolventinnen und Absolventen interessieren sich für nachhaltiges Wirtschaften, ihnen fehlt es aber an Perspektiven und Vorbildern. Gemeinsam schmiedeten sie so 2014 den Plan, daran etwas zu ändern – und gründeten die Hilfswerft als gemeinnützige GmbH. Mit ihr möchten die drei Gründer das „Gedankengut des gesellschaftlichen Unternehmertums etablieren und in die DNA der Firmen einwirken“, so Nils Dreyer.
Corporate Social Responsibility - Gewinn ist nicht alles
Unter dem Begriff „Corporate Social Responsibility“ (CSR) bündeln Firmen Aktivitäten mit denen sie auf freiwilliger Basis zur Verbesserung der nachhaltigen ökologischen und gesellschaftlichen Entwicklung beitragen. Immer mehr Unternehmen arbeiten CSR-Konzepte aus und engagieren sich – auch öffentlichkeitswirksam. Seit Mitte 2018 müssen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern zudem jährliche CSR-Berichte vorlegen und so über ihre Aktivitäten Rechenschaft ablegen. Aber auch kleine Unternehmen engagieren sich gern, oft aus dem persönlichen Interesse der Inhaber heraus.
Ein Thema, das auch bei Verbrauchern immer wichtiger wird. „Vor 20 Jahren gab es Bio-Produkte nur im Reformhaus, heute gibt es sie in jedem Supermarkt“, sagt Lessmann. Konsumenten hinterfragen verstärkt die Herkunft der Produkte und achten auf gute Produktionsbedingungen. „Gutes Wirtschaften“ wird so zum Kaufargument.
Social Entrepreneurship in Bremen
Auch in der Hansestadt entstehen junge Start-ups, die sozial verantwortlich wirtschaften wollen. Etwa „Slokoffie“, eine Kaffeerösterei, welche die Bohnen CO2-neutral per Segelschiff importiert. Oder „Yummy Organics“, das edle Gewürze zu fairen Produktionspreisen verkauft. Es sind Unternehmensgründungen wie diese, welche die Hilfswerft auf den Weg bringen möchte. „Wir suchen Kontakt zu Unternehmen, Gründungswilligen und Interessierten, die etwas bewegen wollen, die ein echtes Interesse an dem Thema haben“, so Burkert.
Eine weitere Initiative unter Mitwirkung der Hilfswerft ist das Zentrum für nachhaltiges und sozial verantwortliches Unternehmertum in der Logistik.
Nur echtes Interesse an Nachhaltigkeit zählt für die Hilfswerft
Denn eines ist mit der Hilfswerft nicht möglich: Greenwashing, das halbherzige Unterstützen von Projekten, um für „gute PR“ zu sorgen. „Wir wollen Geschäftsmodelle nachhaltig ändern und zeigen, dass Profit und Gemeinwohl sich nicht ausschließen. Da kann es auch mal geschehen, dass wir eine Kooperation ablehnen, sobald wir merken, dass kein echtes Interesse besteht“, sagt Lessmann.
Wirtschaftlich zu denken ist den dreien alles andere als fern: Sönke Burkert und Nils Dreyer haben bereits ihre eigenen Unternehmen geführt, Carsten Lessmann arbeitet in Teilzeit als klassischer Bankberater. Sie wissen, wie Unternehmer denken und wie man sie zum Umdenken bewegen kann.
Umsatz und gesellschaftliche Rendite
Soziales Wirtschaften hat eine weitaus höhere Tragweite als nur für gute Unternehmens-PR zu sorgen. So fand eine Studie der Boston Consulting Group 2017 heraus, dass die Margen von Unternehmen, die sich für soziale Belange und Gemeinwohl einsetzen, zwischen 5 und 10 Prozent höher liegen als von Unternehmen, die sich nicht gesellschaftlich engagieren. Konsumenten sind bereit, zwischen 5 und 15 Prozent mehr Geld für Produkte auszugeben, wenn sie den guten Zweck unterstützen – so auch der Corporate Social Responsibility Monitor 2016. Und bei der Rekrutierung kann ein gesellschaftliches oder ökologisches Engagement oft das entscheidende Zünglein an der Waage in Zeiten des Fachkräftemangels sein. Auch auf die Produktionskosten kann sich CSR positiv auswirken: Ein Engagement zur Einsparung von CO2 kann gleichzeitig die Energiekosten senken, indem z.B. umweltfreundlichere Leuchtmittel eingesetzt werden oder Müll vermieden wird.
In ganz Deutschland unterwegs – in Bremen die Heimatwerft
Um ihr Ziel zu erreichen, tanzen sie auf vielen Hochzeiten: Mit Lehraufträgen und Seminaren an Hochschulen zeigen sie deutschlandweit jungen Studierenden, wie soziales Unternehmertum gelingen kann. Sie organisieren „Social Entrepreneuship Camps“, Konferenzen oder Stammtische, wo Interessierte neue Ideen aufgreifen, vorstellen und diskutieren können. Und sie beraten Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle zu verändern oder Gewinne sinnvoll für das Gemeinwohl zu investieren. „Wir geben Denkanstöße“, fasst es Burkert zusammen.
Von der UNESCO geadelt
Ihr Engagement trifft nicht nur bei Studierenden auf Begeisterung: Das UNESCO Weltaktionsprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung und das Bundesministerium für Bildung und Forschung zeichneten die Hilfswerft im November 2017 mit einer Ehrung für ihre Netzwerkarbeit aus. „Wir freuen uns riesig über eine Auszeichnung von so hoher Stelle. Das motiviert uns – und wir können damit hoffentlich noch mehr Unternehmen für unsere Mission gewinnen!“, zeigt sich Nils Dreyer begeistert.
Zu siebt sitzen sie mittlerweile in der Alten Schnapsfabrik in der Bremer Neustadt – die meisten in Teilzeit, denn ganz von allein trägt sich das junge Unternehmen noch nicht. „Natürlich ist es unser Ziel, auf eigenen Beinen zu stehen. Aber das machen wir in unserer Geschwindigkeit, wir wachsen zusammen mit dem Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften in Deutschland“, gibt sich Carsten Lessmann überzeugt. Nachhaltiges Wachstum sei eine Grundvoraussetzung, denn „man kann nicht ewig an die Substanz gehen, das gilt für Unternehmen ebenso wie für unseren Planeten“.
Wer mehr über soziales Unternehmertum erfahren möchte, kann an den kostenlosen Social Entrepreneurship Stammtischen und Veranstaltungen in Bremen teilnehmen. Mehr dazu unter: www.hilfswerft.de/veranstaltungen/
Einen Überblick über Unternehmen, Akteure und Unterstützer des sozialen Unternehmertums in Deutschland bietet das Hilfswerft-Infoposter „Social Business in Deutschland 2017/2018“. Mehr dazu hier: www.hilfswerft.de/poster/
Weitere Informationen zur Kreativwirtschaft und zu Unternehmensgründungen von Kreativen gibt es bei Anke Jacobj, Innovationsmanager, Freie Hansestadt Bremen, Tel.: 0421 - 9600-358
anke.jacobj@wah.bremen.de mehr zur Gewerbestandort Bremer Neustadt bei Andreas Zimmermann, Unternehmensservice und Vertrieb, Projektleiter Region Bremen Süd, Tel.: +49 (0) 421 9600-124, andreas.zimmermann@wfb-bremen.de
Was Kreative in Bremen sonst noch so machen, erfahrt Ihr auf der Übersichtsseite Kreativwirtschaft
Erfolgsgeschichten
Er sorgt dafür, dass sich das Publikum in wenigen Augenblicken in einer Szene orientieren kann: Weit mehr als hundert Filmproduktionen hat der Bremer Szenenbildner Dennis Duis schon begleitet und dabei mit Bildern und Stimmungen die jeweilige Welt geschaffen, in der die Handlung spielt. Eines seiner jüngsten Projekte wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.
Mehr erfahrenAls Kunstprojekt gestartet, hat sich das Bremer Start-up ooley mit seinen nachhaltigen Designsocken am Markt etabliert. Gestaltet wird in Bremen, produziert wird in Italien, verkauft wird in 150 Geschäften sowie online. Im Sortiment sind auch Sockenmotive mit Lokalkolorit, sei es die Weser oder der Grünkohl.
Mehr erfahrenMit ihren Fotos will sie Emotionen einfangen – ganz ohne Kitsch. Das überzeugt nicht nur ihre Kundinnen und Kunden: Die Bremerin Gianna König wurde in diesem Jahr zu Norddeutschlands bester Hochzeitsfotografin gekürt. Dadurch schaffte sie es bis ins Finale des bundesweiten Wedding King Awards.
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