Qualitätsjournalismus aus Bremen – Wie die RiffReporter fundierte Arbeit zu fairen Konditionen schaffen
Social EntrepreneurshipMit einem Genossenschaftsmodell in der Medienbranche unabhängig wirtschaften
Eine Demokratie braucht unabhängige Berichterstattung. Onlinetrends und Social Media haben die Branche im vergangenen Jahrzehnt stark verändert. Mit einem einzigartigen Geschäftsmodell schaffen die Bremer RiffReporter den Spagat zwischen journalistischer und finanzieller Unabhängigkeit.
Umwelt, Wissenschaft, Technologie, Gesellschaft – die Themen, über die die Riffreporter schreiben, sind vielfältig, aber immer geht es um den Blick hinter die Kulissen. Um Perspektiven, die in anderen Medien manchmal zu kurz kommen. Und immer mit dem Anspruch, unabhängig, werbefrei und nach dem journalistischen Kodex zu arbeiten.
Auf ihrer gleichnamigen Onlineplattform veröffentlichen sie täglich neue Reportagen. Aber auch in Zeitungen und Magazinen erscheinen regelmäßig RiffReporter-Stücke.
Ein Beispiel dafür: In den Anfangsmonaten der Corona-Pandemie gab es Unwissenheit und teils widersprüchliche Informationen in vielen Medien und sozialen Netzwerken. Was es brauchte, war ein tiefer Blick in die gesellschaftlichen wie medizinischen Vorgänge.
„Unsere frei zugänglichen Recherchen und Reportagen wurden damals sogar von Christian Drosten gelobt, das war schon ein kleiner Ritterschlag“, denkt Tanja Krämer, Mitgründerin und Vorständin von RiffReporter – die Genossenschaft für freien Journalismus eG an die turbulente Zeit zurück. Längst nicht die einzige Auszeichnung für das Team – Ehrungen wie der Grimme Online Award 2018, der Netzwende Award oder der Umweltmedienpreis 2021 würdigen die fundierte Arbeit der RiffReporter immer wieder.
Medienkrise und Zeitungssterben setzen Journalismus zu
Sie verstehen sich damit als mögliche Alternative in der Medienkrise. „Der Journalismus wurde in den vergangenen Jahrzehnten geschwächt: Durch eine Veränderung der Konsumgewohnheiten zu schnellen, kurzen Botschaften, durch Einsparungen bei Verlagen und die Förderung einer Kultur des Misstrauens gegenüber Medien seitens bestimmter politischer Gruppierungen“, führt Krämer aus. Und ist überzeugt: „Das führt zu Demokratieverlust. Der freie Journalismus ist das Rückgrat der Branche, aber freie Journalist:innen haben wenig Sicherheiten. An ihnen sparen Verlage schnell und fundierte Recherchen, die Zeit braucht, werden nicht überall fair bezahlt.“
Neue Wege in der Finanzierung gehen: Genossenschaft gegründet
Mit einem Genossenschaftsmodell wollen sie genau diese Sicherheit schaffen. Jede und jeder der rund 100 RiffReporter-Journalist:innen ist Genossenschaftsmitglied und damit Anteilseigner oder Anteilseignerin. Einnahmen werden direkt an sie ausgeschüttet, nach selbst gewählten Verteilschlüsseln. So fließt möglichst viel des Gewinns direkt in die Arbeit der Medienschaffenden. Dabei bleiben die Journalist:innen unabhängig. „Die meisten arbeiten zu rund zwei Dritteln ihrer Zeit als freie Mitarbeitende für verschiedene Redaktionen und erhalten darüber ihre Einnahmen. Den Rest der Zeit sind sie für die RiffReporter aktiv“, erklärt Krämer das Arbeitsmodell.
Bei den RiffReportern erarbeiten sie dann Artikel für die eigene Onlineplattform. Diese können aber auch von anderen Verlagen lizenziert werden. Umfangreiche Rechercheprojekte werden durch gemeinwohlorientierte Stiftungen oder Journalismus-Stipendienprojekte, etwa des European Journalism Funds, gegenfinanziert. Dies ermöglicht den RiffReportern, auch besondere Recherchen durchzuführen, etwa über technologische Lösungen aus afrikanischen Ländern, von denen auch wir lernen können.
Das Finanzierungsmodell der Genossenschaft steht dabei auf mehreren Standfüßen:
- Abonnements und Firmen-Lizenzen
Privatpersonen erhalten über ein monatliches Abo Zugang zur Plattform, ähnlich wie bei Bezahlangeboten anderer Medien. Rund 2.000 Unterstützer:innen sind bereits heute dabei. Öffentliche Bibliotheken und öffentliche Einrichtungen können Firmen-Lizenzen abschließen, die ihren Kunden oder Mitarbeitenden den kostenfreien Zugriff auf die RiffReporter-Plattform ermöglichen. - Zweitverwertungen durch Verlage
Medienunternehmen – ob nun klassische Zeitungen wie die FAZ oder NZZ oder Onlineangebote wie gmx.de oder web.de – können Artikel, die bei RiffReporter publiziert wurden, für eine Zweitverwertung lizenzieren und in ihren jeweiligen Portalen veröffentlichen. - Investor:innen
Die Genossenschaftsform der RiffReporter ermöglicht es, nicht-stimmberechtigte Mitglieder aufzunehmen. Investorinnen und Investoren können so Kapital in das Projekt anlegen. Da sie dies ohne Stimmrecht tun, bleibt die journalistische Unabhängigkeit des Projektes stets gewahrt. - Veranstaltungen / Workshops
Stiftungen, Institutionen oder Unternehmen buchen die RiffReporter, um Vorträge oder Workshops abzuhalten, die sich um die Kernthemen des Projekts drehen: zu Medienkompetenz, zur Entwicklung der Medienlandschaft oder zu Ergebnissen besonderer Rechercheprojekte.
Hohes Ansehen in der Branche
Während die rund 100 Genossenschaftsmitglieder überall in Deutschland und zum Teil als Korrespondent:innen auch im Ausland sitzen, arbeiten im Bremer Büro zehn Angestellte, die sich neben der Organisation und Geschäftsführung auch um die Weiterentwicklung der Onlineplattform kümmern. „Alles selbstprogrammiert“, erzählt Stefan Johannesberg, der zweite Vorsitzende, stolz. „Auch das stärkt unsere Unabhängigkeit, wir haben Hoheit über all unsere IT-Systeme.“
Der RiffReporter-Ansatz sorgt seit dem Start 2017 in der Medienbranche für Aufmerksamkeit. Heute können Krämer und Johannesberg über Bewerbungen nicht klagen. Doch die Genossenschaft wählt ganz genau aus, wer beitreten darf. „Wir wollen langsam wachsen, damit wir unser System nicht überladen und unser Qualitätsversprechen und unsere Standards halten“, fährt er fort.
Auf jährlichen Mitgliederversammlungen legen die Genossenschaftsmitglieder dabei Strategien für das nächste oder die kommenden Jahre fest. Dabei thronen zwei Ziele über allen: „Wir wollen uns als Genossenschaft selbst tragen, um unsere Unabhängigkeit sicherzustellen, und wir haben den Anspruch, eine etablierte Stimme in der Medienlandschaft zu werden“, fasst es Krämer zusammen.
Neben dem sicheren Einkommen profitieren die Journalistinnen und Journalisten in der Genossenschaft auch auf weitere Weise: Statt einer Chefredaktion, die Themen vorgibt, sind die RiffReporter in kleine, dynamische Teams aufgeteilt, die sich eigenständig mit Schwerpunktthemen befassen und Kundinnen- und Kundenprojekte betreuen. „So lernen unsere Mitglieder auch viel über Projektmanagement und Organisation, tauschen Wissen aus und stärken ihr Netzwerk“, so Johannesberg weiter.
Genossenschaft als Modell für Sozialunternehmen
Genossenschaftliche Ansätze wie die der RiffReporter sind in der Kreativ- und Dienstleistungsindustrie noch selten. Sie kombinieren viele Vorteile eines klassischen Unternehmens mit einer höheren Selbstbestimmung und Flexibilität. Zudem schaffen sie Mitspracherechte für alle Mitglieder – ein erklärtes Ziel der ökonomischen Nachhaltigkeit und damit auch Anspruch vieler Sozialunternehmen.
In Bremen stärkt das Land soziales Unternehmertum in besonderem Maße, um die positiven Effekte für die Gesellschaft mit wirtschaftlichem Wachstum zu kombinieren. Neben Vernetzungsaktivitäten berät die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH etwa zu allen Fragen rund um den Bremer Standort, das heißt zu Themen wie Ansiedlung, Standort, Personal, Marketing und Finanzierung.
Und so fühlt sich auch das Team der RiffReporter in Bremen an der richtigen Stelle. „Einerseits bereichern wir die Bremer Medienlandschaft, andererseits profitieren wir aber auch durch die Nähe zu Medien wie Radio Bremen oder anderen angesehenen Medienunternehmen wie etwa der sendefähig GmbH, die ähnliche Qualitätsansprüche wie wir haben“, schließt Johannesberg.
Bisher in der Reihe "Genossenschaften in Bremen" erschienen:
- Qualitätsjournalismus aus Bremen – Wie die RiffReporter fundierte Arbeit zu fairen Konditionen schaffen
- "Bremen ist anderen Städten weit voraus“ – wie die Hansestadt zum Vorbild in der persönlichen Assistenz wurde
- Wie eine Bürger-Energiegenossenschaft in Bremen Arbeitsplätze schafft
- Wann ist eine soziale Genossenschaft sinnvoll?
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