Erschaffer von (Film-)Welten
KreativwirtschaftDennis Duis reist als Szenenbildner quer durch die Epochen
Er sorgt dafür, dass sich das Publikum in wenigen Augenblicken in einer Szene orientieren kann: Weit mehr als hundert Filmproduktionen hat der Bremer Szenenbildner Dennis Duis schon begleitet und dabei mit Bildern und Stimmungen die jeweilige Welt geschaffen, in der die Handlung spielt. Eines seiner jüngsten Projekte wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.
Ein voll besetztes Theater im Berlin des Jahres 1939. Hinter der Bühne, vorbei an Stehlampen und Ständern mit historischen Kleidern, rennt eine junge Frau im Pagenkostüm durch die Gänge, um es rechtzeitig zu ihrem Auftritt in der Shakespeare-Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“ zu schaffen. Es ist eine der ersten Szenen des Doku-Spielfilms „Ich bin! Margot Friedländer“ über die deutsche Überlebende des Holocausts. Um dem Film die nötige Authentizität zu verleihen, haben der Bremer Szenenbildner Dennis Duis und sein Team vor Beginn der Dreharbeiten ein komplettes Theater im Stil der 1930er-Jahre umgebaut. „Praktisch alles, was im Bild zu sehen ist, kommt aus meiner Abteilung“, erläutert der 53-Jährige seinen Job. „Alles – bis auf die Schauspieler.“
Emotionen in Bilder umsetzen
Szenenbildnerinnen und Szenenbildner sind die künstlerisch und konzeptionellen Gestalter des räumlich-visuellen Erscheinungsbildes eines Filmwerks: So steht es in der Berufsbeschreibung des Verbands der Berufsgruppen Szenenbild und Kostümbild. Und weiter: „Durch die von ihnen in Szene gesetzten Landschaften, Räume und Gegenstände verbildlichen sie die einer Geschichte innewohnenden Emotionen.“ Für Dennis Duis bedeutet das, dass er je nach Umfang eines Projekts Teams von bis zu 60 Mitarbeitenden führt, die unterschiedliche Aufgaben umsetzen. „Ich muss nicht alles selbst können“, macht er deutlich. „Aber ich muss wissen, wer was kann – und dann die passenden Leute zusammenbringen.“ Ein wesentlicher Teil seiner Aufgabe sei es, das jeweilige Team zu formen und zusammenzuhalten, um letztlich zu einem guten Ergebnis zu kommen.
Vom Möbelladen ins Filmgeschäft
Von Doku-Spielfilmen wie „Die Frauen der Wikinger“ über diverse TV-Serien bis hin zum Kinofilm „Collide“ mit Hollywood-Star Anthony Hopkins: Das Repertoire des 53-Jährigen ist vielseitig. Dabei ist es einem Zufall zu verdanken, dass er als Quereinsteiger in den Beruf „hineinstolperte“, wie er es selbst bezeichnet. Ursprünglich betrieb Duis in den 1990er-Jahren in Köln einen Laden für Designmöbel, aus dem sich eine dort ansässige Filmproduktionsfirma für ihre Projekte immer wieder Möbelstücke auslieh. „Irgendwann sagte der Chef zu mir: Wenn wir uns ohnehin alles bei dir leihen, kannst du auch gleich für uns arbeiten“, erinnert er sich. So startete er als Assistent des Requisiteurs und arbeitete sich über die Jahre hoch zum Szenenbildner.
Fachlektüre nach Feierabend
Den heutigen Studiengang Szenografie gab es damals noch nicht. Duis brachte sich Schritt für Schritt alle nötigen Kenntnisse selbst bei: Dafür widmete er sich abends nach Dienstschluss intensiv der Lektüre von Fachbüchern. „Heute ist der klassische Weg, zuerst zwei Semester Innenarchitektur und dann mindestens drei Jahre Szenenbild zu studieren“, berichtet er. „Für mich war es damals aber gut, direkt in die Praxis einzusteigen. So konnte ich gleich erleben, wie so ein Team arbeitet und was wie funktioniert.“ Mittlerweile profitiert er von den vielfältigen Erfahrungen, die er in den vergangenen 30 Jahren gesammelt hat. „Bei den meisten Epochen weiß ich inzwischen, wie es da aussah – und wo es besonders wichtig ist, auf Details zu achten.“
Keine Munition am Filmset
Zum Beispiel bei Waffen. „Wenn da etwas nicht exakt stimmt, gibt es sofort Leserbriefe“, berichtet er. Um auf alles vorbereitet zu sein, befinden sich in seinem Fundus allein mehr als 300 Waffen aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Dabei sind alle Schwerter und Schusswaffen entweder nachgebaut oder untauglich gemacht. Eine Tragödie wie bei den Dreharbeiten zum Western „Rust“, als US-Schauspieler Alec Baldwin versehentlich eine Kamerafrau erschoss, sei in Deutschland undenkbar, betont Duis. „Munition am Set ergibt überhaupt keinen Sinn. Sowohl das Schussgeräusch als auch das Mündungsfeuer werden heutzutage am Computer hinzugefügt.“
Historische Stoffe mit Botschaft
Seit zehn Jahren widmet sich der Szenenbildner fast nur noch historischen Stoffen. „Ich habe gemerkt, dass mir die große Filmindustrie nicht liegt“, sagt er. Bei historischen Themen dagegen könne er sich richtig entfalten und stehe auch inhaltlich voll dahinter – wie zum Beispiel bei dem Film über Margot Friedländer oder dem Doku-Spielfilm „Nazijäger – Reise in die Finsternis“. Für ihn sei es wichtig, dass ein Film eine Message transportiere: „Und zwar keine belehrende, sondern eher eine aufklärende. Das muss nicht immer politisch sein. Es kann auch spannend sein zu erfahren, wie früher die Frauen der Wikinger lebten.“
Rinderbraten aus Tofu
Requisiten und Kulissen, die es nicht schon in irgendeinem Fundus gibt, müssen er und sein Team vor Drehbeginn individuell erstellen. So arbeitet Duis für die Terra-X-Reihe „Giganten der Kunst“ an zwei Folgen über Gustav Klimt und Caspar David Friedrich, für die sowohl fertige als auch unvollendete Bilder der beiden Künstler benötigt werden: eine ideale Aufgabe für seine Assistentin Ann Schaefer, die künstlerisch begabt ist und schon für die Folge über Vincent Van Gogh zu Pinsel und Farbe gegriffen hatte. Für die aktuellen Dreharbeiten zum Dokudrama „1955 – Nur 10 Jahre danach“, das in Delmenhorst bei Bremen spielt, steht der 53-Jährige vor einer ganz anderen Herausforderung. „In einer Szene findet ein großes Essen statt, und damals war alles sehr fleischlastig“, erzählt er und grinst. „Unter den Schauspielerinnen und Schauspielern gibt es aber auch welche, die sich vegetarisch ernähren. Darum müssen wir für sie extra Rinderbraten aus Tofu anfertigen.“
Alte neue Verbundenheit zu Bremen
Zu Beginn seiner Szenenbildner-Laufbahn war Dennis Duis noch häufig in diversen europäischen und afrikanischen Ländern unterwegs. Als seine beiden Kinder zur Welt kamen, war für ihn klar, dass er nicht mehr so viel reisen will – sondern lieber möglichst oft zu Hause sein möchte. Seit sechs Jahren ist dieses die Hansestadt Bremen. „Meine Frau habe ich in München kennengelernt, aber als unsere Kinder geboren wurden, wollte ich gerne näher bei meiner Familie in Norddeutschland sein“, sagt er. Mit Bremen fühle er sich schon seit seiner Jugend sehr verbunden, sagt der gebürtige Papenburger: „Die Lebensqualität ist hier einfach toll, ich liebe das Leben im Viertel und die Offenheit der Menschen.“ Für seine Arbeit sei es zweitrangig, wo er wohne. „Und dank des Flughafens komme ich ja überall schnell hin, das ist für mich entscheidend.“
Deutscher Fernsehpreis für Doku-Spielfilm über Holocaust-Überlebende
Ein Projekt, das ihm noch lange in Erinnerung bleiben wird, ist der Film über die bewegende Lebensgeschichte der Holocaust-Überlebenden Margot Friedländer. „Am Beispiel dieser beeindruckenden Frau haben wir transportiert, wie es den Menschen damals konkret ergangen ist. Dass sie gar nicht verstehen konnten, was da eigentlich passiert“, berichtet Duis. In der beschriebenen Eingangsszene des Films ist die jüdische Protagonistin (gespielt von Julia Anna Grob) als Statistin am Theater beim Jüdischen Kulturbund in Berlin zu sehen.
Die Stärke des Doku-Spielfilms sei aus seiner Sicht, dass das Publikum sehr nah an der Person Margot Friedländer dran sei und ihr Leid mitfühlen könne. Darum empfinde er es auch als besondere Freude, dass genau dieser Film zuletzt diverse Preise eingefahren habe – unter anderem den Deutschen Fernsehpreis 2024. Er sei überzeugt, dass Filme wie dieser, etwas bewirken könnten, betont Dennis Duis. „Solche Projekte tragen ganz sicher dazu bei, Menschen zu sensibilisieren und aufzuklären. Und Preise helfen dabei, einen Film bekannter zu machen, damit mehr Menschen ihn sehen wollen.“
Pressekontakt: Dennis Duis, Tel.: +49 176 51502115, E-Mail: duisdennis@googlemail.com
Autorin: Anne-Katrin Wehrmann
Bildmaterial: Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.
Foto 1: Film-Szenograf Dennis Duis im Fundus des Bremer Theaters. ©WFB/Björn Hake
Foto 2: Duis verleiht Filmen mit seinen Bildern eine besondere Tiefe. ©WFB/Björn Hake
Foto 3: Dennis Duis widmet sich historischen Geschichten. ©WFB/Björn Hake
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