Bremer Köpfe: Wilhelm Wagenfeld
Tourismus#100jahrebauhaus Zugegeben – ganz so viel zum Thema „Bauhaus“ hat Bremen nicht zu bieten. Die eine oder andere Architektur an der Weser mag an den typischen Stil der Weimarer Kunstschule erinnern, aber viel taucht hier nicht auf. Manchmal aber muss es ja auch gar nicht viel sein. Manchmal reicht ein Name, eine Person, die mit ihrem Wirken Großes geleistet hat. Und diesen einen Namen hat Bremen: Wilhelm Wagenfeld.
Wie einflussreich schon die frühen Arbeiten des in Bremen geborenen Designers waren, beweist seine weltberühmte Leuchte. Schon vier Jahre nach Entwicklung bekam die Arbeit den Beinamen Bauhaus-Leuchte, der sich schnell einbürgerte. So sehr schien der damals erst 28-Jährige die Idee der Kunst- und Designschule verstanden und in einem einzigen Entwurf zum Ausdruck gebracht zu haben.
Früher Wissensdurst
Um mehr über Wilhelm Wagenfeld zu erfahren, treffe ich mich mit Frau Bulk und Frau Hager vom Wilhelm Wagenfeld Haus am östlichen Eingang zur Innenstadt. Seit 1998 ist die gleichnamige und fünf Jahre ältere Stiftung in dem im klassizistischen Stil errichteten Gebäude ansässig. Gemeinsam mit Frau Bulk schaue ich auf die Anfänge des Lebens und Schaffens Wilhelm Wagenfelds. Als ältester von drei Geschwistern 1900 in Bremen geboren, aufgewachsen in Walle – so lauten die knappen Eckdaten. Er stammte aus einem politisch geprägten Elternhaus. Sein Vater war Vertrauensmann der Hafentransportarbeiter.
Mit 14 Jahren begann Wilhelm Wagenfeld eine Lehre zum Industriezeichner in der Bremer Silberwarenfabrik Koch & Bergfeld. Schon früh in seinem Leben sei er so interessiert an Kunst und Literatur gewesen, dass er bald nach Beginn seiner Ausbildung die Vereinbarung mit seinem Arbeitgeber traf, die hauseigene Bibliothek nutzen zu dürfen. So erzählt mir Kathrin Hager, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Wilhelm Wagenfeld Stiftung. Hierfür sei er jeden Tag in aller Frühe von Walle aus zu Fuß in die östliche Neustadt zu Koch & Bergfeld gelaufen und habe sich noch vor Arbeitsbeginn in die Bibliothek gesetzt.
Seine erste künstlerische Ausbildung erhielt der junge Schüler parallel ab 1916 an der Staatlichen Bremer Kunstgewerbeschule, die gewissermaßen als Vorläufer der heutigen Hochschule für Künste (HfK) gilt. Anschließend besuchte er die Hanauer Zeichenakademie.
Bis er 1923 mit der Vorklasse am Bauhaus in Weimar begann, hatte der 23-Jährige also schon fast zehn Jahre Ausbildung und Erfahrung in Sachen Handwerk und Kunst angesammelt. Vielleicht sei gerade die Kombination die perfekte Grundlage für seinen Erfolg am Bauhaus gewesen, vermutet Frau Bulk während unseres Gesprächs. Die Idee des Bauhaus nach dessen Begründer Walter Gropius sei schließlich auch eben jene Zusammenführung von Kunst und Handwerk gewesen.
Nur ein knappes Jahr brauchte es also, bis Wilhelm Wagenfeld 1924 seinen Entwurf der der Bauhaus-Leuchte entwickelt hatte.
Bremer Bezüge
Auch wenn Wilhelm Wagenfeld schon früh seinen Geburtsort Bremen verlassen hat, so blieb ihm seine ursprüngliche Heimat stets verbunden. Frau Bulk erzählt, dass Wagenfeld eine der ersten Bauhaus-Leuchten an seine Eltern nach Bremen schickte. Jahrelang hätten sie sie stolz bei sich stehen gehabt, bis die Leuchte nach dem Tod der Eltern wieder bei Wagenfeld selbst landete, der inzwischen in Stuttgart lebte. Die Wilhelm Wagenfeld Stiftung konnte sie schließlich in den 1990er Jahren in den Kreis des von ihr verwalteten Nachlasses aufnehmen. So fand die Leuchte wiederum den Weg nach Bremen und ist heute im Wagenfeld Haus untergebracht.
Auch die Wiederaufnahme der Produktion der Bauhaus-Leuchte übernahm eine Bremer Firma: Tecnolumen produziert seit 1980 die berühmte Leuchte und ist damit weltweit der einzige lizensierte Hersteller.
Frau Bulk berichtet noch von einer Beobachtung. Auf ihrem Nachhauseweg zählt die Museumsdirektorin oft, wie viele der Leuchten sie in den abendlich beleuchteten Fenstern der Bremerinnen und Bremer entdecken kann. Der Rekord auf ihrem Weg nach Schwachhausen liege bei 18 Leuchten.
Alltags-Design für alle
Die Beobachtung passt zu Wagenfelds oberstem Gebot, das er Zeit seines Schaffens vertrat. Er wollte hochwertiges Design für alle herstellen. Seine industriellen Güter wie Kannen, Gläser, Lampen, Besteck-Sets, Salz- und Pfefferstreuer finden sich in unzähligen Haushalten. Auch bei mir zuhause stellt sich ein kleiner Salzstreuer den täglichen Belastungen und sieht dabei auch noch ziemlich gut aus.
Bei seinen Entwürfen folgte Wagenfeld stets seinem ausgeprägtem Sinn für Perfektion. Ich spreche mit Frau Bulk über seine Wesenzüge, die sie vor allem anhand seiner Arbeit ablesen und deuten kann. Zu eben jenem Perfektionismus gehöre wohl auch eine ordentliche Portion Ausdauer. In seinen Entwurfsskizzen erkenne man, wie der Designer immer wieder Formen und Linien gezeichnet und überarbeitet habe, bis sie ihm endlich gefielen. Das sehe man deinen Stücken an. Klare, gerade Linien. Selbst der von mir so gerne verwendete Salzstreuer ist trotz seiner ziemlich organischen Form dennoch sehr konsequent und irgendwie geradlinig.
In Wagenfelds Ansatz, Design für den alltäglichen Gebrauch und für alle zugänglich machen zu wollen, steckt wohl auch ein Sinn für Gerechtigkeit. Hinzu kam sein Vermögen für eine ganzheitliche Sichtweise auf die Dinge. Schon früh begann er zu seinen Entwürfen immer auch ein Marketingkonzept zu entwickeln und verschaffte sich so bei Unternehmen wie beispielsweise WMF große Beliebtheit.
In Stuttgart in seiner Werkstatt entwarf er noch bis Ende der 70er Jahre. Schließlich starb er im Alter von 90 Jahren.
Wenige Tage nach meinem Besuch im Wilhelm Wagenfeld Haus entdecke ich abends auf meinem Nachhauseweg eine Bauhaus-Leuchte in einem Fenster. Wie selbstverständlich erleuchtet sie in kleinem Radius die winterliche Dunkelheit. Vielleicht, so denke ich, spiele ich Frau Bulks Spiel von nun an auch. Ich bin gespannt, wie viele der Leuchten ich in den Bremer Fenstern entdecken werde.
Übrigens: Im heutigen Wilhelm Wagenfeld Haus saß die Giftmörderin Gesche Gottfried früher ein. Ingrid hat die alte Ostertorwache schon einmal besucht.
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