Arbeit und Betreuung unter einem Dach
Innenstadt im WandelWork & Play am Wall: Bremerin macht sich für Vereinbarkeit stark
Flexible Betreuung für Kinder in Bremen – mit Work & Play schafft Gina Hardt eine Betreuungsalternative. Maximal 15 Stunden pro Woche können Bremer Eltern ihre Kinder hier unterbringen und im Coworking-Space gleichzeitig einen Schreibtisch mieten.
Arbeit und Karriere mit Familie und Kinderbetreuung zu verbinden, ist für Eltern eine Herausforderung. Die Bremer Gründerin Gina Hardt möchte genau da ansetzen und kombiniert mit ihrem Angebot Work & Play Arbeit und Betreuung unter einem Dach. „So kann man ortsunabhängig arbeiten und bekommt eine niedrigschwellige Betreuung“, sagt sie. Das Konzept kommt gut an: Die Nachfrage nach ihrem im Sommer gestarteten Co-Working-Space mit flexibler Kinderbetreuung nimmt zu.
Neben dem Hauptjob ein Konzept entwickelt
2021 begann für Gina Hardt ein neuer Lebensabschnitt: Zusammen mit ihrem Freund und ihrem erst wenige Monate alten Sohn zog sie von Berlin nach Bremen. Die studierte Soziologin hatte immer gerne gearbeitet, doch mit dem Nachwuchs verschob sich ihr Fokus. „Es war schwieriger als erwartet, Kind und Arbeit zu vereinbaren“, erzählt sie. Die 34-Jährige kann sich noch gut an den Moment erinnern, in dem „Klick“ machte: Es war einer dieser Tage, als sie in einem Café im Bremer Viertel saß und an ihrem Laptop arbeitete. Ihr kleiner Sohn hatte Beschäftigung in einer kleinen Spielecke gefunden. Da kam ihr die Idee, es sei wie ein Geistesblitz gewesen: Warum nicht Arbeit und Betreuung unter einem Dach vereinen?
„Ich habe dann recherchiert und gemerkt, dass es in Bremen solche Angebote bisher nicht gab“, erinnert sich Gina Hardt. Die junge Mutter war angefixt von der Idee und entwickelte schließlich neben ihrem Hauptjob bei der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung ein passendes Konzept. Als Soziologin hatte die junge Mutter bereits einige Schnittstellen zu dem Thema. Sie stieg immer tiefer in die Materie Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein und ließ sich bei der IHK zur Vereinbarkeitsmanagerin weiterbilden. „Es hat mich nicht mehr losgelassen“, sagt Gina Hardt. Auch persönlich ist ihr das Thema eine Herzensangelegenheit: „Chancengleichheit hat mich immer angetrieben, gerade im Bildungsbereich.“
Work & Play soll bei kurzfristigen Ausfällen greifen
Bei ihren Recherchen stellte sie fest: In Bremen gibt es eine große Lücke zwischen Angebot und Nachfrage. Dieser Zustand erschwere den Familien die Unvereinbarkeit ihres Jobs und ihrer Kinder, sagt Gina Hardt. „Es brauchte einfach mehr flexible Angebote zur Kinderbetreuung“, so die Bremerin.
Doch was genau benötigen junge Familien in der Hansestadt? „Die Bedarfe sind natürlich sehr unterschiedliche und jede Situation ist individuell“, weiß die 34-Jährige. Um der Frage genauer auf den Grund zu gehen, lud Gina Hardt mehrere Eltern aus Bremen zu Workshops ein, um das Wie nach einem flexiblen Betreuungsangebot genauer zu ermitteln. „Mein eigentlicher Gedanke war eine feste Kita, aber in den Workshops stellte ich fest, dass der Bedarf gar nicht da war“, berichtet die Gründerin. „Das Problem waren vielmehr die kurzfristigen Bedarfe.“
Dieser Schwierigkeit möchte Gina Hardt mit ihrem Angebot aus Co-Working und Kinderbetreuung entgegenwirken und Eltern mehr kurzfristige Flexibilität ermöglichen. Maximal 15 Stunden pro Woche können Bremer Eltern ihre Kinder bei den Betreuerinnen von Work & Play unterbringen. Dafür wurde am Wall ein kinderfreundlicher Raum mit Spiel- und Wickelmöglichkeiten geschaffen. „Eine niedrigschwellige Betreuung, die bei Engpässen greift“, fasst die Vereinbarkeitsmanagerin ihre Idee zusammen. Denn nicht nur kurzfristige Bedarfe stellen so manche Elternteile in Bremen vor große Herausforderungen bei der Betreuung. Auch der Wiedereinstieg nach Elternzeiten, sich spontan ändernde Termine oder unterjährig geborene Kinder erschweren Familien die Vereinbarkeit von Beruf und Nachwuchs.
„Betreuungsangebote müssen flexibel sein“
Zielgruppe des Angebots sind Eltern, die eine Überbrückungsmöglichkeit suchen, so wie Felix Ziegler. „Ich war auf der Suche nach einer Kinderbetreuung für den Juli, weil wir da ein kleines Kinderbetreuungsproblem hatten“, berichtet der Entwickler aus Bremen. So nutzte er im Juli die Möglichkeit, in dem Co-Working-Space am Wall zu arbeiten, während seine Tochter dort betreut wurde. Für den Bremer eine Win-Win-Situation. Inzwischen ist seine Tochter in einer Regelbetreuung, den Co-Working-Space nutzt er weiterhin. Neben Angestellten soll mit dem Angebot von Gina Hardt auch Selbstständigen sowie Freiberuflerinnen und Freiberufler unter die Arme gegriffen werden. „Gerade hier müssen die Betreuungsangebote besonders flexibel sein“, sagt sie.
Work & Play ist Teil des neuen Kreativ- und Innovationskontor am Wall, das von der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) im Rahmen der Ansiedlungsförderung „City UpTrade – Anschubfinanzierung für dein Business in Bremen“ unterstützt wird. Mit dem Programm soll die Ansiedlung von Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleistungen oder Handwerk gefördert werden. Gina Hardt war eine der ersten Mieterinnen des Kreativ- und Innovationskontors. Gefördert wird die monatliche Kaltmiete der Gewerbefläche in Form eines Mietkostenzuschusses bis maximal Ende 2024. „Dank der zeitlich flexiblen Mietkonditionen kann ich das Projekt testen und schauen, ob es tragfähig ist“, sagt Gina Hardt. „Zudem profitiere ich von dem neuen Ort für Gründer:innen und dem Netzwerk, das hier entstehen wird.“
Hilfe des Mentoring-Programms vom Starthaus Bremen
Unterstützung bekam die Gründerin auch vom Starthaus Bremen: Gina Hardt nahm am Programm „Mentoring by Starthaus“ teil, das Gründerinnen und Jungunternehmerinnen durch ein 1:1-Mentoring fördern soll. „Das war sehr hilfreich für mich“, erzählt die Bremerin. Die Gründerlandschaft in der Hansestadt mache es Start-ups sehr leicht neue Ideen zu etablieren: „Ich finde es total faszinierend, wie einfach es ist, sich in Bremen zu vernetzen“, sagt sie. „Ideen sprechen sich sehr schnell rum und auch die Wirtschaftsförderung Bremen ist sehr offen, was neue innovative Konzept betrifft.“
Bisher werde ihr Angebot sehr gut angenommen von den Bremer Eltern. „Aber Work & Play kann kein Ersatz für die Regelbetreuung sein“, betont sie. Dafür müsse sich strukturell noch einiges tun. Die größten Probleme sieht die Unternehmerin darin, dass es familienpolitisch zu wenig Möglichkeiten zur gleichberechtigten Aufteilung gibt, die Elternzeiten von Vätern noch immer zu gering sind und nach wie vor mehr Care-Arbeit und Teilzeit bei den Frauen liege. „Es gibt noch viele Rollenbilder, die aufzubrechen sind“, sagt Gina Hardt.
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