Mit dem Binnenschiff unterwegs auf der Weser
Maritime Wirtschaft und LogistikSeehafenhinterlandverkehr wichtiger Baustein im Transportgeschäft
Lange bevor die Verkehrswege an Land ausgebaut waren, wurden bereits die Wasserstraßen genutzt. Das Potenzial dieses besonders sicheren Verkehrsträgers ist noch immer groß, zumal er beim Umweltschutz richtig punkten kann. Ein Beispiel dafür sind Containertransporte von Bremen nach Oldenburg auf der Weser und der Hunte. Zu Besuch an Bord der „Esmee“.
Von Rost keine Spur. Die 45 Jahre alte „Esmee“ ist in bester Verfassung und top gepflegt. Und die klangvolle Namenswahl des Eigners und Schiffsführers Bert Bos sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Binnenschiff mit 1.200 PS über genügend Power verfügt, um eine Vielzahl von Transportaufgaben zu erfüllen. 30 Leercontainer à 20 Fuß sind an diesem Morgen bereits an Bord. Sie wurden schon am Vortag in Bremerhaven geladen. Nun liegt die knapp 85 Meter lange „Esmee“ an der Kaje des Kalihafens in Bremen und wartet auf die Verladung von 24 weiteren Boxen durch den Logistikdienstleister Tiemann. Kurz nach Schichtbeginn sind die Container mithilfe der Reachstacker schnell an ihrem Platz auf dem Deck. Nur mit dem Losfahren muss der gebürtige Niederländer noch warten, denn bereits kurz nach dem Verlassen des Kalihafens wartet die Oslebshauser Schleuse.
„Die ‚Esmee‘ will von innen nach außen schleusen“, gibt der Kapitän über Funk an bremenports durch. Sofort geht das jedoch nicht: Ein Seeschiff hat die Schleuse für acht Uhr bestellt. Für den 50-Jährigen bedeutet das eine gute halbe Stunde Wartezeit. „Manchmal bringt es etwas, wenn wir uns melden, bevor wir fertig sind“, sagt er, „in diesem Fall leider nicht.“ Etwas gibt es jedoch vor der Abfahrt auch noch zu tun: Der Matrose Bartosz muss vor dem Ablegen die Containernummern aller geladenen Container notieren. Und Wartezeiten sind ohnehin Alltag für die zweiköpfige Crew.
Oberwasser für umweltfreundlichsten Verkehrsträger
Anders als bisweilen angenommen, ist das Binnenschiff auf manchen Strecken allerdings fast so schnell wie der Lkw. Beispielsweise auf der Strecke von Bremen nach Bremerhaven. „Bis zu 30 Kilometer pro Stunde können wir fahren“, erläutert Bos. „Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt allerdings bei etwa zehn Kilometern pro Stunde.“ Im Gegenzug beträgt die erlaubte Arbeitszeit auf Binnenschiffen mit einem Kapitän an Bord bis zu 14 Stunden täglich. Das sind im Vergleich zu Lkw-Fahrern in der Regel sechs, ansonsten zumindest vier Stunden mehr. Zudem sind längst nicht alle Containerlaufzeiten zeitkritisch, und die Standzeiten an den Terminals verkürzen sich beim Binnenschiffstransport deutlich.
Vor allem aber entlastet jede Tonne, die über die Wasserstraße befördert wird, die ohnehin überfüllten Straßen und Autobahnen und damit die Umwelt. Dass diese Vorteile immer mehr gesehen werden, zeigen auch die aktuellen Zahlen: 2017 wurden mit insgesamt 227,7 Millionen Tonnen Güter 0,6 Prozent mehr als noch im Vorjahr über die deutschen Bundeswasserstraßen transportiert. Einen besonderen Boom erreichte dabei das Containergeschäft: Mit 2,6 Millionen TEU wurden 2017 im Vergleich zum Vorjahr 5,3 Prozent mehr Boxen befördert.
Die Triebfedern dafür waren die fortschreitende Containerisierung und der hohe Anteil der Binnenschifffahrt am Hinterlandverkehr der großen Seehäfen. Auch Bos bestätigt: „Mit der aktuellen Marktsituation bin ich zufrieden.“ Seit 2017 fährt die Esmee“ für eine Tochtergesellschaft der mittelständischen Unternehmensgruppe Rhein-Umschlag aus Oldenburg – die WCX Weser Container Xpress. Deren Gründung im Sommer 2016 zeigt ebenfalls, dass es in der Binnenschifffahrt noch unausgeschöpftes Wachstumspotenzial gibt. Ein Beispiel dafür ist die nach Angaben von Bos rund 45 Kilometer lange Etappe zwischen Bremen und Oldenburg auf der Weser und der Hunte. Genau wie die Mittelweser wird diese Strecke für Containertransporte im Seehafenhinterlandverkehr genutzt.
Verbesserungspotenzial bei der Infrastruktur
Während die „Esmee“ die Oslebshauser Schleuse schnell passiert hat und hierfür anders als ein Seeschiff keinen Festmacher benötigt, hängt die Fahrtgeschwindigkeit vom Wasserstand ab. „Mit einem leerem Schiff geht das immer“, sagt Bos. Ansonsten hängt es vom Ladungsgewicht ab. Problematisch für den Binnenschiffsverkehr ist dann allerdings die Hunteklappbrücke, die nur zwei Stunden vor Sonnenaufgang und bis zwei Stunden nach -untergang mit einem Brückenwärter besetzt ist. Zunächst gilt es aber, das Huntesperrwerk zu passieren, das Elsfleth vor Hochwasser schützt. Geschwind hat Bos die Radarmasten am Bug und Heck des Schiffs heruntergefahren, aber der Sperrwerkführer, mit dem der Schiffsführer über Funk im Kontakt ist, war vorausschauend und hat die Brücke schon angehoben.
Ein Hindernis für die Ladungsmenge ist die Brücke dennoch: Die begrenzte Durchfahrtshöhe ist der Grund dafür, dass die „Esmee“ auf dieser Strecke nicht noch eine Lage mehr Container transportieren kann. Was dem aufmerksamen Kapitän noch auffällt, ist der schlechte Zustand des verbauten Holzes an der Eisenbahnbrücke Elsfleth. Keiner fühle sich dort zuständig, bedauert Bos.
Nicht immer freie Fahrt
Dann muss sich der Schiffsführer allerdings erst einmal voll auf die Navigation konzentrieren. Die Hunte ist nämlich an einigen Stellen so schmal und kurvig, dass er bei Gegenverkehr an besonders engen Stellen ganz genau aufpassen muss, selbst wenn er dann die Geschwindigkeit auf bis zu drei Stundenkilometer drosselt. Schnell entsteht sonst ein Sog, der das Schiff an den Uferrand zieht. Ein gutes Gespür für das Schiff ist daher unerlässlich. Bos hat an diesem Tag immerhin den Vorteil, dass er gegen den Strom fährt, also bergauf, wie es in der Binnenschifffahrt heißt. „Für mich ist es einfacher zu navigieren als für das entgegenkommende Schiff.“
Um einen besonders guten Überblick zu haben, hat der Kapitän zudem das Steuerhaus hochgefahren – möglich ist das bis auf zwölf Meter über der Wasserhöhe. Das ist nicht nur praktisch, sondern auch einfach schön: „So kann ich mal über den Deich gucken.“ Viel Zeit zum Genießen bleibt nicht. Schließlich warten auf den gelernten Elektriker bereits neue Herausforderungen. An den Eisenbahnbrücken kommt es für den Binnenschiffer durch den Zugverkehr immer wieder zu Wartezeiten. Und was gut für den JadeWeserPort ist, nämlich die zunehmende Zahl von Zugverbindungen, bedeutet für die Binnenschifffahrt eine weitere Einschränkung: „Wenn künftig mehr Züge zwischen Wilhelmshaven und Oldenburg fahren, bleibt die Brücke wahrscheinlich länger geschlossen“, befürchtet Bos.
Das droht auch immer wieder bei der 1927 gebauten Cäcilienbrücke in Oldenburg, die die Innenstadt mit dem Stadtteil Osternburg verbindet. „Sie ist sehr kälte- und hitzeempfindlich, und wenn es zum Beispiel wärmer als 22 Grad ist, lässt sie sich wegen der wärmebedingten Ausdehnung nicht mehr öffnen“, erläutert Bos. Zunächst geht es für die „Esmee“ erst einmal in die Schleuse Oldenburg. Ist das nicht zu knapp? „Nein“, lacht Bos, „diese Schleuse ist zwölf Meter breit und das Schiff nur neuneinhalb. Aber in Minden an der alten Schleuse mit einer Breite von nur zehn Metern, da sind es dann tatsächlich nur noch 20 Zentimeter an beiden Seiten.“ Langsam fahren ist allerdings in beiden Schleusen erforderlich. Pünktlich am Ziel wird Bos trotzdem sein. Binnenschiffe mögen zwar nicht die schnellsten sein, in Sachen Ökobilanz und Zuverlässigkeit macht ihnen aber so schnell keiner etwas vor.
Dieser Artikel stammt aus der Juni-Ausgabe des Magazins Logistics Pilot, herausgegeben von bremenports.
Weitere Informationen zum Logistikstandort Bremen und Bremerhaven erhalten Sie hier oder bei Andreas Born, Innovationsmanager Maritimes Cluster Norddeutschland und Industrie 4.0 , Tel. 0421 361-32171, andreas.born@wah.bremen.de
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