Mit intelligenter Software den Meeresboden entdecken
Maritime Wirtschaft und LogistikBremer Start-up PlanBlue aus dem Max-Planck-Institut macht mit seiner Technologie neuartiges Monitoring möglich
Eines der letzten großen Geheimnisse des Erdballs liegt tief im Wasser. Wie genau der Grund beschaffen ist, wie es um Tier- und Pflanzenwelt bestellt ist, wo das Ökosystem empfindlich gestört ist - all das wissen wir derzeit nur in Ausschnitten. Vier junge Wissenschaftler aus Bremen wollen das ändern. Mit ihrem Unternehmen PlanBlue GmbH (zuvor HyperSurvey GmbH) bringen sie eine neue Technologie für das Monitoring des Meeresbodens auf den Markt. Derzeit arbeiten sie mit Hochdruck am Prototypen, akquirieren weltweit Kunden und suchen nach Investoren.
Gibt es Zufälle im Leben? Dr. Joost den Haan spricht lieber von einer guten Fügung der Dinge. Wenn er zurückblickt, dann hat sich in den vergangenen zehn Jahren ein Puzzle konsequent zu einem stimmigen Ganzen entwickelt. Doch, dass der Meeresbiologe aus den Niederlanden jemals in Deutschland eine Firma gründen wird, hätte er sich nicht träumen lassen. Seit 2007 ist Joost den Haan mit der Monitoring-Industrie vertraut, taucht nicht nur leidenschaftlich gern als Hobby, sondern auch für wissenschaftliche Studien. Seine Doktorarbeit schrieb der 35-Jährige in Amsterdam und Curacao über Korallenriffe. Die Aufnahmen der Pflanzen und die Beurteilung der Situation unter Wasser „kostete wahnsinnig viel Zeit und es machte eine immense Arbeit, all die Daten zu verarbeiten“, erinnert er sich.
Ein weiteres Schlüsselerlebnis hatte er beim Tauchen mit Studenten vor acht Jahren. Sie sollten die Tauchstelle objektiv beurteilen. „Es war ein Ort, an dem das Korallenriff nur noch zu einem Prozent intakt war. Es gab fast nur Bakterienmatten und Algen. Als die Studenten aber sagten, dass sie das Riff als gut beurteilen würden, da war mir sofort klar, dass man eine komplett neue Methode finden muss, den Meeresboden zu analysieren und darzustellen, so dass auch Menschen mit wenig Hintergrundwissen merken, in welchem schlechten Zustand sich die Unterwasserwelt befindet“, erklärt Joost den Haan. Es blieb bei der Idee im Kopf und erst, als ihn der Weg - oder doch der glückliche Zufall - drei Jahre später durch seine Frau ans Max-Planck-Institut nach Bremen führte, sollte aus der Vision etwas Neues werden. Während er in der Bibliothek an seinen wissenschaftlichen Publikationen schrieb, bekam er Kontakte in eine Forschungsgruppe, die einen Spezialisten für Korallenriffarten benötigten, um einer intelligenten Software Wissen beizubringen. So lernte Joost den Haan eine neue Technologie kennen, in der er sofort Potenzial sah.
Leidenschaft für Unterwasserwelt
Heute ist der Wissenschaftler Joost den Haan Mitgründer und Geschäftsführer von PlanBlue. Das vierköpfige Team profitierte bei diesem Schritt vom EXIST Gründerstipendium – „ohne diese Zusage hätten wir die Selbstständigkeit nicht gewagt“, sagt er stellvertretend für sein Team; auch einer dieser glücklichen Zufälle. Die Fäden laufen im MPI und dem Technologiepark rund um die Universität zusammen. Raja Kandukuri (29) ist Hardwareexperte, „baut und tüftelt immer an Maschinen“, schmunzelt den Haan. Im Institut fand man, beide würden gut zusammenpassen - „und sie hatten recht“.
Der Ingenieur und Elektrotechniker baut nach zwei Vorversionen des Max-Planck-Instituts nun am Prototypen des eigenen Produktes, genannt „DiveRay“. Es ist eine spezialisierte Unterwasserkamera mit dem der Meeresboden abgescannt werden kann. Gerade hat den Haan die Kamera auf Curacao getestet. Das Herzstück der Kamera ist eine intelligente Software, die ohne den Experten Guy Rigot (36) nicht hätte weiterentwickelt werden können. Wie Joost den Haan kommt er aus den Niederlanden und arbeitete jahrelang für einen Raumfahrtkonzern in Bremen. Nach einem gemeinsamen Bier war klar, dass sie zusammen etwas bewegen wollen und es fortan für Rigot in die Tiefe statt Höhe gehen sollte. Abgerundet wird das Team von Dr. Hannah Brocke (36). Die Meeresbiologin hat sich auf Business Development und Fundraising spezialisiert. „Dass sie auf viele Dinge nochmals einen anderen Blick hat, hilft uns ungemein“, sagt Joost den Haan, der mit ihr nicht nur eine weitere Expertin, sondern auch seine Partnerin im Unternehmen hat. Teamsprache ist Englisch – universell, wie der weltweit geplante Kundenstamm.
Idealismus gehört dazu
Dass Plastikmüll nichts im Ozean zu suchen hat und einen wertvollen Lebensraum zerstört, das zeigen gerade wieder aktuell eindrucksvoll Bilder von verendeten Fischen. „Wir möchten etwas Gutes tun und zeigen, wie wichtig die Unterwasserwelt für uns Menschen ist“, verdeutlicht den Haan. Der nachhaltige Aspekt ist aber nur eine Facette. Gut 95 Prozent des Meeresbodens seien noch unentdeckt - „viel Raum für unsere Technologie, von der viele Branchen profitieren können“.
Der „DiveRay“ der Bremer Gründer bietet eine schnellere und kosteneffizientere Methode als bisher, um den Meeresboden zu kartografieren und detaillierte Erkenntnisse zu gewinnen. Das Unternehmen hat ein Computerprogramm entwickelt, mit dem objektive und präzise Karten erstellt und Informationen gewonnen werden können. Sie bedienen sich zudem der hyperspektralen Bildgebung. „Im All hat man damit schon sehr erfolgreich komplexe Informationen und Daten sammeln können, wir machen damit jetzt den Meeresboden sichtbar“, erläutert Joost den Haan und ergänzt: „Wir haben schon zwei Kilometer vor der Küstenlinie kein deutliches Bild mehr von dem, was auf dem Meeresgrund ist.“
Wachsen durch Gründerstipendium und Accelerator
Die Gründer werden flügge. Gerade sind sie aus der wissenschaftlichen Heimat, dem Bremer Max-Planck-Institut für marine Mikrobiologie (MPI), ausgezogen. Nur wenige hundert Meter weiter haben sie im Technologie- und Gründerzentrum BITZ der Bremer Wirtschaftsförderung erste eigene Räumlichkeiten gefunden. Ein Schritt, der dringend notwendig war - und das Start-up auf professionellere Füße stellt. Über das Programm „Climate-KIC“ in Berlin erhalten sie neben zusätzlichen finanziellen Mitteln zudem Coaching zu relevanten Themen wie Business Plan oder strategische Geschäftsaufbau. Gerade von letzterem profitiert das ganze Team derzeit enorm. „Wir reisen viel und sind im Gespräch mit (potentiellen) Kunden und Investoren immer mit professioneller Begleitung.“
Verhandlungen laufen gerade in Frankreich, den USA, der Karibik, aber auch in Deutschland. Ende des Jahres gibt es Gespräche in Neuseeland. Den Haan stößt auf offene Ohren und Interesse. Seine Vorteile: „Es ist eine völlig neue Technologie für den Monitoringmarkt, die niemand anderes zur Verfügung stellen kann und daher ein riesiges Marktpotenzial hat“. Private Unternehmen wie Behörden und NGOs können von den Aufnahmen mit dem „DiveRay“ profitieren. Eine Schlüsselposition haben für das Team von PlanBlue derzeit „Environmental Consultants“, also Umweltberater, die die Technologie bei ihrer Arbeit nutzen und in ihr Netzwerk tragen.
Meeresdatenbanken für jedermann
Ziel ist es, auch die Öffentlichkeit über den Zustand der Meere aufzuklären, beziehungsweise eine wissenschaftlich basierte Standardbibliothek für den Meeresgrund anzulegen. Es gilt die Blackbox mit Leben zu füllen. „Unser Apparat braucht Infos, je mehr, desto besser.“ Und noch braucht der „DiveRay“ auch einen Menschen, der ihn führt. Bis zu 30 Meter tief wird derzeit getaucht, den Haan und Brocke leiten als erfahrene Taucher die Kunden aktuell noch selber an. Mit einem Prototypen ist der Schritt in die weitere Entwicklung zur Serienproduktion getan. „Wir wollen ein gutes Produkt bauen, unseren Vorsprung in der Software nutzen und ausbauen“, sagt der Gründer. Konkurrenz gibt es derzeit nur von einem Unternehmen, das sich aber auf die Tiefsee fokussiert habe. Das langfristige Ziel des großen Abenteuers PlanBlue: ein autonomes System. Dass die vier Gründer dahin nicht nur der Zufall führt, daran arbeiten sie täglich und sind überzeugt: „Wir sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort“.
Eine Übersicht der Förderangebote in Bremen erhalten Sie hier.
Weitere Informationen zu Unternehmensgründungen gibt es bei Ole Bast, Innovationsmanager, Freie Hansestadt Bremen, Tel.: 0421 9600 - 334, ole.bast@wah.bremen.de.
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Informationen zur Ansiedlung im Technologiepark gibt es bei Anke Werner, Unternehmensservice und Vertrieb, Projektleiterin Region Bremen Ost, 0421 9600-331, anke.werner@wfb-bremen.de.
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