Wie Bremer Forscher Eisberge, Ölteppiche und Piraten aus dem Weltraum beobachten
Maritime Wirtschaft und LogistikDLR-Team entwickelt Algorithmen zur Auswertung von Satellitendaten
Dass es vorteilhaft sein kann, die Erde zu verlassen, um sie dann aus der Ferne umso genauer beobachten zu können, beweist das Team um Dr. Sven Jacobsen am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Bremen. Die Forschungsgruppe entwickelt Algorithmen für die Auswertung von satellitengestützten Radaraufnahmen. Mit Hilfe dieser Algorithmen kann das Meer genau beobachtet werden – Piratenschiffe eingeschlossen.
TerraSAR-X erstellt genaue Bilder von der Erdoberfläche
Auf den ersten Blick wirken die Bilder an den Wänden von Dr. Sven Jacobsens Büro im Bremer Institut für Methodik der Fernerkundung des DLR wie Fotos. Die ostfriesische Insel Borkum ist zu erkennen, Strand und Wellen – sogar die Containerbrücken in Bremerhaven. Jacobsen zeigt auf die Brücken: „An dieser Struktur kann man erkennen, wie ein Satellit die Radarwellen empfängt. Die Brücke ist mehrfach dargestellt, denn das Signal wird einerseits vom Objekt selbst zurückgeworfen, zum Teil aber auch aufs Wasser gelenkt und von dort wieder an den Satelliten reflektiert.“
Die Bilder stammen von Aufnahmen, die der von Airbus und dem DLR entwickelte Satellit TerraSAR-X gemacht hat. In etwa 500 Kilometer Höhe kreist er auf einer polaren Umlaufbahn, ein Umlauf dauert 90 Minuten. Er fliegt immer genau auf der Tag/Nacht-Grenze und kann so entweder in den frühen Morgen- oder späten Abendstunden Bilder beispielsweise über Europa machen. Weil die Erde sich in der Umrundungszeit unter dem Satelliten nach Osten dreht, fliegt TerraSAR-X bei jeder Umrundung auf einem anderen Längengrad. Die Flugbahn deckt innerhalb von elf Tagen die gesamte Erdoberfläche ab. Dasselbe Gebiet kann durch eine Ausrichtung der Antenne alle zweieinhalb Tage aufgenommen werden.
Mehrere Satelliten zusammen erstellen ein komplettes Bild der Erde
Damit ein komplettes Bild der Erde entsteht und häufigere Beobachtungen eines Gebietes möglich sind, werden die Daten verschiedener Satelliten ausgewertet und kombiniert. TerraSAR-X, die Sentinel-Satelliten des Copernicus-Programms der ESA und der japanische Alos II und weitere Satelliten auf unterschiedlichen Bahnen bilden so ein Netzwerk um die Erde.
Satelliten-Aufnahmen bieten ozeanografische und maritime Informationen
Die Aufnahmen von Satellitenbildern mit einem Synthetischen Aperture Radar (SAR) können auch aus großer Höhe vorgenommen werden. Die Atmosphäre ist für kurzwellige Radarstrahlung mit einer Wellenlänge von wenigen Zentimetern sehr durchlässig – auch Wolkenbildung stellt kein Problem dar. Weil der Satellit aktiv Radarsignale aussendet und empfängt, kann er im Prinzip Tag und Nacht Aufnahmen machen.
Die aus der reflektierten Radarstrahlung gewonnenen Aufnahmen zeigen über den Meeren Wellenfelder, aus denen sich sogar das Relief des Meeresbodens ableiten lässt. Über Land geben die Daten Aufschluss über die kommende Ernte oder die Art der Bepflanzung auf dem Festland. Mithilfe der Daten können Schiffe lokalisiert oder Küsteninformationen gewonnen und Brandung untersucht werden. Das lässt auch Rückschlüsse darüber zu, wo Piraten sich möglicherweise aufhalten, weil sie ihre Boote sicher ins Wasser bringen können.
In Echtzeit zur Anwendung
Neben den Algorithmen, um aus Radarbildern ozeanografische oder maritime Informationen abzuleiten, setzen Jacobsen und sein Team beim DLR die Verfahren außerdem in Form operationeller Prozessormodule um. Die Daten, die TerraSAR-X sammelt, werden vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Neustrelitz empfangen und unter anderem mit Software aus Bremen ausgewertet. Die Auswertung erfolgt innerhalb kürzester Zeit: 20 Minuten nachdem der Satellit die Daten heruntergesendet hat, stehen sie zur Verfügung.
Radar nutzt der Bundespolizei See
Die Daten sind für viele Einsatzgebiete interessant: Meteorologen etwa wünschen sich einmal täglich eine Ansicht der Nordsee, damit die Daten in ihre Wettermodelle assimiliert werden können und sie ein Startmodell haben, das schon bewiesen richtig ist. Weil man mit Hilfe von Satelliten Schiffe orten kann, ist die Anwendung auch für die maritimen Sicherheitsbehörden interessant: Auf diese Weise kann die AIS-Information mit der tatsächlichen Position des Schiffs abgeglichen werden – die Bundespolizei See kann so auch Schiffe lokalisieren, die ihr AIS manipuliert oder ganz ausgeschaltet haben. Sie kann auch die Verursacher von Ölverschmutzungen ausmachen: Durch verschiedene Algorithmen lässt sich beispielsweise feststellen, ob es sich bei Farbabweichungen auf der Wasseroberfläche um Öl handelt. Die Bundespolizei See kann dann Schiffe, die der Satellit lokalisiert, in Beziehung zu der Verschmutzung setzen. In der Deutschen Bucht und in europäischen Gewässern ist das System als „Clean Sea Net“ schon erfolgreich im Einsatz und hat dazu geführt, dass es zu deutlich weniger Ölverschmutzungen kommt. Auch für Schiffsrouten im Eismeer können Daten ausgewertet werden: Der Algorithmus findet Eisberge auf Schifffahrtswegen und und teilt das Meereis in polaren Gebieten in verschiedene Klassen ein. So erhalten Schiffe Informationen darüber, ob und wo sie auf Eis treffen werden, das für sie nicht zu passieren ist und können auf Basis der Eisdaten mögliche alternative Routen planen.
Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu Windfeldern – für Windparkbetreiber hochinteressant
Neben der Forschung für technische Anwendungen der SAR-Signalverarbeitung ist für Jacobsen und sein Team vor allem die Analyse der Daten und die Ableitung neuer grundlegender wissenschaftlicher Erkenntnisse interessant. Diese führen immer wieder zu neuen Anwendungsmöglichkeiten. So konnte die Bremer Arbeitsgruppe durch die Auswertung von Windfeldern in der Umgebung von Offshore-Windparks zeigen, dass die Wirbelschleppen von Windrädern viel länger sind als bisher angenommen: „Es hat sich gezeigt, dass der Windschatten eines mittelgroßen Windparks 50 bis 60 Kilometer lang sein kann. Bei der Planung wurde von etwa 10 Kilometer ausgegangen“, so Jacobsen. Werden Windparks im Windschatten anderer Parks gebaut, kommt es damit zu geringeren Erträgen aufgrund verminderter Windstärke. Dies müsste in die Ertragsprognosen einfließen, meint Jacobsen: „Außerdem wird durch ein Windrad feuchte Luft von der Wasseroberfläche in 200 Meter Höhe gewirbelt – in kältere Luftschichten. Das begünstigt eine lokale Wolkenbildung. Eine solide Datenbasis ist hier interessant für Betreiber von Windparks, Investoren und Rückversicherer sowie Umweltorganisationen. Das können wir heute leisten. Der Blick der Satelliten auf die Erde ergibt ein Bild mit vielen, zum Teil sehr überraschenden Details.“
Mehr Informationen zum Thema erhalten Sie bei Dr. Sven Jacobsen, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR), Institut für Methodik der Fernerkundung, SAR-Signalverarbeitung, Henrich-Focke-Straße 4, 28199 Bremen, T +49 421 24420-1852, Sven.Jacobsen@dlr.de
Mehr zur maritimen Wirtschaft in Bremen erfahren Sie hier oder bei oder bei Dr. Ralf Wöstmann, Referent Industrie und Cluster, Tel.: 0421 361-32176, ralf.woestmann@wah.bremen.de
oder bei Jörg Kautzner, Referent Industrie und Cluster, Tel.: 0421 361-32172, joerg.kautzner@wah.bremen.de
Erfolgsgeschichten
Vor seiner Pensionierung war er wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Interkulturelle und Internationale Studien sowie Leiter des Arbeitsbereich Wahlen und Parteien am Institut für Politikwissenschaft. Heute engagiert er sich beim Hannah Arendt Institut für politisches Denken und führt außerdem seine Forschung im Bereich "Regieren und Politik in Bremen" fort.
zum PorträtMit dem Einzug des Fachbereichs für Rechtswissenschaften und weiterer Institute der Universität Bremen in das ehemalige Gebäude der NordLB am Domshof entsteht ein lebendiger Ort im Zentrum der Stadt, der maßgeblich zur Entwicklung der Bremer City beiträgt. Tradition und Moderne verschmelzen in einer spannenden Architektur, die nicht nur Studierende begeistert.
Mehr erfahrenEs klingt unglaublich: Zuchtfische erhalten in Aquakulturen häufig Futter, für dessen Herstellung wild lebender Fisch gefangen wird. Um diesen Raubbau einzuschränken, arbeiten Fachleute der Hochschule Bremerhaven an einer Alternative. Mehlwürmer sollen den Proteinbedarf von Forellen, Lachs und Co. decken.
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