Zwischen Tradition und Wandel: die Zukunft der Einkaufsstraßen
Innenstadt im WandelWie das Land Bremen die Innenstadt revitalisieren will
Die Innenstädte verändern sich dramatisch. Wo hin bewegen sie sich, wie sieht die Innenstadt von morgen aus? Und wie können Städte diese Veränderung begleiten? Unsere Innenstadt-Expertin Larissa Kurtz zeigt in ihrem Gastbeitrag, wie die WFB dabei unterstützt.
Dramatisch verändert haben sich Innenstädte und ihre Einkaufsstraßen in den letzten Jahren durch globale Ereignisse wie die Corona-Pandemie und die Energiekrise, aber auch durch langjährige Trends wie den zunehmenden Online-Handel. Nach Prognosen des Handelsverbandes Deutschland (HDE) könnte der stationäre Einzelhandel in Deutschland von 2020 bis Ende 2024 rund 46.000 Geschäftsaufgaben verzeichnen. Dieser tiefgreifende Wandel spiegelt sich nicht nur in den zahlreichen Geschäftsaufgaben wider, sondern auch in der zunehmenden Verkleinerung der Ladenflächen und der Neuausrichtung der Ladenkonzepte.
Richtig ist aber auch: Innenstädte haben sich im Laufe der Geschichte immer wieder verändert und angepasst. Die Gestaltung der Einkaufsstraße der Zukunft erfordert daher ein Umdenken, um den veränderten Bedürfnissen der Konsumierenden gerecht zu werden. Doch wer muss umdenken?
Lebendige Städte als Gemeinschaftsaufgabe
Die Antwort ist klar – alle, Immobilieneigentümer:innen, Ladenbetreibende, Stadtteilinitiativen, Bürger:innen und auch die in den Behörden und der Politik Verantwortlichen. Hierbei helfen Dialogformate, um neue Gesprächsstrukturen zu schaffen. In Bremen zum Beispiel startete 2021 der „Immobilienwirtschaftliche Dialog“, initiiert von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Ziel ist es, mit Immobilieneigentümer:innen ins Gespräch zu kommen, sich über aktuelle Trends auszutauschen und gemeinsam Lösungen für eine zukunftsfähige Innenstadt zu erarbeiten. Ein wesentlicher Aspekt des Dialogs sind die Unterstützung bei der Konzeptsuche und die Vermittlung zu potenziellen Mieter:innen, aber auch Best-Practice-Beispiele und die Möglichkeit zum offenen Austausch, um beispielsweise über sonst kaum offen diskutierte Themen wie Miethöhen, Laufzeiten und neue kreative Rahmenbedingungen für ein attraktives Umfeld nachzudenken. Neben diesem Format initiieren die Akteurinnen und Akteure in der Innenstadt noch weitere offene Austausch- oder Beteiligungsformate, um die Interessen aller Zielgruppen berücksichtigen zu können.
Veränderungen zulassen und aktiv mitgestalten
Dem Sog der Veränderung hat sich der Handel längst unterworfen. Nachhaltigkeit, neue Ladenkonzepte, Events und Showrooms gehören vielerorts bereits zum festen Repertoire kleiner und großer Geschäfte. Dieser Trend wird sich intensivieren, Handelsnutzungen entwickeln sich zum Beispiel dahin, mehr Lebensgefühl zu vermitteln und sich auf Innovation, Kunst, urbane Produktion, Workshops, und passende Gastronomie zu konzentrieren. Einkaufen soll zum Erlebnis werden, wobei neben den etablierten Marken auch Existenzgründende ein „Zuhause“ finden und Angebote abseits des Mainstreams entstehen können. Dies trägt zu einer lebendigeren und vielfältigeren Innenstadt bei. Auch die Flächenzuschnitte verändern sich und werden in der Regel kleiner, um den Fokus auf neue, spezialisierte Angebote zu legen. Der damit sinkende Flächenbedarf führt zu einer Konzentration des Handels auf die Erdgeschosse, während die Obergeschosse zunehmend für Wohnen oder andere Nutzungen umgestaltet werden.
Der dritte Ort als zentrale Ressource
Aufenthaltsqualität ist ein wichtiges Stichwort für die Einkaufsstraße. Konsumfreie Räume im Innen- und Außenbereich, Fassadenbegrünungen und Angebote auf Dächern schaffen neue Anreize, sich in der Innenstadt wohlzufühlen und über einen längeren Zeitraum aufzuhalten. Begegnungsräume wie Spiel-, Sport-, Kunst- und Tanzflächen laden zum Zuschauen, Mitmachen und Verweilen ein. Das erhöht wiederum die Besuchsfrequenz in den Straßen und bringt potenzielle Kundschaft in den Handel.
Hier können öffentliche Einrichtungen agieren und ihre Stärken ausspielen. Bremen nutzte die letzten Jahre, um an verschiedenen Orten neue Konzepte zu erproben. Der Domshof, ein innerstädtischer, aber vergleichsweise wenig genutzter Platz, soll sich wandeln. Während die Nutzungsplanung voranschreitet, wurde 2022 der Open Space Domshof ins Leben gerufen und 2023 und 2024 wiederholt. Marktkonzerte, Clubabende, Wein- und Bierproben mit musikalischer Untermalung, After-Work-Veranstaltungen, Modenschauen – verschiedene Aktive aus der Stadt hatten die Möglichkeit, den Platz mit Leben zu füllen. Dieses Konzept übertrug Bremen auch auf andere Räume, wie zum Beispiel auf den Vorplatz des Bremer Hauptbahnhofs, der unter anderem mit einem Open-Air-Kino oder einem Beachvolleyballturnier bespielt wurde.
Ein weiterer Aspekt einer vielfältigeren Nutzung der Innenstadt findet sich im „(Con)temporary Crafts Studio“ in Bremen. Aus einer Ausschreibung hervorgegangen, soll hier die urbane (kunst)handwerkliche Produktion in die Stadtmitte zurückkehren. Es entstand ein Raum, in dem neben einem festen Angebot wechselnde Künstler:innen die Möglichkeit haben, zu produzieren, zu verkaufen und sich zu präsentieren. Das Projekt wird im Rahmen des Bundesprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ (ZIZ) durchgeführt.
Dem Handel gezielt und effektiv unter die Arme greifen
In Bremen stand der Handel in den letzten Jahren im Fokus verschiedener Programme, mit dem Ziel, diesen beim bestehenden Wandel zu unterstützen und dabei Vielfalt zu erhalten und zu fördern. In den Jahren 2020 bis 2022 initiierten die WFB und die Wirtschaftssenatorin mehrere Pop-up-Store-Wettbewerbe in der Bremer Innenstadt, um Unternehmen und Existenzgründenden die Möglichkeit zu geben, sich in der Innenstadt zu etablieren. Diese erhielten für einen jeweils definierten Zeitraum mietfreie Ladenflächen sowie Zuschüsse für Personalkosten und Ladeneinrichtung. Insgesamt konnten so acht Leerstände mit neuen, nachhaltigen Konzepten gefüllt werden, was zu einer Imageverbesserung der Innenstadt beitrug. Neben neuen Konzepten wurden zudem zwei Wettbewerbe für bestehende Händler:innen veranstaltet, die ihnen bei der Transformation halfen. Die Gewinner:innen investierten sowohl im Bereich der Ladenmodernisierung als auch in die Umgestaltung oder Steigerung der Aufenthaltsqualität.
Gezielte Ansiedlung von nationalen und internationalen Einzelhandelsunternehmen
Eine weitere Möglichkeit, Transformationsprozesse auf verschiedenen Ebenen zu begleiten, zu unterstützen und positiv zu beeinflussen, verfolgt die Wirtschaftsförderung Bremen mit einer auf die Bedürfnisse des Einzelhandels zugeschnittenen Ansiedlungsstrategie. Mehr als 400 potenzielle Unternehmen aus dem In- und Ausland wurden identifiziert und gezielt angesprochen. Besonderes Augenmerk lag dabei auf den Expansionsleiterinnen und -leitern der jeweiligen Handelsunternehmen, für die unter anderem ein eigenen Branchenevent in Bremen organisiert wurde.
Flankierend legte die Stadt das Programm "City-Uptrade" (ebenfalls ZIZ-gefördert) auf. Dieses bezuschusst die Ansiedlung für die Bereiche Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleistung oder Handwerk mit einer monatlichen Kaltmiete für Ladenlokale in der Bremer Innenstadt. Damit sollen Anreize für Neueröffnungen in der Stadt geschaffen werden. Mit Erfolg: Rund eine Handvoll Unternehmen nahmen das Programm bis Mitte 2024 bereits in Anspruch.
Kommunikation ist Teil des Wandels
All diese Prozesse verändern die Innenstadt nicht nur direkt, sie ermöglichen es auch, über den Wandel zu sprechen. Denn die Kommunikation über den Wandel fördert wiederum den Dialog in der Gesellschaft und ermöglicht partizipative Prozesse, die alle einbeziehen. Eines der umgesetzten Projekte verfolgte beispielsweise die Vision, urbanen Sport in der Innenstadt zu etablieren. Damit ist es gelungen, auch sehr junge Zielgruppen zu erreichen und deren Bedürfnisse in zukünftige Planungen einfließen zu lassen.
Die Einkaufsstraße ist und wird immer mehr ein lebendiger, nachhaltiger und erlebnisreicher Ort, der durch Kooperation, innovative Konzepte und einen vielfältigen Nutzungsmix entsteht. Durch die aktive Gestaltung dieser Veränderungen können wir sicherstellen, dass unsere Innenstädte auch in Zukunft das Herz unserer Städte bleiben.
Weitere Akteure der Bremer Innenstadtentwicklung
Die WFB ist seit Jahren aktiv und begleitet den Wandel. Zu ihren Kernaufgaben gehört die Betreuung der Bestandskunden in der Innenstadt sowie die Akquise neuer Unternehmen. Und auch im Bereich Marketing und Tourismus setzt die WFB zahlreiche Projekte um.
Zahlreiche weitere Akteure sind ebenfalls in der Entwicklung der Bremer Innenstadt aktiv. Einen kompletten Überblick gibt es beim Projektbüro Innenstadt.
Erfolgsgeschichten
Mit dem Einzug des Fachbereichs für Rechtswissenschaften und weiterer Institute der Universität Bremen in das ehemalige Gebäude der NordLB am Domshof entsteht ein lebendiger Ort im Zentrum der Stadt, der maßgeblich zur Entwicklung der Bremer City beiträgt. Tradition und Moderne verschmelzen in einer spannenden Architektur, die nicht nur Studierende begeistert.
Mehr erfahrenWeserstadion, Seebühne oder Bremen Information, an immer mehr Orten steht die Karte als Zahlungsmittel an erster Stelle. Das spart Zeit, Geld und kommt auch bei Kundinnen und Kunden gut an. 6 Mythen rund um Bargeld und Kartenzahlungen – und warum sie ausgedient haben.
Mehr erfahrenAm 1. November 2024 öffnet das Kulinarium, ein Fine-Dining-Restaurant mit moderner französischer Küche, seine Türen im Forum am Wall in der Bremer Innenstadt. Mit einem innovativen Angebot will das Kulinarium die Bremer Gastroszene bereichern und ein neues kulinarisches Kapitel für die Stadt aufschlagen. Die Wirtschaftsförderung Bremen unterstützt das Konzept finanziell mit der City UpTrade-Ansiedlungsförderung, die einen Mietkostenzuschuss beinhaltet. Auch die Fläche in der Innenstadt vermittelte die WFB.
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