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30.8.2024 - Reinhard Wirtz

Die Zukunft des Kämmerei-Quartiers

Kämmerei-Quartier

Auf dem riesigen Areal der ehemaligen Bremer Wollkämmerei entsteht ein neuer Stadtteil mit einem Mix aus historischer und moderner Architektur.

Luftaufnahme Kämmereiquartier
Blick auf das Kämmereiquartier von oben © WFB/Studio B

Das Areal der ehemaligen Bremer Wollkämmerei (BWK) ist einer der wichtigsten Gewerbestandorte für Bremen-Nord. Bereits 2019 hatte der Senat der Freien Hansestadt Bremen beschlossen, hier Handwerk und kleinteiliges Gewerbe anzusiedeln und in einem Bildungscampus nach und nach mehrere bisher verteilte Berufsschulen zu konzentrieren. Seither konnten wichtige Schritte des ehrgeizigen Großprojekts umgesetzt werden. Inzwischen ist die Liste der einzelnen Vorhaben jedoch erweitert worden. Jürgen Opielka, der für die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH Planungen und Koordination betreut, beschreibt den aktuellen Stand.

Herr Opielka, was tut sich im Kämmerei-Quartier in Bremen-Blumenthal?

Jürgen Opielka: Die WFB hat schon eine ganze Reihe von Handwerks- und Gewerbebetrieben für den attraktiven Standort gewinnen können. Der Umbau der einstigen BWK- „Sortierung“ zum Herzstück eines modernen Bildungs- und Gewerbecampus ist in vollem Gange. Inzwischen haben sich jedoch neue, zusätzliche Anforderungen ergeben, die eine Anpassung der Rahmenplanung für das Quartier notwendig machten. Entsprechende Beschlüsse des Senats und der zuständigen Gremien liegen vor beziehungsweise sind in die Wege geleitet.

Was ändert sich?

Die neue Rahmenplanung sieht jetzt vier statt fünf Berufsschulen vor, zusätzlich eine neue Oberschule und Nutzungsbausteine einer Willkommensschule. Es ist also von höheren Schülerzahlen auszugehen, was eine Anpassung der Sportstätten sowie der Kfz- und Fahrrad-Stellflächen erfordert. Auch eine gemeinschaftlich genutzte Mensa wird Teil des erweiterten Konzepts sein. Wir werden darüber hinaus zusätzliche Flächen für Handwerks- und Gewerbebetriebe bekommen. Zudem wird das denkmalgeschützte Alte Rathaus mit einem neuen Anbau als Quartiershaus hergerichtet. Hierdurch verändern sich auch die Wegebeziehungen sowie die Verkehrs- und Aufenthaltsflächen. Im Ergebnis wird die Verzahnung mit dem städtischen Sanierungskonzept für Blumenthal noch enger werden.

Lassen Sie uns einige Details genauer anschauen. Was sehen die aktuellen Planungen jetzt für die Schulbauten vor?

Besonders ‒ und wie ich finde ‒ durchaus spektakulär ist, dass die alten Bestandsgebäude auf dem einstigen BWK-Areal nun in großem Stil für Schulzwecke umgestaltet werden. Damit lassen sich diese Gebäude wieder in Wert setzen und mit wichtigen öffentlichen Funktionen versehen. Zusätzlich zu den denkmalgeschützten Gebäuden im zentralen künftigen Campus-Bereich, wie dem ehemaligen Krempelhochbau und dem ehemaligen Sortiergebäude, wurden weitere denkmalgeschützte Gebäude an der Achse ‚An der Wollkämmerei‘ in das Campuskonzept aufgenommen. Sie können als größere Sonderbaukörper für Schulen und Sporthallen umgebaut werden.

Mann im Gespräch
Jürgen Opielka, Projektleiter Hochbaumaßnahmen © WFB/Rathke

Moderne Schulbauten sehen heute in ihrer funktionalen Aufteilung eher nicht mehr so aus wie früher. Aus unserer eigenen Schulzeit erinnern wir uns an lange Flure mit Türen zu zahlreichen Klassenzimmern. Dieses klassische Schulkonzept gilt aber heute als veraltet. Die herkömmliche Anordnung von Fluren und Klassenzimmern wird abgelöst durch neue funktionale Strukturen aus Clustern, also zusammenhängenden Räumen unterschiedlicher Größe, etwa kleineren und größeren Gruppenräumen. Derartige Raumkonzepte, die den Anforderungen einer modernen Pädagogik folgen, realisieren wir derzeit schon beim Umbau der ehemaligen Sortieranlage der BWK.

Warum wird das Alte Rathaus nun einbezogen?

Mit rund sechs Millionen Euro an Fördermitteln aus dem Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen soll das denkmalgeschützte Alte Rathaus in Blumenthal zu einem Ort der Demokratieförderung und des Gemeinwesens entwickelt werden. Blumenthal und auch Teile des Kämmerei-Quartiers gehören nun zum Sanierungsgebiet, in dem Städtebaufördermittel eingesetzt werden können. Die Weiterentwicklung des Rathauses soll die übrigen nahen Quartiere stärken und ein zusätzliches Scharnier zum Kämmerei-Quartier schaffen.

Übersicht zu wichtigen Änderungen am Konzept für den neuen Bildungs- und Gewerbecampus im Kämmerei-Quartier (Auszug):

  • Vier statt fünf Berufsschulen im künftigen Bildungs- und Gewerbecampus
  • Bau einer neuen Oberschule mit Sportflächen und eigenem Pausenhof
  • Bau einer (temporären) Willkommensschule mit Sportflächen
  • Bau einer gemeinschaftlich genutzten Mensa
  • Zusätzliche Stellflächen für Kfz und Fahrräder
  • Einbindung des ehemaligen Blumenthaler Rathauses einschließlich eines möglichen Erweiterungsbaus
  • Aufnahme der Gebäude 100 und 101 des ehemaligen BWK-Kammzuglagers in den Bildungscampus
  • Interimssporthalle für die Willkommensschule und für das Schulzentrum Blumenthal

Herr Opielka, mit dem Strukturkonzept für den Bildungs- und Gewerbecampus im Kämmerei-Quartier soll ja das Gesamtareal quasi näher an das Ortszentrum Blumenthal rücken. Was bedeutet das für die Mobilitäts- und Verkehrsplanung?

Die grundlegende Gestalt des Bildungscampus aus dem Strukturkonzept ist beibehalten und weiter präzisiert worden. Darin sind die Schulgebäude um einen zentralen Freibereich gruppiert. Dieser Freibereich folgt einer Achse von der Straße ‚An der Wollkämmerei‘ zum Bereich südlich des Rathauses Blumenthal und damit der hier vorgesehenen Anbindung an den Ortskern Blumenthals. Diese Achse ergibt sich aus der historischen Anlage der denkmalgeschützten Gebäude der ehemaligen Bremer Wollkämmerei. Der zentrale Freibereich wurde so angeordnet, dass er sowohl für die Schüler:innen der Berufsschulen und der Oberschule als auch für die Bewohner des Ortsteils Blumenthal leicht erreichbar ist. Zusätzlich zu dieser historischen Achse sind zwei weitere Freiräume mit hoher Aufenthaltsqualität geplant, denn das Strukturkonzept sieht keine separaten Pausenhöfe für die Berufsschüler:innen vor.

Bislang ist das Kämmerei-Quartier über die historische Achse an die Landrat-Christians-Straße sowie über einen provisorischen Fußweg an den Busbahnhof Blumenthal angebunden. Mit dem aktuellen Strukturkonzept werden mehrere Erschließungen für den Fahrrad- und Fußverkehr des Geländes aus dem Ortsteil Blumenthal heraus möglich, vor allem eine direkte fußläufige Verbindung zwischen dem Kämmerei-Quartier und dem Zentrum Blumenthal. Auch die derzeit eher provisorischen Verbindungen zum Busbahnhof und zum Bahnhof Blumenthal sollen aufgewertet werden. Im Sinne einer nachhaltigen Mobilität wird es neben der vorhandenen guten SPNV-/ÖPNV-Anbindung ein zentrales Fahrradparkhaus sowie einen Mobilitäts-Hub am Rande des Campus geben, der auch den Mitarbeiter:innen der Gewerbebetriebe zur Verfügung stehen wird. Für den Radverkehr wird das Campus-Gelände über das bestehende Wegenetz der öffentlichen Straßen sowie über den Geh- und Radweg vom Bahnhof Blumenthal und die Verbindung zum Wätjens Park im Osten erschlossen. Die notwendigen Stellplätze für die Fahrräder sollen im Wesentlichen zentral an der Mensa neben der neuen Oberschule angeordnet werden. Auch werden z.T. dezentrale Stellplatzanlagen für Fahrräder an den Schulen eingerichtet.

Blick auf alte Gebäude und Baugerüste
Eingehüllt in Baugerüste und Planen waren einige der Gebäude, in denen künftig Schulen einziehen sollen © WFB/Rathke

Auf welche Routen werden sich Autofahrer:innen einstellen müssen?

Die Kfz- Erschließung erfolgt wie im bestehenden Gewerbegebiet über die Straßen „Zum Kammstuhl“ und „Marschgehren“. Es ist vorgesehen, den ruhenden Verkehr am Rand des Kämmerei-Quartiers zu bündeln, und zwar auf zwei Flächen der Straße „Zum Krempel“ und der Nicolaus-H-Schilling-Straße. Die Stellplatzfläche „Zum Krempel“ ist im rechtskräftigen Bebauungsplan 1288 bereits als Stellplatzfläche festgesetzt. Die heutige Stellplatzfläche an der „Nicolaus-H-Schilling-Straße“ wurde 2015 als temporärer Busbahnhof Blumenthal erstellt. Sie soll im ersten Schritt als Fläche für die Mobilbauten der Neue Oberschule Blumenthal dienen. Nach dem späteren Umzug der neuen Oberschule Blumenthal in einen Neubau auf dem Campus-Gelände soll diese Fläche hauptsächlich für den ruhenden Kfz-Verkehr genutzt werden. Hier kann ein erstes Mobilitätshaus entstehen. Bei Bedarf kann dann auch ein zweiter Mobilitäts-Hub eingerichtet werden. Durch die dezentrale Anordnung des ruhenden Kfz-Verkehrs bleibt der zentrale Campus-Bereich so hauptsächlich dem Fuß- und Radverkehr vorbehalten. Allerdings müssen natürlich die Schulen für Anlieferungen für den motorisierten Verkehr erreichbar bleiben.

Was wird aus den gewerblichen Flächen im Kämmerei-Quartier?

Das bestehende überwiegend gewerblich genutzte Kämmerei-Quartier liegt zwischen der Weser im Süden und dem gemischt genutzten Blumenthaler Zentrum im Norden. An diesen Gewerbeflächen ändert sich erst mal nichts. Nördlich der Straße „Zum Kammstuhl“ gab es bisher große Gewerbehallen, die nun nach und nach abgerissen werden. Hier werden wir an der „Landrat-Christians-Straße“ eine Zwischenzone mit Schulgebäuden entwickeln. Die in der Rahmenplanung vorgesehene enge Verzahnung dieser zukünftig gewerblich zu nutzenden Flächen mit den dort zukünftig technisch orientierten Berufsschulen bieten sehr gute Voraussetzungen, um Synergiepotenziale ‒ besonders im Hinblick auf die Gewinnung und Bindung von Fachkräften ‒ zu heben. Ziel ist es, hier vor allem das Handwerk zu unterstützen, zum Beispiel durch einen Handwerks- und Gewerbehof. Hierzu wurde bereits eine Potentialanalyse erarbeitet, die im Herbst mit einem Workshop vorgestellt werden soll.

Herr Opielka, wie geht es nun konkret weiter?

Das neue Konzept ist im Juni vom Beirat ausdrücklich begrüßt worden. Für alle weiteren Schritte werden in enger Abstimmung mit allen Beteiligten zeitliche Abfolgen erstellt, Bebauungsplanverfahren auf der Basis der aktualisierten Rahmenplanung eingeleitet sowie Erschließungs- und Baumaßnahmen durchgeführt. Weiter ist eine grobe Terminschiene mit Meilensteinen für die Maßnahmen zu entwickeln. Das Bebauungsplanverfahren macht federführend diesmal das Bauamt Bremen Nord. Die Projektsteuerung für die Gewerbeflächen liegt weiterhin bei der WFB. Die Mittel für die weitere Planungs- und Projektsteuerung der Gewerbeflächen sollen im Herbst bewilligt werden.

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