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1.11.2022 - Reinhard Wirtz

Gewachsenes bewahren – Zukunft gestalten

Stadtentwicklung

Das Tabakquartier Bremen schlägt ein ein neues Kapitel auf

Tabakquartier
Aus der Luft lässt sich das weitläufige Gelände gut überblicken. © WFB/Studio B

Im Jahr 2018 hat das Bremer Immobilienunternehmen Justus Grosse 20 Hektar des Firmenareals der einstigen Martin Brinkmann AG erworben. Aber nicht, um Tabula rasa zu machen und alles neu zu bebauen. In intensiven Diskussionen mit allen Beteiligten verständigte man sich vielmehr darauf, das Quartier komplett neu zu entwickeln und einen modernen, vielfältigen Mix aus Alt und Neu, Arbeit und Wohnen, Kultur und Freizeit zu gestalten. 

Hier wird also nicht nur in das Nötigste investiert und alles Übrige – soziale Begegnungsräume, Bildung, Kinderbetreuung, Mobilität, Naherholung, Kultur – anderen zugeschoben. Im Fokus steht stattdessen eine integrierte Quartiersentwicklung, die die Verbundenheit der Bevölkerung mit dem Areal aufgreift, historische Bausubstanz mit Respekt und Geschick zu integrieren sucht und dabei neue Gestaltungselemente mit modernen, leistungsfähigen Infrastrukturen kombiniert.

Historische Bedeutung für Bremen

Mit der einstigen Zigaretten- und Tabakfabrik Martin Brinkmann AG in Woltmershausen ist ein bedeutendes Kapitel der Bremer Wirtschaftsgeschichte verbunden. Bis zu 6000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren hier zeitweise beschäftigt. Das Aus wurde in den 1980er Jahren eingeleitet mit staatlichen Prämien für Unternehmen, die sich in Berlin niederließen („Berlinsubventionen‟). Die Erinnerung derer, die bei Brinkmann arbeiteten („Brinkmänner‟) oder die sich der Firma als Zulieferer und externe Dienstleister verbunden fühlten, sind bis heute besonders in Woltmershausen wach geblieben. 

Das historische Tabakquartier
Blick in historische Zeiten: Die Lagerhallen sowie die u-förmig angelegten Hauptgebäude und das Heizwerk bleiben bestehen. Fotos: Peter Strotmann und Staatsarchiv Bremen (unten links) © Peter Strotmann und Staatsarchiv Bremen

Arbeiten und Wohnen

Charakteristisch für das neue Tabakquartier ist die enge Verzahnung von Arbeiten und Wohnen, historischer und moderner Architektur, von Alt und Neu. In kurzer Zeit hat sich das Areal dynamisch entwickelt. 300 Unternehmen sind hier bereits Mieter und/oder Eigentümer in der „Fabrik‟, im „Alten Tabakspeicher‟ und demnächst auch in den Atelier-Häusern. 75.000 Quadratmeter Gewerbefläche haben neue Mieter:innen, weitere 24.000 Quadratmeter befinden sich im Bau oder in der Planung. Darunter das „Lighthouse‟, die Halle 3 und der vierte Bauabschnitt der „Fabrik‟, dazu das künftige „Forum‟, ein Büroneubau mit einer Mietfläche von 9000 Quadratmetern.

Ein breites Angebot an Wohnungstypen wird das Quartier prägen – im öffentlich geförderten wie auch im frei finanzierten Bereich, darunter Speicherlofts, Studios sowie moderne Einheiten in einem größeren Neubaukomplex. Mittelfristig sollen hier über 1.500 Wohnungen zum Kauf und zur Miete angeboten und bis Mitte 2025 fertiggestellt werden. 

Cafe und Treppe
Zum Verweilen lädt zum Beispiel ein Café im Tabakquartier

Wer sich in den Pausen oder nach der Arbeit sportlich betätigen will, kann das vor Ort im „Lifestyle and Sport-Studio‟ von Easyfitness, in der „Bolder Base im Tabakquartier‟, im Sport- und Fitnesspark „Sportwelt‟ nebenan oder auf dem künftigen Laufparcours quer durch das Quartier tun.  Mehrere Spielplätze für die Jüngsten ergänzen das Angebot. 

Als „grüne Lunge‟ dient der „FleetPark“ mit seinen rund 20.000 Quadratmetern Fläche. Kleine Parkanlagen, grüne Ruhezonen, Dachterrassen und ein nach New Yorker Vorbild gestalteter begrünter „Highline-Garten‟ sollen zusätzlich Gelegenheit zum Durchatmen bieten. 

Energie und Mobilität

Im Tabakquartier gibt es künftig einen Mix aus verschiedenen Ansätzen zur Energieversorgung. Fotovoltaik wird sowohl bei den Neubauten als auch im Bestand eingesetzt. In Teilbereichen greift das Projekt auf Erdwärme zurück. So verfügt das „Forum‟ mit seinen rund 9000 Quadratmetern Bürofläche über ein Gründach mit Fotovoltaikanlagen und übertrifft die aktuell amtlich geforderten Energieeinsparwerte deutlich (KfW55), was die Energiekosten der künftigen Mieterinnen und Mieter dämpft. Auch die sogenannten TQ Studios werden mit Fotovoltaikanlagen und begrünten Dächern versehen.

Tabakquartier in Zahlen

  • 75.000 Quadratmeter Gewerbefläche aktuell vermietet
  • 24.000 Quadratmeter Gewerbefläche noch im Bau und/oder in der Planung
  • 300 Unternehmen sind derzeit Mieter und/oder Eigentümer im Tabakquartier
  • 1.500 Wohnungen sind geplant
  • 1.000 Pkw-Stellplätze sind vorgesehen
  • 440 Fahrradstellplätze werden in zwei „Mobilitätszentren‟ bereitgestellt
  • 374 Sitzplätze bietet das neue Boulevard-Theater im Tabakquartier
Orchester beim Proben
Proben im Tabakquartier: Die Bremer Philharmoniker © WFB/Rathke

Um die geplanten Neubauwohnungen (KfW 40) zu beheizen, soll die Abwärme einer vorhandenen großen Abwasserleitung an der Senator-Apelt-Straße genutzt werden – eine Lösung, die auf bestehenden Strukturen aus der gewerblichen Vorgeschichte des Areals basiert. Einfachere und kostengünstigere Fernwärme ist in diesem Bereich nicht verfügbar.

Zwar haben sich alle Beteiligten darauf verständigt, vor Ort ein „weitgehend autofreies Quartier‟ zu schaffen, aber nicht auf Kosten der Mobilität. So werden sich im Tabakquartier circa 1000 Pkw-Stellplätze finden, dazu etwa 440 Fahrradstellplätze in mehreren „Mobilitätscentern‟, die auch Bike-, Carsharing- und E-Scooter-Angebote mit entsprechenden Ladeinfrastrukturen vorhalten. Zwar sind Bremer Marktplatz, die Weser, die Überseestadt und selbst der Airport Bremen nicht weit, bei Bedarf aber vom Tabakquartier aus per ÖPNV schon jetzt zügig zu erreichen.

Garten auf Gebäude
Erinnert ein klein wenig an New York: Der begehbare Hochgarten © WFB/Rathke

Kultur und Kulinarik

Dass in einem neuen Quartier für Arbeit und Wohnen von Anfang an auch Orte für Kunst, Kultur, Tagungen und Events entstehen, dürfte eine Ausnahme sein. Das Tabakquartier punktet in dieser Hinsicht mit mehreren Ansätzen. So ist das einstige Heizwerk von 1951 im Zentrum der ehemaligen Tabak- und Zigarettenfabrik mit seinen Öfen und -Kesseln zu einem originellen Veranstaltungsort für bis zu 400 Gästen entwickelt. In der denkmalgeschützten Halle 1, früher eine Lagerhalle, präsentiert das Boulevard-Theater Bremen seit September 2021 Schauspiel und Komödien für ebenfalls rund 400 Besucherinnen und Besucher. 

Nebenan haben die Bremer Philharmoniker ihr neues Quartier bezogen. Auf 2.950 Quadratmetern ist eine neue Wirkungsstätte mit Proben- und Veranstaltungsräumen sowie einem Saal mit 373 Plätzen entstanden. Künstler, Musiker, Tänzer, Schauspieler sowie andere Akteurinnen und Akteure der freien Szene finden auf circa 5.500 Quadratmetern im dritten Bauabschnitt der „Fabrik‟ ebenfalls ein neues Zuhause. 

Vielfältig ist auch das gastronomische Angebot. Die Foodbox Pusdorf hat sich auf Street Food spezialisiert, das Restaurant Justus auf alpenländische und italienische Küche. Im Hotel-Lobbybereich des unique by ATLANTIC Hotels haben Müller & Egerer ihre neue große Bäckereiverkaufsfiliale mit Café eingerichtet. 

Die Investoren des Tabakqartiers

Das Bremer Immobilienunternehmen Justus Grosse hat in den vergangenen Jahrzehnten einen wesentlichen Beitrag zur Baugeschichte der Hansestadt geleistet. Nach dem zweiten Weltkrieg ab 1946 zunächst mit Wohnungen, unter anderem an der Contrescarpe sowie in der Hollerallee, aber auch mit neuen Geschäftshäusern in der Bürgermeister-Smidt-Straße und in der Obernstraße, damals noch unter der Regie des Firmengründers und Namensgebers Justus Grosse. Ab den 1960er Jahren unter anderem mit Wohnanlagen an der August-Bebel-Allee und der Schwachhauser Heerstraße, und schließlich mit weiteren größeren Projekten, zum Beispiel im Hollergrund, an der Marterburg und der Kaemena-Wiese.

1992 gründet das Unternehmen zusammen mit Kurt Zech 1992 die ATLANTIC Hotel Gruppe, zu der mittlerweile 13 Häuser an neun Standorten in Deutschland zählen. Seit 2005 engagiert sich Justus Grosse in großem Stil in der Überseestadt Bremen. Das mit rund 700 Millionen Euro größte Investment der Firmenhistorie realisiert die Firmengruppe nun im Tabakquartier. 

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