Im Himmelssaal ist immer blaue Stunde
TourismusHimmelssaal? Viele Bremer werden sich wundern, dass sie davon noch nie gehört haben. Dabei ist das Bauwerk trotz fragwürdiger Motivation recht beeindruckend und mittendrin: Der Himmelssaal samt Wendeltreppen-Aufstieg findet sich nämlich im Herzstück der Hansestadt – in der Böttcherstraße. Für mich hat das verwaltende Hotel mal die Pforten geöffnet.
Man kann hier schon fast von einem Geheimtipp sprechen. Zumindest hab ich erst vor etwa drei Jahren von der Existenz des Himmelssaal erfahren. Ich wollte mir das Bauwerk damals natürlich direkt anschauen. Allerdings stand ich schließlich vor verschlossenen Türen. Denn der Saal ist nicht ständig geöffnet. „Eine Besichtigung ist im Rahmen einer Stadtführung möglich“, erklärt mir Gitta Hümpel vom Radisson Blu-Hotel, die mich an diesem Nachmittag im Haus Atlantis herumführt.
Aufstieg durch Wasserwelten
Schon das Treppenhaus, das hinauf zum Himmelssaal führt, hat es in sich. Beton und Glas formen eine Wendeltreppe. Die Stufen winden sich um eine Mittelkonstruktion aus drei starken Streben, die streng empor ragen. Sowohl Licht als auch die Strukturen haben etwas Hartes und sind doch gleichzeitig irgendwie warm. Die runden und eckigen Glasbausteine, die in die Stufen und Wände eingelassen sind, geben dahinter leuchtendes Licht durch. Schummrig ist es, als ob man aus dunklen Wassertiefen langsam gen Oberfläche taucht. Das Bild passt auch inhaltlich. Immerhin befinden wir uns im Haus Atlantis. Die runden Glassteine in weiß und blau begleiten uns wie Luftbläschen auf unserem Weg nach oben. Auch auf den Lampen sind wellenförmige Formen zu erkennen.
Umstrittener Ursprung
Ich werde beim Hochsteigen einen Gedanken nicht los: Die Motivation zum Bau des Hauses bleibt umstritten. Ludwig Roselius beauftragte Ende der 1920er Jahre seinen Architekten Bernhard Hoetger, dessen Handschrift die gesamte Böttcherstraße prägte, mit dem Bau des Atlantis-Hauses. Die Sage um das versunkene Inselreich geht auf Platon zurück, ist aber schließlich von den Nazis und Anhängern völkischer Ideologien für ihr rassistisches und antisemitisches Gedankengut missbraucht worden. Demnach sei Atlantis Ursprungsland der arischen Kultur. Auch Roselius und Hoetger waren Anhänger des Nationalsozialismus und wollten den Nazis mit ihrem Schaffen gefallen, dennoch wurden ihre Bauwerke schließlich als „entartete Kunst“ eingestuft und von den Nazis zum „Negativbeispiel“ deklariert. Diesen grob skizzierten Hintergrund kann und will ich an dieser Stelle nicht unerwähnt lassen.
Expressionismus, Kubismus, Art déco
Trotz der fragwürdigen Entstehungsgeschichte bin ich dennoch von der Architektur beeindruckt. Während ich mich im Treppenhaus umschaue, muss ich immer wieder an die expressionistischen Stummfilme der 1920er Jahre denken. Die schrägen Formen und Strukturen erinnern mich zum Beispiel an den Film „Das Cabinett des Doktor Caligari“ von Robert Wiene (1920). Der Art decó-Stil mit seinen Merkmalen von eleganten Formen, kräftigen Farben und edlen Materialien ist an jeder Stelle zu erkennen. Auch expressionistische und kubistische Anleihen finden deutlich sich im gesamten Gebäude, das 1931 fertig gestellt wurde.
Oben angekommen
Schließlich öffnet mir Gitta Hümpel vom Hotelmarketing die Tür zum Himmelssaal. Der Anblick dahinter lässt mir den Atem stocken. Ich lasse mal ein paar Fotos für sich sprechen:
Die Liste der bisherigen Nutzungen ist lang: Hier wurden schon Tanz- und Gymnastikkurse abgehalten sowie Konzerte veranstaltet. In den 1980er Jahren hatte das Theater Bremen seine Räumlichkeiten im Haus Atlantis und heutzutage finden hier Hochzeiten und Tagungen sowie Firmenfeiern statt. Der Himmelssaal war und ist schon immer ein Prestigeobjekt im Haus gewesen – und ich verstehe jetzt warum. Er ist wirklich beeindruckend.
Kuppelsaal: Die kleine Schwester mit großem Echo
Vom Saal aus windet sich noch einmal eine kleine Holztreppe weiter nach oben. Über ihr sind zwei große Goldkugeln installiert, deren verzerrte Spiegelung des Saals mich fasziniert.
Die Treppe führt in den Kuppelsaal, ein deutlich kleinerer und runder Raum. Gitta Hümpel sagt, ich solle mich mal in die Mitte stellen und sprechen oder singen. Gesagt, getan: Der Widerhall, der durch die speziell geformte Kuppel erzeugt wird, überrascht mich so sehr, dass es mir kurz die Sprache verschlägt. So ein Echo hab ich noch nicht gehört – es klingt fast, als sei es künstlich erzeugt.
1988 wurde das Haus Atlantis dann schließlich aus dem Gesamtensemble der Böttcherstraße heraus gelöst und verkauft. Eine schwedische Hotelkette baute auf der Rückseite des Hauses, wo bis dato ein großer Parkplatz war, ein Hotelgebäude und integrierte das Haus Atlantis in den Hotelkomplex, der heute vom Radisson Blu geführt wird. Der Himmelssaal liegt ebenfalls unter der Obhut des Hotels und wird regelmäßig für Veranstaltungen jeglicher Art vermietet. Daher, so erklärt mir, Gitta Hümpel, sind die Saaltüren meist verschlossen. Den letzten Blick in den Saal, bevor sich auch an diesem Nachmittag die Flügeltür vorerst schließt, halte ich noch eben fotografisch fest. Wer weiß, wann ich die nächste Gelegenheit habe, hier mal wieder hereinzuschauen.
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