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18.10.2019 - Rike Oehlerking

Milchquartier – Kneipen, Kunst und Kulinarik

Tourismus
Milchquatier Eingang beblühmt
Der Weg, der ins Milchquartier führt © WFB/Rike Öhlerking

Zwischen Wallanlagen, Sielwall, Ostertorsteinweg und Osterdeich schmiegt sich ein besonderer Teil des Viertels: das Milchquartier. Spaziergänger wandeln hier über Kopfsteinpflaster, an prächtig beblümten Vorgärten vorbei, auf historischem Boden. Denn einst stand in diesem Gebiet das St.-Paul-Kloster. Ich habe mich auf die Suche nach geschichtlichen Spuren begeben und dabei so einiges entdeckt.

Eins sei mal gleich vorneweg gesagt: Was die Blütenpracht angeht, ist das Milchquartier mit seinen eindrucksvoll bepflanzten Vorgärten kaum zu schlagen. Auch jetzt im Spätsommer, wo anderenorts schon kaum noch was blüht, zeigt sich das Quartier in der gesamten Farbpalette der Blumenpracht. Ein Spaziergang durch die südlichen Nebenstraßen des Ostertorsteinwegs lohnt sich also allein schon deswegen.

Häuserfasaden, Pflanzen und Blumen im Milchquartier
In alle Richtungen eine Augenweide. Ein Spaziergang durchs Milchquartier lohnt sich allein schon wegen der hübschen Straßenzüge. © WFB/Rike Oehlerking

Wandeln auf historischem Pflaster

Doch auf meinen Streifzügen durch das Viertel halte ich noch nach anderem Ausschau. Bis vor 500 Jahren stand hier ein stattliches Benediktinerkloster, das St.-Paul-Kloster oder kurz Paulskloster. Und ich suche nach Hinweisen. Soweit ich weiß, gibt es keine Gebäudeüberbleibsel mehr. Ohnehin war die topografische Beschaffenheit zu Beginn des zweiten Jahrtausends, als das Kloster um 1050 errichtet wurde, noch eine ganz andere. Die Bremer Düne zog sich aus der Innenstadt herüber und erhob sich auf Höhe des heutigen Milchquartiers noch einmal. Auf dieser Anhöhe stand das Kloster vor dem östlichen Stadttor rund 500 Jahre. Nach der Reformation wurde es 1523 zugunsten besserer Verteidigungsmöglichkeiten abgerissen. Auch der St. Pauliberg, auf dem es stand, wurde für Festungszwecke im 17. Jahrhundert eingeebnet.

Im Milchquartier erinnern heute vor allem Straßennamen an das einstige Mönchsdomizil: Beim Paulskloster, Sankt-Pauli-Straße, Klosterpad und Kreuzstraße nehmen Bezug darauf.

Milch macht’s möglich

Namensgebend für das Quartier ist übrigens der frühere Standort eines Kuhstalls samt Milchladen, der sich zwischen Bleicherstraße und Beim Paulskloster befand. Hier ist neben einem Kinderladen seit 1981 der Kultur- und Bildungsverein Ostertor, kurz KUBO, ansässig. Zusätzlich zum künstlerischen Bildungsangebot für Kinder und Jugendliche wird in der integrierten Galerie Mitte zeitgenössische Kunst ausgestellt. Ein paar Straßenzüge weiter hat sich vor einigen Jahren die Galerie K-strich angesiedelt. Hier ist ebenfalls zeitgenössische Kunst in wechselnden Ausstellungen zu sehen

Hauswand von KUBO
Ehemals Kuhstall, heute Kunst: das KUBO. © WFB/Rike Öhlerking

Doch noch einmal zurück an jenen Ort, wo einst Kuhstall und Milchladen standen. Der Fußweg, der am KUBO vorbei führt heißt Klosterpad und endet an der Rückseite einer Häuserzeile, die in der Mozartstraße steht, auf einem anderen kleinen Schleichweg. Dieser nennt sich Milchpad und erinnert wohl damit daran, dass hier in früheren Zeiten die wertvolle Flüssigkeit transportiert wurde.

Neuere Geschichte: von Abrissplänen und Protesten

Bei Erwähnung der Mozartstraße dürften einige Ortskundige bereits aufgehorcht haben. Dort sollte einst in den 1970er Jahren die Mozarttrasse erbaut werden, die bei Realisierung wohl die gesamte Schönheit des Viertels zerstört hätte. Zum Glück gab es Proteste, zum Glück wurden die Trassenpläne schließlich nicht umgesetzt. Interessanterweise lässt sich anhand der Baustruktur im Milchquartier auch diese Geschichte heute noch erkennen. In den Straßen Mozartstraße, Bleicherstraße und Beim Paulskloster heben sich einige Hausfronten deutlich von der Altbremerhaus-Bebauung im restlichen Quartier ab. Hier stehen Mehrfamilienhäuser, teils durch sozialen Wohnungsbau entstanden, mit modern-schlichten Fassaden. Da die Mozarttrasse (oder auch Ost-Tangente) schon viele Jahre in Planung stand, war die Bausubstanz des Quartiers an dieser Stelle jahrelang vernachlässigt worden. Erst nachdem die Pläne gekippt wurden, begann man die Baulücken zu schließen und den alten Bestand zu sanieren.

Milchquartier mit Atomfreie Zone Schild
Politisch engagiert und umweltorientiert: das macht auch das Milchquartier aus. © WFB/Rike Öhlerking

Etwas weiter östlich im Quartier findet sich in der Weberstraße ein ebenso spannendes Bauprojekt: das Ensemble Wieder Hof. Die denkmalgeschützten Wohnhäuser sind 1905 nach Plänen des Bremer Architekten Friedrich Wilhelm Rauschenberg entstanden. Die Fassaden erinnern an den Wiener Jugendstil, daher auch der Name der Wohneinheit. Für die Anlage gab es in den 1970er Jahren ebenfalls umstrittene Abrisspläne. Sie wurde besetzt und damit der Abriss verhindert.

Milchquatier mit dem Wiener Hof-Ensemble
Das Wiener Hof-Ensemble: ein Mehrfamilienwohnkomplex, der die bis dahin klassische Wohnweise im Bremer Einfamilienhaus ablösen sollte. © WFB/Rike Öhlerking

Im Webstuhl der Kulturen

Ich schlendere weiter durch die Weberstraße. Gleich neben dem großräumigen Wohnensemble besteht seit vielen Jahren das Wiener Hofcafé. Die urige Kneipe verschluckt ihre Besucherinnen und Besucher schon mal ganz gern und entlässt sie erst spät in der Nacht wieder in die Freiheit. Auch gegenüber im Lift lässt sich gut einkehren. Es ist Internetcafé und Bar zugleich und befindet sich in den rückwärtigen Räumen des Kulturzentrums Lagerhaus, ebenso wie der Plattenladen Studio Illegale, der gleich neben an ist.

das Milchquartier in der Weberstraße
Stammkneipe, Internetcafé, Bar und Plattenladen: in der Weberstraße knäult sich Viertelkultur auf engstem Raum. © WFB/Rike Öhlerking

Einige Schritte weiter stehe ich auch schon vor der nächsten „Einkehr-Institution“ im Milchquartier: vor dem Restaurant „In den Runken“, das Einheimisch nur „Runkeneck“ nennen. Hier gibt es deutsche Küche, wie bei Oma – könnte man sagen. Ich war neulich mal wieder dort essen und muss sagen: Wirklich lecker! (Übrigens gibt es auch Vegetarisches).

Milchquartier Gaststätte Runken Eck mit Essen
Mmmmhhh, lecker! Das sogenannte Runkeneck ist eine super Adresse für alle, die mal wieder Lust auf deftige Küche haben. © WFB/Rike Öhlerking

Tradition an jeder Ecke

Übrigens gibt es noch zwei weitere Traditionskneipen, die bei einem Spaziergang durchs Milchquartier nicht unerwähnt bleiben dürfen. Vorne am Ostertorsteinweg, gewissermaßen an einem der Eingangspunkte ins Milchquartier gibt es seit ewigen Zeiten die Kneipe „Zum lustigen Schuster“, in der Werder-Spiele gezeigt werden und Neuigkeiten ausgetauscht werden. Einen Straßenzug weiter, an der Ecke Mittelstraße/Beim Paulskloster, hat die alteingesessene Stammkneipe Paul’s Kloster ihren Sitz. Hier steht nicht nur hinterm Tresen ein Bremer Urgestein, sondern auch vorm Tresen trifft man eine ganze Reihe Bremer Originale. Von Zeit zu Zeit verirrt sich auch mal ein (Star-)Gast aus dem nahe gelegenen Theater Bremen in die urige Kneipe. Manch einer hat sich schon im Holz des Tresens von Wolfgang Biller verewigt.

Milchquartier Stammkneipen Zum lustigen Schuster und Paul’s Kloster
Die Stammkneipen im Milchquartier (Zum lustigen Schuster: links, Paul’s Kloster: rechts) sind wahre Newsdesks und Geschichtsarchive. Wer Neues und Vergangenes übers Viertel erfahren will, sollte sich definitiv mal in einer dieser Kneipen an die Theke setzen. © WFB/Rike Öhlerking

Das Theater Bremen ist im Milchquartier ohnehin sehr präsent. Wirft man durch die Straßenschluchten einen Blick nach Westen, lässt sich nicht selten das unverkennbare Wellblechdach des emporragenden Gebäudes erspähen. Das gibt dem Quartier, das durch den hohen Anteil typischer Bremer Häuser sehr historisch wirkt, einen modernen und großstädtischen Anklang.

Theater Bremen im Milchquartier
Und immer wieder das Theater Bremen… © WFB/Rike Öhlerking

Wie in der Milchstraße: Vielfalt ohne Grenzen

Zweimal bin ich für diesen Artikel im Milchquartier unterwegs und ich stelle staunend fest: Es gibt so viel zu entdecken, dass ich meinen Anspruch auf Vollständigkeit nach kurzer Zeit schon über Bord schmeißen muss. Da finde ich an einer Ecke einen Bauernladen, der seit über 30 Jahren von einer Genossenschaft geführt wird. In der nächsten Seitenstraße begegnet mir das Bremer Tischlerei-Museum, das in den Räumen einer ehemaligen Tischlerei alte Werkzeuge und Handwerksgeschichte ausstellt. Wiederum in einer anderen kleinen Straße laufe ich an der Toreinfahrt zum „Atelierhof“ vorbei. Im Hinterhof befinden sich verschiedene Ateliers von Künstler*innen und Handwerker*innen sowie die bereits erwähnte Galerie K-strich. Auch diese Gemeinschaft existiert bereits seit über 30 Jahren. An einer anderen Ecke entdecke ich das Rat&Tat vorbei, einem Zentrum für queeres Leben. Und ein paar Straßenzüge weiter gibt es den Infoladen, der als alternativer politisch-sozialer Ort fungiert, an dem sich ausgetauscht und informiert werden kann. Auch in den Garagenhof in der Kreuzstraße werfe ich immer wieder gerne einen Blick. Er wurde 1928 errichtet und ich stelle mir jedes Mal vor, wie hier früher noch Pferde für Fuhrwerke in Ställen untergebracht waren. Vielleicht diente die Garage aber auch immer nur der Unterstellung von Automobilen.

Milchquartier mit Hof, Bauernladen und Tischlerei Museum
Vielfalt, die sich sehen lassen kann. Und das meist schon seit vielen Jahrzehnten. © WFB/Rike Öhlerking
Milchquartier Grossgarage Hinsch für Autos
Einst mal für Pferde? Wahrscheinlich nicht. Heute auf jeden Fall heiß begehrter Unterstellplatz für motorisierte Pferdestärken. © WFB/Rike Öhlerking

Zu guter Letzt nutze ich die Chance und werfe noch einen Blick hinter die Fassaden. Von der Deichstraße aus startet ein kleiner Pfad, der Bleicherpad, und führt hinter den Häusern am Osterdeich und den Hausreihen der Bleicherstraße hindurch, vorbei an einem wunderschönen Spielplatz, kreuzt die Bleicherstraße und heißt von da an dann Milchpad, den ich oben schon erwähnte. Auf meinem Spaziergang durch die hinteren Reihen kann ich wunderbar einen Blick in die Hintergärten der Milchquartier-Bewohnerinnen und -Bewohner werfen. Auch hier wird offensichtlich Wert auf viel Grün und Idylle gelegt.

Milchquartier Schleichwege über Pads
Bleicherpad, Milchpad, Klosterpad: Über Schleichwege (und historische Wirtschaftswege) lässt sich ein Blick in die Hintergärten werfen. © WFB/Rike Öhlerking
Milchquartier mit klassischen Bremer Haus
Von hinten wir von vorne? Nein, eben gerade nicht. Typisch für die klassischen Bremer Häuser ist der erhöhte Vordereingang, während es hinten dann ebenerdig in den Keller geht. Perfekt zu sehen in der Friedrichstraße (von hinten) und in der Mittelstraße (von vorne). © WFB/Rike Öhlerking

Ich schließe letztlich meinen Rundgang in der Friedrichstraße ab. Hier hat man die einmalige Gelegenheit, die typische Bauart der Bremer Häuser von hinten zu bestaunen. Noch ein Beweis dafür, dass die Anwohner*innen des Milchquartiers wirklich nichts zu verbergen haben. Im Gegenteil, sie könnten die Vielfalt und Schönheit ihres Quartiers sogar noch mehr nach außen tragen. Aber das würde nicht zur typischen hanseatischen Zurückhaltung passen :)

Ich schließe letztlich meinen Rundgang in der Friedrichstraße ab. Hier hat man die einmalige Gelegenheit, die typische Bauart der Bremer Häuser von hinten zu bestaunen. Noch ein Beweis dafür, dass die Anwohner*innen des Milchquartiers wirklich nichts zu verbergen haben. Im Gegenteil, sie könnten die Vielfalt und Schönheit ihres Quartiers sogar noch mehr nach außen tragen. Aber das würde nicht zur typischen hanseatischen Zurückhaltung passen :)

Maike Bialek

Leiterin Kommunikation Marketing und Tourismus

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