Bremens Kaffeemacher V: Union Rösterei in Walle
TourismusKaffee! Eines meiner Lebenselixiere – zumindest läuft es bei mir morgens sehr träge, bis ich meinen ersten Cappuccino mit einer doppelten Portion Espresso und ordentlich Milchschaum intus habe. Wie groß das Universum des braunen Goldes ist, erfahre ich bei einem Besuch in der Union Rösterei in Walle. Natürlich während einer kleinen Verkostung unterschiedlicher Kaffeespezialitäten…
Ich sitze im großzügigen Dachraum des alten Brauereigebäudes in der Theodorstraße in Walle. Nach einer etwa 50-jährigen Pause ist im unteren Gebäudeteil seit 2015 erneut eine Brauerei ansässig – die Union Brauerei. Doch bei meinem Besuch heute geht es nicht um Bier. Ich sitze zusammen mit zwei Mitarbeitern der Union Rösterei bzw. des Mutterunternehmens Kaffeeplan und wir reden über Kaffee.
Während mich Barista und Röster Ansgar Pleye in die komplexe Welt des braunen Elixiers mitnimmt, bereitet er mir erst einen Filterkaffee und dann einen Espresso zu. Nach meinen ersten Schlucken schaut er mich erwartungsvoll an. „Meiner Meinung nach gibt es nur zwei Geschmacksrichtungen – schmeckt oder schmeckt nicht“, sagt er mit einem gewissen Augenzwinkern. Ich finde beide Kaffees lecker, wobei ich klar zum Espresso tendiere. Der Filterkaffee schmeckt fast wie ein stärkerer Schwarztee, der Espresso hingegen hinterlässt eine kräftige Schokonote auf meiner Zunge.
Die Welt des feinen Geschmacks
Bei unserem Gespräch bekomme ich nach und nach den Hauch einer Idee davon, wie komplex das Kaffeeuniversum eigentlich ist. Ich höre etwas über mittlere Geschmackskörper, lerne etwas über Aromen, Anbau rundum die Welt und Lagerung, über die Specialty Coffee Association und die Kaffeebörse ICQ. Ansgar erzählt mir auch, dass die Union Rösterei bei ihren vier Standardprodukten auf sogenannte Blendmischungen setzt, um mit jeder neuen Charge den gleichen Geschmack zu gewährleisten. Verschiedene Bohnen werden hierbei zusammen gemischt, während bei den sortenreinen Kaffees, die die Rösterei auch immer mal als Extraangebot hat, nur jeweils mit einer bestimmten Bohnenart gearbeitet wird.
Arbeit und Genuss mit allen Sinnen
Vom großen Holztisch, an dem wir eben noch saßen, beginnen wir nun unseren Rundgang durch die Rösterei, wie er auch bei Führungen angeboten wird, die auf Anfrage buchbar sind. In unregelmäßigen Abständen sind auf der Seite der Rösterei auch öffentliche Termine angegeben, zu denen man sich anmelden kann.
Zunächst geht Ansgar an ein bodentiefes Fenster an der Seite des Raums und öffnet es. Dahinter geht es steil nach unten in den Hofeinfahrt der historischen Gebäudeanlage. „Bevor wir hier 2017 überhaupt das erste Mal Kaffee rösten konnten, brauchten wir erst einmal einen Kran, der uns die Ware nach oben befördert“, erklärt Ansgar und schiebt über sich einen langen Stahlträgerarm, an dem ein Haken baumelt, durchs Fenster nach draußen. „Einen Fahrstuhl gibt es nicht und so werden die teils 60 bis 70 Kilo schweren Säcke mit den Rohbohnen über den Kran nach oben befördert.“
Direkt daneben lagern zahlreiche Jutesäcke voller Rohkaffee. Ich erfahre, dass hier nur die Ware liegt, die binnen weniger Tage verarbeitet wird. Für größere Mengen hat die Rösterei Außenlager angemietet.
Wenige Schritte weiter stehen wir vor der großen Röstmaschine. Ein imposantes Technikkonstrukt, das dennoch in seiner Gestaltung eine gewisse Ästhetik aufweist. Aufgrund seiner Größe nennen die Röster der Union die Maschine auch liebevoll „Mister T“, wie das stahlharte Gruppenmitglied vom A-Team.
Guter Riecher und viel Erfahrung
Ansgar zeigt mir nun einen Röstvorgang. Mit einer Waage misst er Rohbohnen ab, die er über einen großen Sauger in den überdimensionalen Trichter der Röstmaschine befördert. Noch sind es 22 Kilo, die aber durch den Flüssigkeitsverlust beim Rösten am Ende rund 18 Kilo Kaffeebohnen erzeugen. Ansgar öffnet eine Luke, durch die die Ladung ins Innere der Rösttrommel gelangt, wo die Bohnen über eine bestimmte Temperaturkurve rund 15 Minuten lang erhitzt werden. Hier kommt eine dem Rösterberuf typische Aufgabe ins Spiel. Über einen rohrförmigen Schöpflöffel zieht er immer wieder eine Handvoll Bohnen aus der Trommel und riecht an ihnen. Die Nase eines Rösters ist ebenso wie der gesamte Geschmacksapparat fein ausgebildet und kann schon kleinste Nuancen erschnuppern. Ansgar, der gelernter Elektriker ist und jahrelang im technischen Service des Gastroausstatters Kaffeeplan gearbeitet hat, berichtet, dass er einmal die Maschine gründlich gereinigt habe, woraufhin sein Kollege beim nächsten Röstvorgang anrief, weil auf einmal alles anders roch. Es habe einen Moment gebraucht, bis sie darauf kamen, dass durch die Reinigung auch sämtliche Patina, die für die Aromen mit verantwortlich ist, verschwunden war.
Nachwirkendes Geschmackserlebnis
Nachdem der Kaffee nun also laut Ansgars Nase die richtige Röststufe erreicht hat, entlädt er die Bohnen auf eine große, sich drehende Lochscheibe unter der Rösttrommel. Der typische Geruch von frisch geröstetem Kaffee verteilt sich im Raum. Ich nehme einen tiefen Atemzug. Mmmmmhhh!
Auf der Drehscheibe werden die Bohnen direkt gekühlt, damit sie nicht weiter rösten, und gelangen dann über eine kleine Rampe in den sogenannten Entsteiner, in dem die Ware von Fremdkörpern wie kleinen Steinchen bereinigt wird. Dann wird sie in Fässer abgefüllt, aus denen zwar das austretende CO2 entweichen kann, aber keine Luft an den Kaffee gelangt. Das würde den Geschmack stark beeinflussen. Überhaupt ist Kaffee, so lerne ich, auch nach seiner Röstung ziemlich veränderlich. Haltbar ist er zwar bei richtiger Lagerung eine ganze Weile, aber eine frisch geröstete Bohne schmeckt ganz anders als eine, die schon ein paar Tage alt ist.
Nach einer letzten Verkostung eines weiteren Espressos verlasse ich das alte Unionsgebäude nicht nur mit ordentlich Koffein im Körper, sondern auch mit einem noch lang anhaltendem Kaffeegeschmack im Mund. Ich freue mich, dass all das Wissen über eines meiner Lieblingsgetränke in einer so kaffeetraditionsreichen Stadt wie Bremen direkt vor der Haustür verfügbar ist.
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Bremen gehört seit Anfang November 2024 offiziell als Street Art City zu den exklusiven Partner:innen der international agierenden „Street Art Cities“-App.
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