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19.6.2024 - Mona Fendri

„Nachhaltigkeit ist im Tourismus schon lange kein Nice-to-have mehr“

Über uns

Ein Gespräch mit Elena Eckert, Projektleiterin Nachhaltigkeit im Tourismus bei der WFB

Eine Frau mit langen Haaren blickt in die Kamera
Elena Eckert ist seit 2023 für den Bereich Nachhaltigkeit im Bremen Tourismus zuständig. © WFB / Jan Rathke

Elena Eckert ist seit Januar 2023 Projektleiterin Nachhaltigkeit in der Abteilung Tourismus der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Ihre Aufgabe ist es, dabei zu unterstützen, die Bremer Tourismuslandschaft nachhaltiger zu gestalten. Hierfür arbeitet sie einerseits sehr eng mit den Fachbereichen der WFB zusammen, um nachhaltige Angebote sichtbar zu machen und ihnen eine Plattform zu geben. Sie ist aber ebenfalls im engen Austausch mit touristischen Partner:innen – also Hotels, Gastronomien, kulturellen Einrichtungen, Anbieter:innen aus der Freizeitbranche und viele mehr – sensibilisiert für das Thema Nachhaltigkeit und gibt Akteurinnen und Akteuren Hilfestellungen und fördert den Austausch mit anderen touristischen Organisationen und Betrieben in Bremen.

Im Gespräch erzählt sie, wie sie touristische Akteurinnen und Akteure dabei unterstützt, sich nachhaltiger zu positionieren, vor welchen Herausforderungen die Bremer Tourismuslandschaft steht und an welchen Projekten sie aktuell arbeitet.

Frau Eckert, warum ist Nachhaltigkeit im Tourismus überhaupt wichtig?

Elena Eckert: Es gibt zwei Aspekte. Einmal ist Nachhaltigkeit grundsätzlich im Bereich Wirtschaft wichtig. Und Tourismus ist ein Wirtschaftszweig. Es entstehen immer mehr regulatorische Bestimmungen zu Nachhaltigkeit sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene. Da ist es wichtig, bestens informiert zu sein. Darüber hinaus steigt die Nachfrage zu nachhaltigen Angeboten sowohl bei Individualreisenden als auch bei Geschäftsreisenden. Sich als Unternehmen nachhaltig zu positionieren ist nicht mehr nur ein „Nice-to-have“, es ist eine strategische Entscheidung auf Managementebene.  

Und dann hat man natürlich noch die die inhaltliche Seite. Wir wollen lebenswerte Städte, grüne Städte, wir wollen Städte, die nicht voll mit Autolärm sind und voll mit Müll, sondern schöne Umgebungen. Wir wollen tolle Manufakturen und inhabergeführte Läden, wir wollen wiederkehrende Veranstaltungen, die Teilhabe und Inklusion ermöglichen. So bekommt man qualitativ hochwertige, authentische und entsprechend schöne Produkte.

Auf welchen Aspekten der Nachhaltigkeit liegt der Fokus bei den touristischen Anbieter:innen in Bremen?

Wenn ich mit den touristischen Einrichtungen spreche, merke ich, dass vor allem klassische Umweltthemen im Vordergrund stehen: Mobilität, Klima, LED. Bremen ist, würde ich sagen, grundsätzlich schon gut aufgestellt im Nachhaltigkeitsbereich, auch was Inklusionsprojekte – also soziale Nachhaltigkeit – angeht wie zum Beispiel das Geschichtenhaus oder das Projekt der Findorffer Torfkähne. Aber natürlich gibt es immer noch Luft nach oben.

Ein Kahn auf dem Wasser
Viel Grün und vielfältige nachhaltige Angebote: Der Bremer Tourismus ist im Nachhaltigkeitsbereich gut aufgestellt. © WFB / Melanka Helms-Jacobs

Sie sagten, der Bremer Tourismus sei im Nachhaltigkeitsbereich bereits gut aufgestellt. Wie hat sich das Thema bis jetzt Ihrer Meinung nach entwickelt?

Ich würde sagen, Bremen hat grundsätzlich schon viele gute Angebote, die auf das Thema Nachhaltigkeit einzahlen. Es ist eine sehr dankbare Aufgabe, in Bremen Projektleiterin für Nachhaltigkeit zu sein, denn wir haben eine schöne, kompakte Innenstadt, die schon eine Fußgängerzone ist. Viele Gäste bewegen sich ohnehin schon klimafreundlich zu Fuß oder mit dem Fahrrad innerhalb der Stadt, was die Planung von emissionsarmen, touristischen Mobilitätskonzepten erleichtert.

Wir haben tolle Parks und Gärten, unter den 15 einwohnerstärksten Städten in Deutschland ist Bremen die grünste. Zudem sind wir fahrradfreundlichste Großstadt und profizieren von der Weser und den vielen anderen Gewässern in der Stadt. Die Rahmenbedingungen, um ein nachhaltiges Produkt zu schnüren sind sehr gut in der Stadt der kurzen Wege. Da haben andere Städte ganz andere Herausforderungen.

Was die Angebote angeht, ist tatsächlich ein sehr positiver Trend festzustellen. Als ich vor circa einem Jahr bei der WFB angefangen habe, hatten nur ganz wenig Hotels in Bremen eine Nachhaltigkeitszertifizierung. Jetzt sind wir bei ungefähr 22 von 89 Hotels. Es ist wirklich ein rasanter Fortschritt festzustellen.

Ich merke allerdings, dass viele Betriebe und Einrichtungen sich noch nicht wirklich trauen, das Thema Nachhaltigkeit zu kommunizieren. Sie machen viel, schreiben dazu aber nichts auf der Website, verfassen keine Nachhaltigkeitsberichte, erwähnen es nicht bei Führungen.

Warum?

Bei einigen ist es die Angst vor Greenwashing. Man macht sich mit dem Thema angreifbar, der mediale und öffentliche Druck ist sehr groß. Bei einigen fehlen die Kenntnisse dazu. Einige machen schon sehr viel, wissen aber nicht, dass es ein Nachhaltigkeitsthema ist – zum Beispiel führen einige Museumsshops Souvenirs nur von lokalen Künstlerinnen und Künstlern, empfinden es aber nicht als erwähnenswert.

An dieser Stelle versuche ich zu sensibilisieren. Ich motiviere die Akteurinnen und Akteure im Rahmen meiner Arbeit immer wieder, ihre nachhaltigen Angebote zu kommunizieren, auch wenn es in ihren Augen ganz kleine, unwichtige Sachen sind. Dabei geht es natürlich um die Kommunikation gegenüber den Gästen aber auch nach innen in das eigene Unternehmen und an die Mitarbeitenden.

Was würden Sie Unternehmen raten, die Angst vor Greenwashing haben?

Voraussichtlich ab dem nächsten Jahr wird sich einiges aufgrund einer neuen EU-Verordnung ändern, die sogenannte „Green Claims Directive“. Man muss dann genau auflisten, auf welchen extern geprüften Zertifikate oder Nachweisen die eigenen Nachhaltigkeitsaussagen beruhen. Die Kommunikation wird dann viel faktenbasierter sein müssen. Damit macht man sich wenig angreifbar und kann die Themen viel besser in der Kommunikation aufgreifen. Ich werde demnächst eine Schulung für die touristischen Betriebe in Bremen anbieten, wie sie kommunizieren können.

Fahrradfahrende am Deich
Bremen gehört zu den grünsten und fahrradfreundlichsten Städten Deutschlands © WFB / Jonas Ginter

Sie sind seit einem Jahr als Nachhaltigkeitsmanagerin tätig. Welche konkreten Angebote bieten Sie den Partner:innen des Bremen Tourismus?

Durch die Tourismusstrategie 2025 schaffen wir Plattformen für Austausch. Wir haben verschiedene Themenschwerpunkte und bieten hierfür meistens zweimal jährlich eine Plattform. So geben wir den touristischen Anbieter:innen die Möglichkeit, zusammenzukommen, sich über neue Entwicklungen zu informieren, sich gegenseitig zu vernetzen. Es entstehen immer wieder mal Kooperationen zwischen Partner:innen, die ohne unsere Plattformen nicht entstanden wären.

Das Nachhaltigkeitsnetzwerk, das ich im Mai 2024 neu etabliert habe, ist ein Beratungs- und Schulungsangebot. Ich habe lange in der Nachhaltigkeitsberatungen gearbeitet. Ich kann interessierten Unternehmen also Tipps geben zu Zertifizierungen, zu Kommunikation, zu Vertrieb, zu Veranstaltungen. Wenn jemand Hilfe braucht, kann er oder sie wirklich gerne zu mir kommen.

Die Themen, um die es in diesem Netzwerk gehen wird, sind vielfältig und beziehen sich auf die konkreten Fragen und Bedürfnisse der Bremer Akteurinnen und Akteure: Es geht um Kommunikation, um Greenwashing, um nachhaltige Beschaffung, nachhaltige Speisekarten, nachhaltige Veranstaltungen.

Welche Learnings konnten Sie bereits aus Ihrer Arbeit und dem Austausch mit den touristischen Unternehmen aus dem Netzwerk ziehen?

Nachhaltigkeit ist immer ein Prozess. Es kommen immer neue Ideen, Richtlinien, Dinge, die man umsetzen kann und muss. Schnelle Ergebnisse und Erfolge gibt es selten, man muss langfristig planen. Was nicht bedeutet, dass man nicht schnell anfangen kann und schnell Dinge umsetzen kann. Oft geht es nur um kleine Verhaltensänderungen.

Welche Tipps haben Sie für Leistungsträger:innen, die anfangen möchten, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen, aber nicht wissen, wie?

Also das Wichtigste ist, die eigenen Mitarbeitenden einzubinden. Man braucht die Leute, die nah am Gast sind, die das Thema Nachhaltigkeit mitnehmen und enthusiastisch nach außen tragen. Um die Mitarbeitenden einzubeziehen kann man zum Beispiel das Thema innerhalb des Unternehmens spielerisch mit einer Bewegungs- oder Fahrradchallenge angehen. Oder man fordert die Mitarbeitenden zum Beispiel auf, in ihrer eigenen Abteilung drei Themen zu identifizieren, die leicht umgesetzt werden können. Da kommen manchmal ganz spannende Gedanken bei rum!

Nachhaltigkeitsnetzwerk Bremen Auftakttreffen

Vor welchen Herausforderungen stehen touristische Anbieter:innen in Bremen im Bereich der Nachhaltigkeit?

Nachhaltigkeit an Gäste kommunizieren! Viele wissen nicht, wo und wie sie anfangen sollen. Darüber hinaus ist das Thema Finanzierung und Fördermittel ein sehr komplexes. Es gibt unglaublich viele Programme und Initiativen innerhalb der öffentlichen Fördermittelvergabe. Es ist schwierig, den Überblick darüber zu haben welche Angebote es auf Landes- oder Bundesebene gibt, welche Anforderungen man erfüllen muss, wie man Anträge ausfüllt. Hier eine Orientierung zu finden, das ist, glaube ich, für viele eine Herausforderung.

Hier können sich Interessierte in Bremen gerne direkt an mich wenden, ich unterstütze gerne. Ansonsten gibt es zum Beispiel von klimakonsens einen Förderwegweiser für Klima, es gibt vom Kompetenzzentrum Grüne Transformation des Tourismus einen Förderwegweiser für touristische Förderangebote, es gibt die Förderdatenbank vom BMWK. Es gibt unterschiedliche Anlaufstellen.

Auch das Thema Messbarkeit von Nachhaltigkeit und Zielsetzung ist für viele eine Herausforderung. Man kann natürlich einfach so loslegen, aber es ist einfacher, sich ganz konkrete, messbare Ziele zu setzen – zum Beispiel kann sich ein Hotel das Ziel setzen, 20 Prozent Wasser einzusparen oder 50 Prozent der Gerichte auf der Karte mit lokalen Zutaten zuzubereiten. Wenn man wirklich Ziele und Kennzahlen und Messgrößen definiert, dann ist es auch leichter, Erfolge zu definieren und entsprechend nach außen und innen zu kommunizieren.

Worauf muss man als Wirtschaftsförderung beziehungsweise als Destinationsmanagementorganisation achten, um die touristischen Partner:innen der eigenen Stadt am besten zu unterstützen?

Ich würde als erstes den direkten Austausch mit den lokalen Betrieben und Akteurinnen und Akteuren empfehlen. Wir können letztendlich nur das vermarkten, was in der Stadt vorhanden ist. Das heißt, man braucht auf jeden Fall eine ganz enge Verbindung zu den Akteurinnen und Akteuren in der Stadt, also viel Austausch, viel informieren. Man sollte nicht hinter verschlossenen Türen agieren, sondern ganz viel nach außen kommunizieren. Und natürlich herausfinden, welche Bedürfnisse, welche Themen den touristischen Einrichtungen wichtig sind.

Sehr wichtig ist auch die Sichtbarmachung von nachhaltigen Angeboten auf Webseiten, auf Social-Media-Kanälen, im Katalog, in der lokalen Touristen-Information.

Darüber hinaus ist es wichtig, Kooperationen zu ermöglichen zwischen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren und gute Beziehungen mit ebendiesen Akteurinnen und Akteuren zu pflegen, sei es der DEHOGA, die Handelskammer, Förderbanken oder andere städtische Organisationen, die eine Expertise im Bereich Nachhaltigkeit haben.

Welche Projekte haben Sie bereits umgesetzt?

Wir haben bislang neue Webseiten ins Leben gerufen zu den Themen nachhaltiger Tourismus in Bremen und zu nachhaltigen Aktivitäten mit komplett neuen Inhalten strukturiert, um dem Thema Nachhaltigkeit mehr Raum zu geben.

WFB-intern habe ich habe gemeinsam mit dem zentralen Nachhaltigkeitsmanagement, das sich hauptsächlich mit der Implementierung von nachhaltigen Themen innerhalb der WFB beschäftigt, eine Leitlinie für nachhaltige Printprodukte umgesetzt. Dann haben wir uns letztes Jahr mit dem Bremen Convention Bureau fairpflichtet. Das ist der Nachhaltigkeitskodex der deutschen Veranstaltungswirtschaft. Ich habe mit dem Convention Bureau außerdem eine neue Website aufgesetzt zum Thema nachhaltig tagen: Worauf kann man achten, wenn man eine Tagung oder ein Event in der Stadt organisiert? Welche Dienstleistungen uns welche nachhaltigen Tagungshotels gibt es? Wie kann man klimaneutral tagen? Wir haben auch zum ersten Mal überhaupt ein Nachhaltigkeitskonzept für unsere Präsenz auf der ITB entwickelt.

Und mit welchen Themen beschäftigen Sie sich aktuell?

Einmal ist die Fortführung des Nachhaltigkeitsnetzwerks aktuell ein sehr wichtiges. Aber auch die Fortschreibung der Tourismusstrategie. Diese läuft nächstes Jahr aus und soll laut Koalitionsvertrag unter Nachhaltigkeitsaspekten fortgeführt werden, was ich natürlich gerne unterstützen möchte. Außerdem werden wir eine Webseite ins Leben rufen, die nachhaltige Hotels in Bremen vorstellt. Darüber hinaus engagieren wir uns in unterschiedlichen Projekten zu nachhaltigem Tourismus auf Bundes- und EU-Ebene.

Zusammen mit unserer Online-Abteilung arbeiten wir auch an mehr Social-Media-Content zum Thema Nachhaltigkeit. Darüber hinaus steht das Thema nachhaltige Give-Aways- und Souvenirs für die Bremen Information im Fokus. An diesen Themen arbeite ich nicht allein, sondern mit den entsprechenden Fachabteilungen bei uns im Haus. Ein weiterer Schwerpunkt wird das Thema Nachhaltigkeit bei WFB-Veranstaltungen sein, denn wir müssen natürlich mit gutem Vorbild vorangehen.

In Zukunft wird das Thema Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen als WFB klimaneutral werden – bei der Umsetzung von diesem Projekt bin ich ebenfalls sehr eng eingebunden.

Vielen Dank für das Gespräch!

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