„On Air“ – Rundfunkmusem Bremen
TourismusIch kenne es ja schon von dieser Stadt: Bremen kommt immer mal wieder mit der einen oder anderen Überraschung um die Ecke, wenn man gerade dachte, nun sei aber wirklich alles entdeckt. Diesmal werde ich vom Rundfunkmuseum überrascht. Das gibt es 1. schon seit sage und schreibe 39 Jahren in der Hansestadt und 2. ist es auch noch das größte bundesweit. Wer hätte das gedacht?
Herr Mathes vom Vorstand des Vereins empfängt mich im kleinen Eingangsbereich des Museums im langgezogenen, ausgebauten ehemaligen Fabriksgebäude auf dem Hinterhof der Findorffstraße 22-24.
Wir setzen uns und er erzählt mir, was der Verein „Bremer Rundfunkmuseum e.V.“ alles veranstaltet. Ich schreibe fleißig mit und nach wenigen Minuten sind bereits einige Seiten meines Notizbuchs gefüllt. Die Liste der Angebote ist lang – sie umfasst neben den üblichen Museumsöffnungstagen einen Reparaturservice alter Geräte, einen Geräteverleih, sechs Hörspielveranstaltungen im Jahr mit Radio Bremen, drei Gerätebörsen im Jahr, bei denen echte Schätze veräußert werden, Gruppenführungen, Lehrveranstaltungen für Kinder und Jugendliche sowie regelmäßige Funkertage für Amateurfunker. Nach dieser Aufzählung staune ich schon nicht schlecht. Doch Herr Mathes ist noch lange nicht am Ende.
Er zählt die Besonderheiten in den Ausstellungsräumen auf: die Erbschaft der Comedian Harmonists inklusive unveröffentlichter Originalbänder, ein ehemaliges Radio Bremen Studio, die Musiktruhe aus Carl Borgwards Privathaushalt. Noch mache ich mir keine Vorstellungen davon, welch umfangreicher Rundgang vor mir liegt. Auch als Herr Mathes betont, dass das Bremer Rundfunkmuseum das größte seiner Art in Deutschland ist, kann ich mir noch nicht recht das Ausmaß ausmalen. Schließlich fehlt mir jeglicher Vergleich.
Museum für alle Sinne
Aber dann laufen wir los und ich komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Zunächst zeigt mir Herr Mathes den Funkerraum und den daran anschließenden Lese- und Lehrraum, in dem Interessierte selbst nach einem Schaltplan ein Röhren- oder Transistorradio zusammenstecken können. Auch in die Werkstatt und in die sauber sortierten Materialschränke werfen wir einen Blick.
Oben: Das ist ein Radio – zumindest als Schaltplan, nach dem sich an einer Wand alles zusammenstecken lässt.
Dann gehen wir in die Ausstellungsräume. Insgesamt finden sich hier 750 Exponate, weitere 3000 sind im Fundus untergebracht. Sie dienen dem Verleih und als Ersatzteillager für Reparaturen. Beim Betreten des ersten Ausstellungsraums, in dem sich Geräte der 1920er bis 60er Jahre finden, wissen meine Augen erst gar nicht, wohin mit dem Blick. Auch meine Ohren sind etwas irritiert. Aus unterschiedlichen Richtungen dringen Musik und Sprache an mich heran – alles im typischen, räumlich klingenden Radiosound. Linkerhand eröffnet sich auf mehreren Regalebenen die Welt der 20er Jahre-Radios. Die sogenannten Geradeausempfänger, wie mir Herr Mathes erzählt. Radio Lautsprecher als getrenntes Set, dunkle Holztöne, von Kompaktheit keine Rede, genau ein Sender konnte empfangen werden.
Da soll nochmal jemand behaupten, Zeitreisen seien nicht möglich. Im Rundfunkmuseum wird das Gegenteil bewiesen. In der folgenden Stunde hüpfe ich mit Herrn Mathes zwischen den Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts hin und her, reise zurück in die Anfänge der Heimmusikanlagen, der ersten Fernseher und der Hifi-Welt.
Ich lerne, wie genau so eine Röhre in Radios eigentlich funktioniert und was der Unterschied zu Transistoren ist. Immer wieder macht mich Herr Mathes auch auf die Entwicklungen des Designs aufmerksam – ein mindestens ebenso wichtiges Element wie die Klangqualität.
Ich ertappe mich mehrmals bei dem Wunsch, über die hübschen Geräte streichen, an ihren wunderschönen Knöpfen drehen und ihre Kippschalter bedienen zu wollen. Und die gute Nachricht: Das dürfte ich sogar bei vielen Geräten. Denn das Museum ist ein wahres „Anfass- und Mitmach-Paradies“.
Herr Mathes führt mir hier und da die Klangqualität unterschiedlicher Geräte vor, zeigt mir alte Schellackplatten, die ersten Tonband- und Aufnahmegerätschaften und landet mit mir schließlich im zweiten Ausstellungsraums beim Modern-Design der 70er und 80er Jahre. Hier sind in einer Ecke auch Fernsehgeräte der einzelnen Jahrzehnte ausgestellt.
Als 1978 eine Gruppe aus Radio-Sammlern und Funkern den Verein gründete, fand man noch Herberge in einem alten Gebäude auf der Bürgerweide nahe des Schlachthofs. 2000 zog der Verein und damit auch das Museum dann in die Räume an der Findorffstraße. 3000 Besucherinnen und Besucher im Jahr verzeichnet das Museum auf 400 Quadratmetern, 42 Mitglieder umfasst der Verein. Im nächsten Jahr feiert er sein 40-jähriges Bestehen.
Schließlich betreten wir noch den letzten Raum, in dem ein Originalstudio von Radio Bremen aufgebaut ist. An den Wänden Holzschallwände, das Regiepult mit all seinen Schaltern, Hebeln und Knöpfen und natürlich der Moderatoren-Tisch, an dem echte Radiogeschichte haftet. Ich bin nun endgültig in der Vergangenheit angekommen.
Jedes Gerät ein Schmuckstück – Die Schönheit der Details
Auch am Ende unseres Rundgangs bin ich des Guckens, Hörens und Fühlens noch nicht überdrüssig. Wenn man gemeinhin behauptet, weniger sei mehr, dann beweist auch hier das Rundfunkmuseum das Gegenteil. Die Fülle der Exponate zeigt vor allem die Vielfalt dieses Themengebiets und zieht einen erst so richtig in die einzelnen Jahrzehnte und damit in den Bann der Geschichte.
Besucherinnen und Besucher sollten sich auf jeden Fall genügend Zeit nehmen, um tief in die Geschichte des Rundfunks eintauchen und sich in Details verlieren zu können. Ich komme auf jeden Fall nochmal mit mehr Zeit wieder.
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