Mit Hightech gegen das Bienensterben
WissenschaftTeam der Uni Bremen entwickelt System zur Bekämpfung der Varroamilbe
Sie gilt als gefährlichster Feind der Biene – die Varroamilbe. In Deutschland fallen ihr jedes Jahr zehn bis 20 Prozent der Bienenvölker zum Opfer. Forscherinnen und Forscher der Universität Bremen arbeiten daran, dass sich das ändert: Mit Mikrosystemen und künstlicher Intelligenz rücken sie den kleinen fliegenden Nutztieren auf den Pelz, um sie von den tödlichen Parasiten zu befreien. Das Interesse bei Imkerinnen und Imkern ist groß.
Jede Imkerin und jeder Imker kennt die Varroa-Milbe zu Genüge. Nahezu jedes Bienenvolk in Deutschland, aber auch in Europa und in Nordamerika, ist von den kleinen Spinnentieren befallen. Ihre Brut nistet sowohl in Bienenlarven als auch auf der Biene selbst und schwächt sie. Das erkannte vor einigen Jahren auch ein damaliger Mitarbeiter des Uni-Instituts für Mikrosensoren, -aktoren und -systeme (IMSAS) – und passionierter Hobby-Imker – der seinen Chef Professor Michael Vellekoop auf das Problem des Milbenbefalls aufmerksam machte. Zu der Zeit hatten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Kognitive Neuroinformatik (CNI) bereits ein Projekt gestartet, in dessen Rahmen sie Bienenstöcke unter anderem mit Sensoren zur Messung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit ausstatteten. Das Ziel: über die Dokumentation von Beobachtungen Rückschlüsse über Anomalien, den Status der Bienenvölker und mögliche Bienenkrankheiten zu ziehen. Wichtiges Know-how war damit schon in direkter Nachbarschaft auf dem Campus vorhanden. „So ist die Idee entstanden, gemeinsam ein System zur Bekämpfung der Varroa-Milbe zu entwickeln“, berichtet Vellekoop.
Nicht zu viel und nicht zu wenig
Aktuell gibt es dafür verschiedene Methoden, die mehr oder weniger effektiv sind. Weit verbreitet ist der Einsatz von organischen Säuren wie Ameisensäure, die Imkerinnen und Imker üblicherweise über Schwammtücher oder Verdunster in ihre Bienenstöcke einbringen. Der Nachteil: Zu hohe Dosierungen schaden den Bienen und können schlimmstenfalls zu ihrem Tod führen. Zu geringe Dosierungen erzielen keine Wirkung. Varroa-Milben saugen sich an den erwachsenen Bienen fest und schwächen ihr Immunsystem. Darüber hinaus sorgen für Missbildungen bei den Bienenlarven. „Starker Milbenbefall kann dazu führen, dass das gesamte Volk stirbt“, erläutert IMSAS-Leiter Vellekoop. „Um das zu verhindern, setzen wir an zwei Stellen an: Wir wollen gezielt die einzelne befallene Biene mit Säure besprühen. Und wir wollen im Bienenstock die genau richtige Konzentration erreichen, um die Larven zu schützen.“
Gezielte und wohldosierte Behandlung
Eine große Herausforderung – die das Uni-Team mit moderner Technik lösen will, und zwar mit einer Kombination aus Mikrosystemen und künstlicher Intelligenz (KI). Als Mikrosysteme werden Geräte oder Baugruppen bezeichnet, deren Komponenten kleinste Abmessungen im Bereich von einem Mikrometer haben. Zum Vergleich: Ein feines Sandkorn misst etwa 90 Mikrometer. Die Idee ist, dass die Bienen am Flugloch durch einen Tunnel geführt werden, in dem eine Infrarotkamera ihre Bewegung aufnimmt und mithilfe von KI auswertet, ob ein Befall vorliegt. Wenn dem so ist, löst eine Mikrodüse anschließend einen wohldosierten Sprühstoß aus, der die befallene Biene von ihrem ungebetenen Gast befreit und so verhindert, dass sie andere infizieren kann. Parallel messen Sensoren im Inneren des Bienenstocks Umgebungsparameter wie Temperatur, Luftfeuchte und die aktuelle Säurekonzentration. Abhängig von den erfassten Daten kann Letztere dann bei Bedarf über automatisierte Sprühanlagen erhöht oder mittels einer Lüftungsklappe verringert werden.
Mikrosysteme made in Bremen
Mit im Boot ist auch eine Ausgründung der Universität, das Bremer Unternehmen microfab Service GmbH. Der Spezialist für Mikrosystemtechnik prozessiert unter anderem sogenannte Wafer – Siliziumscheiben, die zwischen 100 und 10.000 Mikrosysteme enthalten. Das können Mikrofone oder Sensoren ebenso sein wie Thermometer oder Ultraschallwandler. Und eben Düsen. Zum Portfolio von microfab gehört unter anderem eine Düse, die so klein ist, dass sie tatsächlich einzelne Bienen gezielt besprühen kann. „Ursprünglich haben wir sie für die Medikamentenabgabe entwickelt“, erläutert Geschäftsführer Thomas Stärz. „Sie kommt zum Beispiel bei teuren Krebsmedikamenten zum Einsatz, die in einer sehr feinen Tröpfchengröße appliziert werden müssen, um tief in die Lunge zu gelangen.“ Darüber hinaus hat das Unternehmen nun eigens für das Bienenprojekt eine Nebeldüse konstruiert, die im Bienenstock einen feinen Tröpfchennebel erzeugt. „Das ist das Schöne an Bremen“, betont Stärz. „Wir haben hier nicht nur kurze Wege und gut funktionierende Netzwerke, sondern auch auf engem Raum ganz viel Know-how. Und wir haben die Fertigungsmöglichkeiten, die es für den Erfolg eines solchen Projekts braucht.“
Wesentliche Voraussetzungen geschaffen
Ein erstes Projekt mit dem Titel „BeeVar“, das aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert war, ist kürzlich ausgelaufen. Nun ist das Team auf der Suche nach einer Anschlussförderung, um die Arbeit fortführen zu können. Das Zwischenergebnis: Die wesentlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anwendung sind geschaffen. Das System im Bienenstock, das die Säurekonzentration misst und regelt, funktioniert schon gut. Auch die Kamera-Erkennung der im Tunnel fliegenden Bienen und deren automatische Besprühung ist dank der Algorithmen, die das CNI-Team geschrieben hat, auf einem vielversprechenden Weg. Lediglich die automatisierte Erkennung eines Milbenbefalls ist noch nicht zuverlässig gelungen. „Wir konnten bisher einfach nicht genügend Daten sammeln, um den Algorithmus entsprechend zu trainieren“, erläutert Doktorand Thomas Schweizer. „Weil die Testvölker hier auf dem Campus einen geringen Befall zeigen, konnten wir nur wenige Aufnahmen mit Milben machen. Zudem bleiben für die Behandlung der Bienen mit Ameisensäure nur wenige Wochen im Sommer, so dass wir während der Projektlaufzeit nur zwei Messreihen mit unserem System aufzeichnen konnten.“
In zwei Jahren zur Marktreife
microfab-Geschäftsführer Thomas Stärz geht davon aus, dass innerhalb von zwei Jahren ein marktreifes Produkt entstehen kann, sobald die Fortführung der Forschungsarbeit gesichert ist. Das Interesse bei den Imkerinnen und Imkern ist jedenfalls groß. „Die Varroa-Milbe ist für sie jedes Jahr wieder ein riesiges Problem“, macht Thomas Schweizer deutlich. „Wir haben da bisher ein sehr positives Feedback bekommen. Und es gibt schon mehrere Imker, die unsere Geräte testen wollen, wenn sie fertig sind.“
Pressekontakt:
Prof. Dr.-Ing. Michael Vellekoop, Fachbereich Physik/Elektrotechnik, Institut für Mikrosensoren, -aktoren und -systeme, Tel. 0421 218-62604, Mail: mvellekoop@imsas.uni-bremen.de
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