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24.4.2023 - Anne-Katrin Wehrmann

Senkrechtstart aus Opas Garage auf die internationale Bühne

Wissenschaft

Bremer Schüler vertritt Deutschland bei der Internationalen Wissenschafts- und Technikmesse ISEF in Texas

In rund 6.500 Arbeitsstunden hat der 16-jährige Bremer Schüler Hendrik Ridder eine Wasserrakete gebaut, die bis zu 270 Meter hoch fliegt
In rund 6.500 Arbeitsstunden hat der 16-jährige Bremer Schüler Hendrik Ridder eine Wasserrakete gebaut, die bis zu 270 Meter hoch fliegt © WFB/Sarbach

Mit seiner Wasserrakete und einer passend dazu entwickelten App hat Hendrik Ridder (16) aus Bremen zuletzt für Aufsehen gesorgt – und unter anderem den Preis des Bundespräsidenten beim Bundeswettbewerb „Jugend forscht“ gewonnen. Nun wird der Schüler vom Gymnasium Vegesack seine Arbeit den ganz Großen der Tech-Branche in Dallas (Texas) vorstellen. Die Aussichten auf eine steile Karriere könnten besser nicht sein.

Bis zum ersten Corona-Lockdown war Hendrik Ridder ein ganz normaler Schüler. Er traf sich mit Freunden, spielte Klavier und ging regelmäßig schwimmen. Inzwischen macht der 16-Jährige Hanseat weit über Bremen hinaus als ambitionierter Nachwuchsforscher von sich reden. Und das kam so: „Los ging es damit, dass mir gleich zu Beginn des Lockdowns langweilig wurde“, erzählt er. „Da habe ich mir überlegt, dass ich zum Zeitvertreib eine Rakete bauen könnte.“ Was eigentlich ein Gruppenprojekt in der AG Luft- und Raumfahrt seiner Schule in Bremen-Vegesack ist, nämlich der Bau einer aus einer einzelnen Flasche bestehenden Mini-Wasserrakete, wurde zu seinem ersten kleinen Privatprojekt. Eine Wasserrakete besteht aus einem luftdichten Behälter: Dieser wird mit etwas Wasser gefüllt und Luft hineingepumpt – dadurch steigt der Druck im Behälter. Ist der Druck hoch genug, wird das Wasser aus dem Behälter gestoßen. Es entsteht ein Rückstoß, der den Behälter wie eine Rakete abheben lässt. „Das erste Teil flog gleich drei Meter hoch“, erinnert er sich. „Damit war meine Faszination geweckt.“

Fliegende Wetterstation

Gut drei Jahre und mehr als 6.500 Arbeitsstunden später ist aus den bescheidenen Anfängen des Bremer Schülers eine 2,50 Meter lange Rakete geworden, die bis zu 270 Meter hoch fliegt und von einer selbst konstruierten Startrampe aus abgeschossen wird. Mittels eines dazugehörigen Servers und durch ein zusätzliches Steuerboard lässt sie sich vollautomatisch betanken und steuern. „Meine Wasserrakete dient als fliegende Wetterstation, die auf umweltfreundliche und kosteneffiziente Art den Wetterballon in einem geringeren Höhenprofil ersetzt“, erläutert Hendrik. „Dabei sammelt sie unterschiedliche Daten wie Höhe, Temperatur und Luftqualität, die über ein richtfunkbasiertes Antennensystem an die Bodenstation übermittelt werden.“ Über eine Kamera in der Raketenspitze lässt sich der gesamte Flug live mitverfolgen. Sobald die Rakete ihren höchsten Punkt erreicht hat, sprengt sich ihre Spitze ab und gleitet mithilfe eines kleinen Fallschirms zum Boden zurück, während sie weiter Daten sendet.

Das Besondere an Hendrik Ridders Erfindung ist der interdisziplinäre Ansatz: So entwickelte der Schüler auch eine eigene App, für die er sich sieben unterschiedliche Programmiersprachen aneignete.
Das Besondere an Hendrik Ridders Erfindung ist der interdisziplinäre Ansatz: So entwickelte der Schüler auch eine eigene App, für die er sich sieben unterschiedliche Programmiersprachen aneignete. © WFB/Sarbach

Treffen mit dem Bundeskanzler

Was die Arbeit des Bremer Jungforschers so besonders macht, ist sein interdisziplinärer Ansatz: So entwickelte Hendrik Ridder neben der Rakete auch eine eigene App, für die er sich in mühsamer Recherche sieben unterschiedliche Programmiersprachen aneignete. Die App macht es nun möglich, das gesamte System zu skalieren sowie alle angeschlossenen Geräte zu überwachen und zu steuern. „Das lässt sich dann auch auf andere Bereiche übertragen“, berichtet Hendrik, „zum Beispiel auf das autonome Fahren.“ Die Jury des Bundeswettbewerbs „Jugend forscht“ zeigte sich voriges Jahr von all dem so begeistert, dass sie ihm mit dem vom Bundespräsidenten gestifteten „Preis für eine außergewöhnliche Arbeit“ die höchstmögliche Auszeichnung verlieh. Im Herbst 2022 folgte eine Einladung zum persönlichen Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin – und inzwischen ist es auch schon vorgekommen, dass das Handy des Gymnasiasten klingelte und die Bundesforschungsministerin am Apparat war. „Das ist schon alles ziemlich aufregend“, sagt er. „Aber natürlich ist es auch toll und gibt eine Menge Rückenwind, so viel Anerkennung zu bekommen.“

„Weil es so viel Spaß macht“

Sonderpreise von der Fraunhofer-Gesellschaft, vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und von Airbus, Gewinner des „Preis der Sieben Faulen“, Anfragen von nationalen und zum Teil auch internationalen Medien: Es ist eine Menge los im Leben des 16-Jährigen. „Manchmal weiß ich selbst nicht, wie ich das alles neben der Schule schaffe“, erzählt Hendrik. An den meisten Tagen sitzt er nach Schulschluss noch bis Mitternacht oder sogar darüber hinaus an seinem Projekt. Da muss seine Mutter ihn dann manchmal daran erinnern, dass er zumindest ans Essen denkt. „Das mache ich alles nur, weil es mir so viel Spaß macht“, betont er. „Um Preise oder Ruhm ging es mir nie.“

Großer Auftritt in Texas

Das nächste spannende Kapitel in dieser Erfolgsgeschichte steht schon unmittelbar bevor: Am 13. Mai wird er ins Flugzeug steigen und nach Dallas (Texas) fliegen, um dort Deutschland bei der Internationalen Wissenschafts- und Technikmesse ISEF zu vertreten. Für die Logistik hat er sich namhafte Unterstützung ins Boot geholt. „Ich habe mir gedacht, dass es vielleicht nicht so ganz einfach ist, eine Rakete mit in die USA zu nehmen“, erzählt Hendrik. „Darum habe ich bei Airbus nachgefragt, ob die mir vielleicht helfen können.“ Die Antwort kam rasch: Ja, das können sie. Zusammen mit der ArianeGroup organisiert der Flugzeugbauer nun die Logistik und die Verzollung der gesamten Technik, übernimmt außerdem die Transportkosten.

Zwischen Gartengeräten und Werkzeug: Einen Großteil seiner Zeit verbringt Hendrik Ridder in der Garage seines Großvaters, die er zur Entwicklungszentrale seines Raketenprojekts umfunktioniert hat.
Zwischen Gartengeräten und Werkzeug: Einen Großteil seiner Zeit verbringt Hendrik Ridder in der Garage seines Großvaters, die er zur Entwicklungszentrale seines Raketenprojekts umfunktioniert hat. © WFB/Sarbach

Bremen als idealer Standort

Ein Faible für technische Fragestellungen zeigte sich bei dem 16-Jährigen schon früh: So bekam er als Kind eine Kiste mit Kabeln geschenkt, mit denen er lange Zeit begeistert herumbastelte. „Aber eigentlich hatte ich am Anfang von nichts eine Ahnung“, meint er. „Ich musste mir alles selbst beibringen und habe dafür viel gelesen und im Internet recherchiert.“ Einen Großteil seiner Zeit verbringt er seit drei Jahren in der Garage seines Großvaters, die er zur Entwicklungszentrale für sein Raketenprojekt umfunktioniert hat. Zwischen Gartengeräten und Werkzeug macht er es sich dort auf leeren Wasserkisten bequem, wenn er mal wieder an irgendetwas herumtüftelt. Dass Bremen sein Zuhause ist, sieht er als großen Vorteil für seine Arbeit: „Ich bin an einer Schule, die diese tolle AG Luft- und Raumfahrt hat“, erläutert er. „Und mit Airbus, der ArianeGroup, OHB und dem DLR ist Bremen einfach ein super Standort. Ich war schon bei allen, und alle haben mir ihre Unterstützung angeboten.“

Studierende bauen Raketen

Bremen bietet ein fruchtbares Umfeld für den Nachwuchs: Das zeigt auch die Tatsache, dass der Schüler aus Vegesack nicht der einzige junge Forscher ist, der sich in der Stadt mit Raketen beschäftigt. Da ist zum Beispiel ein Team aus Studierenden der Hochschule Bremen, die nach dem Bau von zwei Vorläuferprojekten aktuell an einer verkleinerten Höhenforschungsrakete mit dem Namen AQUASONIC3 arbeiten. Der Flug der Rakete, die im Rahmen des DLR-Nachwuchsförderprogramms STERN 3 (Studentische Experimental-Raketen) entsteht, ist für Oktober 2024 geplant. Noch mehr vorgenommen haben sich die rund 70 Studierenden von Universität und Hochschule Bremen, die sich im Verein ASTRA zusammengeschlossen haben. Ihr ambitioniertes Ziel: Mit ihrer Suborbital-Rakete „Transcendence“ wollen sie als erstes europäisches Studententeam die sogenannte Kármán-Linie in einer Höhe von 100 Kilometern über dem Meeresspiegel erreichen, die als gedachte Grenze die Luftfahrt von der Raumfahrt unterscheidet. Zum Einsammeln der 200.000 Euro, die sie für den Bau benötigen, läuft aktuell eine Crowdfunding-Kampagne. Zurzeit werden die einzelnen Subsysteme getestet, der Start der Rakete ist für das zweite Quartal 2024 geplant.

Das nächste Projekt steht schon in den Startlöchern: Die Konstruktion eines schwarmgesteuerten Satelliten-Netzwerks. Dafür nutzt Hendrik Ridder die Technik seiner Raketenspitze in einer deutlich verkleinerten Form.
Das nächste Projekt steht schon in den Startlöchern: Die Konstruktion eines schwarmgesteuerten Satelliten-Netzwerks. Dafür nutzt Hendrik Ridder die Technik seiner Raketenspitze in einer deutlich verkleinerten Form. © WFB/Sarbach

Schwarmgesteuertes Satelliten-Netzwerk

Unterdessen hat Hendrik Ridder die Entwicklung seiner Wasserrakete für beendet erklärt. Stattdessen arbeitet er mittlerweile daran, ein schwarmgesteuertes Satelliten-Netzwerk zu konstruieren. Dabei soll die Technik, die er bisher in der Raketenspitze untergebracht hatte, nun deutlich verkleinert in einem Leichtbau-Satelliten Platz finden: Diese sogenannten CanSats haben die Größe einer Getränkedose und werden ebenfalls mit einer Rakete für Messungen in die Höhe geschossen, können aber über einen längeren Zeitraum Daten erfassen. Die Technik für die Satelliten lässt er professionell in China fertigen, die Baupläne für die Platinen hat er selbst am PC erstellt.

Rückschläge gehören dazu

Während der Schüler aus Bremen das benötigte Material für seine Projekte anfangs noch über Rasenmähen und später über eine Crowdfunding-Kampagne finanzierte, kann er nun auch seine diversen Preisgelder einsetzen. Beim jährlich in Bremen stattfindenden bundesweiten CanSat-Schülerwettbewerb erlitt er allerdings kürzlich einen Rückschlag. „Als ich dran war, kamen Sturm und Hagel auf und alles lief schief“, berichtet Hendrik. Der Strom fiel aus, der Satellit verhedderte sich mit dem Fallschirm und stürzte schließlich ab. „Da hat es innerhalb von 30 Sekunden 4.000 Euro zerschossen. Aber so etwas passiert in der Forschung, das gehört auch dazu.“

Optionen für die Zukunft

Fürs Klavierspielen und Schwimmen hat der Schüler inzwischen keine Zeit mehr. Seine Freunde sind ihm aber nach wie vor sehr wichtig. „Es ist meine Priorität, das auch aufrecht zu halten“, macht er deutlich. „Die sind alle total interessiert und fragen montags in der Schule immer nach, was es Neues gibt.“ Wie es nach dem Abitur im kommenden Jahr für ihn weitergeht, weiß er noch nicht. „Da bin ich sehr offen, auf jeden Fall will ich mein technisches Interesse irgendwie einbringen.“ Nicht auszuschließen, dass er nach seiner USA-Reise schon etwas klarer sehen wird: „Angeblich wird man bei der ISEF zugeschüttet mit Stipendienangeboten und Karrieremöglichkeiten“, sagt Hendrik. „Ich hoffe, dass sich da irgendetwas ergibt.“

Pressekontakt: Hendrik Ridder, Tel.: 0170 4506541, E-Mail: hendrik.ridder@icloud.com

Bildmaterial: Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: In rund 6.500 Arbeitsstunden hat der 16-jährige Bremer Schüler Hendrik Ridder eine Wasserrakete gebaut, die bis zu 270 Meter hoch fliegt. © Jörg Sarbach

Foto 2: Das Besondere an Hendrik Ridders Erfindung ist der interdisziplinäre Ansatz: So entwickelte der Schüler auch eine eigene App, für die er sich sieben unterschiedliche Programmiersprachen aneignete. © Jörg Sarbach

Foto 3: Zwischen Gartengeräten und Werkzeug: Einen Großteil seiner Zeit verbringt Hendrik Ridder in der Garage seines Großvaters, die er zur Entwicklungszentrale seines Raketenprojekts umfunktioniert hat. © Jörg Sarbach

Foto 4: Das nächste Projekt steht schon in den Startlöchern: Die Konstruktion eines schwarmgesteuerten Satelliten-Netzwerks. Dafür nutzt Hendrik Ridder die Technik seiner Raketenspitze in einer deutlich verkleinerten Form. © Jörg Sarbach

Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen berichtet bereits seit Juli 2008 monatlich über Menschen und Geschichten aus dem Bundesland Bremen mit überregionaler Relevanz herausgegeben von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Bei den Artikeln handelt es sich nicht um Werbe- oder PR-Texte, sondern um Autorenstücke, die von Journalisten für Journalisten geschrieben werden. Es ist erwünscht, dass Journalistinnen und Journalisten den Text komplett, in Auszügen oder Zitate daraus übernehmen. Bei Fragen schreiben Sie einfach eine E-Mail an pressedienst@wfb-bremen.de.

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