Mission possible
PressedienstBremerhavener Alfred-Wegener-Institut koordiniert einmalige Expedition in die Arktis
Ein Jahr eingefroren im Eis: Das Forschungsschiff Polarstern startet im September die größte Expedition in die Arktis, die es je gab. Kapitän Stefan Schwarze, ausgebildet an der Hochschule für Nautik in Bremen, wird sieben Monate an Bord sein. Jedes Jahr manövriert er die Polarstern in Antarktis und Arktis. Doch diese Reise wird völlig anders werden.
Eisbrecher Polarstern lässt sich einfrieren
Es begann als Idee, erinnert sich Atmosphärenphysiker Professor Dr. Markus Rex vom Alfred-Wegener-Institut (AWI): „Man müsste doch mal...“ hieß es 2011, als sein Vorgänger am AWI-Standort Potsdam eine transarktische Eisdrift-Expedition unter Kollegen ins Gespräch brachte. Die Wissenschaftler diskutierten, erinnert sich Rex, verwarfen dann aber die Idee: unmöglich zu realisieren. „Aber sie ging uns nicht aus den Köpfen.“ Jetzt, acht Jahre später, erklärt er, was ab September auf ihn und seine Kollegen auf der Polarstern zukommen wird. Denn dann startet die eigentlich unrealisierbare Mosaic-Expedition, deren Leiter er inzwischen ist und die sie am AWI eben doch mit jahrelanger Vorbereitung möglich gemacht haben.
„Arktis ist der Hotspot des Klimawandels“
Mosaic ist das größte Expeditionsvorhaben in der Arktis, das es weltweit je gegeben hat. 60 Institutionen aus 17 Nationen sind beteiligt, 300 Wissenschaftler aus der ganzen Welt werden im Verlauf eines Jahres auf dem Schiff im Einsatz sein. Das Budget: 120 Millionen Euro. Eingefroren im Eis, soll das Forschungsschiff durch die Arktis und über den Nordpol driften. Die Forscher wollen auf diese Weise nicht weniger als einen Durchbruch in der Klimaforschung erreichen. „Die Arktis ist der Hotspot des Klimawandels und gleichzeitig die Region der Welt, von der wir kein gutes Verständnis haben“, erklärt Rex. „Das wollen wir ändern.“
Wechselwirkung zwischen Eis, Ozean, Atmosphäre und Ökosystem
Forschungsreisen fanden bislang nur im Sommer statt; dann, wenn das Eis so dünn ist, dass sich Eisbrecher einen Weg bahnen können. Entsprechend unvollständig ist die Datenlage und das Wissen über die komplexen Prozesse in der Arktis. Wann entstehen beispielsweise Risse im Eis im Winter? Wieviel Wärme dringt vom Ozean durch die Risse in die Atmosphäre? Und was machen Krill und Meeresorganismen, wenn sich im Winter die Eisdecke auf dem Wasser schließt? Diesen und weiteren Fragen wollen die Forscher mit umfangreichen Messungen im Verlauf der Jahreszeiten im Wasser, in der Atmosphäre und im Eis auf den Grund gehen. Im Fokus stehen die Wechselwirkungen zwischen Eis, Ozean, Atmosphäre und Ökosystem: „Das sind die Prozesse, die das Klima der Arktis bestimmen“, erklärt Rex. Die Daten sollen auch helfen, Klimamodelle und -prognosen zu verbessern. Denn die variierten bislang extrem, so Rex: Manche prognostizierten einen Temperaturanstieg von 5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts, andere 15 Grad. „Das ist keine verlässliche Grundlage für politische Planungsprozesse.“
Expedition nur bedingt planbar
Wenn die Polarstern Mitte September den norwegischen Hafen Tromsø gen Norden verlässt, wird auf der Brücke Kapitän Stefan Schwarze stehen. Ausgebildet an der Hochschule für Nautik in Bremen, fährt er seit 1990 auf der Polarstern. Jedes Jahr manövriert er den Forschungseisbrecher in Antarktis und Arktis. Doch diese Expedition ist anders, sagt er: „Sie ist nicht so im Detail planbar. Anders als sonst ist unser Fahrplan ein angedachter Rahmen, den wir natürlich versuchen auszufüllen. Aber ob das in dem zeitlichen Ablauf passiert, weiß heute keiner. Das ist für mich der Reiz.“
„Es ist ein Wettlauf mit dem Einbruch der Polarnacht“
Ziel ist es, die Polarstern Richtung 130° Ost und 85° Nord zu steuern. Das ist nördlich der sibirischen Inselgruppe Sewernaja Semlja. Die Koordinaten sind Resultat eines Forschungsprogramms, das den besten Punkt für die transarktische Drift ermittelte. Dort angekommen, beginnt die Suche nach einer geeigneten Eisscholle – und damit der kniffligste Part der Reise. Die Scholle muss dick und groß genug sein für das Eiscamp der Forscher und in der richtigen Wassermasse für die gewünschte Drift liegen, die das Schiff über den Nordpol schieben soll. Wie lange die Suche dauert, ist nicht vorauszusehen, doch die Zeit ist angesichts der einsetzenden Polarnacht eng. Bis zur absoluten Dunkelheit muss das Camp samt Equipment für die Messstationen auf dem Eis stehen. „Das wird eine sehr intensive Phase“, sagt Rex. „Es ist ein Wettlauf mit dem Einbruch der Polarnacht.“ Anschließend wird das Schiff an der Scholle Anker auswerfen. Den dann folgenden Fahrplan bestimmt die Drift. An Bord wird nur noch eine Schiffsmaschine laufen, um für Strom und Wärme zu sorgen in der ansonsten unwirtlichen Gegend mit minus 20 bis minus 45 Grad.
Eisbären müssen frühzeitig geortet werden
Rund 100 Menschen werden gleichzeitig an Bord arbeiten und forschen, alle zwei Monate wird die Besatzung ausgetauscht. Weitere 300 Menschen arbeiten im Hintergrund, um die Expedition zu ermöglichen. Vier Eisbrecher aus Russland, Schweden und China versorgen die Expedition mit Treibstoff und Lebensmitteln im Verlauf des Jahres, zusätzlich wird auf dem Eis eine Landebahn für Flugzeuge errichtet. Alle Forscher haben ein Eistraining absolviert. Rund um die Uhr wird das Geschehen auf dem Eis - 150 Tage im Dunkel der Polarnacht - kontrolliert, um Gefahrenquellen wie Risse im Eis oder nahende Eisbären möglichst früh zu erkennen. Es ist ein enormer logistischer Aufwand. Das AWI steckte in den vergangenen Jahren viel Zeit in die Vorbereitung und Koordination. Jetzt wird es Zeit, dass es losgeht, sagen sowohl Expeditionsleiter Rex als auch Kapitän Schwarze. „Wir freuen uns wahnsinnig drauf“, so Rex.
Pionier Nansen macht es vor 125 Jahren vor
Wenn alles nach Plan läuft, wird das Schiff im September 2020 in der Framstraße bei Spitzbergen wieder in offene Gewässer kommen. Vor 125 Jahren hatte ihnen der Norweger Fridtjof Nansen mit seinem Forschungssegler „Fram“ diese Eisdrift vorgemacht. Doch lassen sich die Expeditionen ansonsten kaum vergleichen: Nansen hatte nur einfachstes Messgerät an Bord, auf der Polarstern füllen Messinstrumente rund 30 Container, vom Tauchroboter bis zum Quadrokopter. Und: Nansen war drei Jahre lang unterwegs, solange soll Mosaic nicht dauern. „Dann haben wir die falsche Strömung erwischt“, scherzt der Kapitän.
Pressekontakt:
Dr. Katharina Weiss, Communications Manager MOSAiC am Alfred-Wegener-Institut (AWI), Telefon +49 (0)471-4831-2008, E-Mail: katharina.weiss@awi.de.
Bildmaterial:
Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.
Foto 1: Im September startet die Polarstern zu ihrer bislang längsten Expedition in die Arktis. Ein Jahr wird das Schiff durch das Packeis driften – angedockt an eine Eisscholle. © Alfred-Wegener-Institut/Mario Hoppmann
Foto 2: Zur Vorbereitung auf die MOSAiC Expedition absolvierten die Wissenschaftler ein Sea and Ice Training in Finnland. © Alfred-Wegener-Institut/Roland Kerstein
Foto 3: Atmosphärenphysiker Markus Rex war an der jahrelangen Vorbereitung der MOSAiC-Expedition beteiligt und ist heute deren Leiter. © Alfred-Wegener-Institut
Foto 4: Stefan Schwarze ist seit 1990 auf der Polarstern tätig. Sieben Monate wird er bei dieser Expedition auf dem Schiff verbringen. © Alfred-Wegener-Institut/Claudia Pichler
Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen berichtet bereits seit Juli 2008 monatlich über Menschen und Geschichten aus dem Bundesland Bremen mit überregionaler Relevanz herausgegeben von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen arbeitet ähnlich wie ein Korrespondentenbüro. Bei den Artikeln handelt es sich nicht um Werbe- oder PR-Texte, sondern um Autorenstücke, die von Journalisten für Journalisten geschrieben werden.
Bei Fragen schreiben Sie einfach eine E-Mail an pressedienst@bremen.de.
Erfolgsgeschichten
Vor seiner Pensionierung war er wissenschaftlicher Geschäftsführer des Instituts für Interkulturelle und Internationale Studien sowie Leiter des Arbeitsbereich Wahlen und Parteien am Institut für Politikwissenschaft. Heute engagiert er sich beim Hannah Arendt Institut für politisches Denken und führt außerdem seine Forschung im Bereich "Regieren und Politik in Bremen" fort.
zum PorträtEr sorgt dafür, dass sich das Publikum in wenigen Augenblicken in einer Szene orientieren kann: Weit mehr als hundert Filmproduktionen hat der Bremer Szenenbildner Dennis Duis schon begleitet und dabei mit Bildern und Stimmungen die jeweilige Welt geschaffen, in der die Handlung spielt. Eines seiner jüngsten Projekte wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.
Mehr erfahrenMit dem Einzug des Fachbereichs für Rechtswissenschaften und weiterer Institute der Universität Bremen in das ehemalige Gebäude der NordLB am Domshof entsteht ein lebendiger Ort im Zentrum der Stadt, der maßgeblich zur Entwicklung der Bremer City beiträgt. Tradition und Moderne verschmelzen in einer spannenden Architektur, die nicht nur Studierende begeistert.
Mehr erfahren