„Ich bringe Ökos bei, weniger zu nerven“
Social EntrepreneurshipSolidarunternehmer Christian Gutsche
Zum Interview treffen wir uns vor einem Altbremer Haus in der Wielandstraße im Bremer Viertel. Warum dieser Ort im Leben von Christian Gutsche eine große Rolle spielt, wird er später noch verraten. Bevor unser Gespräch starten kann, muss er noch schnell ein Handytelefonat beenden. Er habe „ganz schön viel auf dem Zettel“ sagt der Unternehmer entschuldigend. Als er auflegt, setzen wir uns zum Gespräch auf die breiten Eingangsstufen des Hauses mit der Nummer 15.
Schnell ist klar, dass dies kein gewöhnliches Interview werden wird. Das klassische Frage-Antwort-Spiel funktioniert mit Gutsche nicht. Der 35-Jährige möchte erst einmal wissen, mit wem er es zu tun hat, bevor er von sich erzählt. Während sein Gegenüber spricht, hört er aufmerksam zu und stellt immer wieder interessiert Fragen, obwohl es doch eigentlich um ihn gehen soll. Seine Art zu kommunizieren, legt den Verdacht nahe, dass hier ein Profi am Werk ist. Und genau so ist es. Gutsche arbeitet unter anderem als Klimakommunikationstrainer.
Was macht ein Klimakommunikationstrainer?
„Ich bringe Ökos bei, weniger zu nerven“, erklärt er lächelnd. Dies sei nötig, weil viele Menschen, die andere für Klimaschutz begeistern wollen, oftmals das Gegenteil bewirkten. „Andere mit Informationen zu überladen und ihnen Vorwürfe zu machen, weil sie nicht genug fürs Klima machen, ist kontraproduktiv“, sagt er. In seinen Workshops übt er deshalb mit den Teilnehmenden, das Thema Klimaschutz empathisch und positiv zu kommunizieren. An seinen Trainings, die unter anderem von der Heinrich-Böll-Stiftung oder Organisationen wie dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) getragen werden, haben deutschlandweit bereits über 1.000 Personen teilgenommen.
Das Trainerdasein spielt im Leben des promovierten Physikers aber nur eine Nebenrolle. „Ich habe meine wissenschaftliche Karriere in der Batterieforschung beendet, um mich volle Kanne der Weltverbesserung zu widmen“, erzählt der gebürtige Thüringer. Selbstständig gemacht hat er sich 2019 mit Unterstützung der Aktiven vom Verein Bremer SolidarStrom, mit denen zusammen er sich seit über 15 Jahren für die Energie- und Wirtschaftswende einsetzt. Zudem durchlief er das Coachingprogramm des Starthauses und arbeitet seitdem auch weiterhin mit dem Starthaus Bremen zusammen.
Solidarität zahlt sich aus
Wer erfahren will, wie der Verein die Welt verändern möchte, ist in der Wielandstraße 15 an der richtigen Adresse. Hier hat der Bremer SolidarStrom seinen Sitz und betreibt auch einen Coworking Space und ein Café. Im Hochparterre des Altbaus, wo sich die Büroräume befinden, startet unser Rundgang: Gutsche erklärt, dass der Bremer SolidarStrom drei Services anbietet. Dazu gehören der Vertrieb von reinem Ökostrom, Selbstbau-Solarstromanlagen und Balkonsolarmodulen. Was hat es mit den Solaranlagen zum Selberbauen auf sich? „Für die Energiewende benötigen wir ganz viel Solarenergie, aber es fehlt an Fachkräften, um die Anlagen zu installieren“, erklärt Gutsche. Die Lösung: Die Kundinnen und Kunden packen selbst mit an. Die Elektroarbeiten müsse ein Profi übernehmen, aber das Anbringen der Module sei einfach. „Wir planen die Solaranlage, bestellen alles und leiten die Leute dann beim Aufbau an“, erklärt Gutsche.
Auch die Balkonsolarmodule lassen sich einfach selbst installieren. Dabei handelt es sich um 1 Meter hohe und 1,80 Meter lange Solarmodule, die sich an Balkon, Fassade oder Dach anbringen lassen. Auch Mieterinnen und Mieter können so ihren eigenen Strom produzieren. Der Bremer SolidarStrom vertreibt dieses Produkt auf Basis eines solidarischen Preismodells. Menschen, die sich nicht mehr leisten können, bekommen ein Modul für 400 Euro. „Bei diesem Verkaufspreis liegt unsere Marge bei null“, erläutert Gutsche. Der Normalpreis pro Stück beträgt 500, der Gutverdienendenpreis 600 Euro. „Das Ganze funktioniert also nur, wenn Menschen, die mehr Geld zur Verfügung haben, auch mehr bezahlen“, sagt der Wahlbremer. Bisher scheint dieser Plan aufzugehen: Im Schnitt zahlen die Menschen pro Modul 550 Euro.
Noch Plätze frei im CoLab
„Wir wollen diesen Ansatz des nachhaltigen und gemeinschaftsbasierten Wirtschaftens in Bremen bekannter machen“, erklärt Gutsche als er die Tür zum CoLab Coworking Space öffnet, in dem zehn Arbeitsplätze zur Verfügung stehen. „Es gibt viele Leute mit pfiffigen Ideen, die aber das Risiko scheuen, alleine zu gründen“, meint der Unternehmer. „Wir wollen deshalb den Menschen, die sich für Klimaschutz und solidarisches Wirtschaften engagieren möchten, einen Raum bieten, in dem sie sich austauschen und gegenseitig supporten können“, sagt er. Aktuell zahlen die Mieterinnen und Mieter für einen Teilzeitarbeitsplatz im CoLab 110, 150 oder 190 Euro monatlich – je nachdem, was sie sich leisten können – und noch gibt es freie Plätze.
Weiter geht es ins Souterrain des Hauses, wo vor einigen Wochen das vom SolidarStrom getragenen Café Sunshine eröffnet hat. Hier setzen wir uns für einen Kaffee auf die breiten Steinstufen, die zur Straße hochführen. Auf der Karte des Zero-Waste-Cafés gibt es jede Menge vegane Gerichte und Getränke. Preise sucht man vergebens. Die Gäste entscheiden selbst, was sie für Tee, Limo oder Mittagessen bezahlen möchten. „Klimaschutz und gemeinschaftsgetragenes Wirtschaften“, betont der Gründer, „das sind die beiden großen Zukunftsthemen für Sozialunternehmen.“
Über sich selbst sagt der Gründer, er sei ein Grübler, und dass er sich seit nunmehr 15 Jahren für den Klimaschutz engagiere. Es ist also kein Wunder, dass sich der Physiker Sorgen macht. „Wenn ich sehe, wie das Rheinland absäuft oder Getreide auf dem Acker vertrocknet oder vom Starkregen umgehauen wird, dann macht mir das in stillen Momenten Angst“, sagt er. „Aber ich versuche mich an das zu halten, was ich in meinen Workshops vermittele.“ Er konzentriere sich auf Lösungen: „Es gibt eine unaufhaltsame, gesellschaftliche Entwicklung in Richtung Umweltbewusstsein und ich hoffe, dass wir diese Krise noch meistern können, wenn wir jetzt schnell gemeinsam anpacken. Mit der Energie- und Wirtschaftswende können wir alle dazu einen Beitrag leisten und gleichzeitig gute Jobs schaffen.“
Gemeinsam für Sozialunternehmen in Bremen
Unter dem gemeinsamen Projekt “Förderung der Solidarischen Wirtschaft, Genossenschaften und Social Entrepreneurship“ vereinen sich Maßnahmen des Starthauses Bremen, der Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH (BIS) sowie der Wirtschaftsförderung Bremen (WFB). Alle haben das gemeinsame Ziel, Bremen als Standort für Sozialunternehmen attraktiver zu machen und die Gründung sowie Ansiedlung dieser Unternehmen zu fördern. Als Teil der Regionalgruppe des Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland e.V. (SEND) engagiert sich die WFB für ein engeres Zusammenwachsen der Branche und kooperiert mit Akteuren wie dem Social Impact Lab Bremen.
Interessieren Sie sich für weitere Stories aus Bremen? Dann melden Sie sich hier zu unserem Newsletter an!
Erfolgsgeschichten
Er sorgt dafür, dass sich das Publikum in wenigen Augenblicken in einer Szene orientieren kann: Weit mehr als hundert Filmproduktionen hat der Bremer Szenenbildner Dennis Duis schon begleitet und dabei mit Bildern und Stimmungen die jeweilige Welt geschaffen, in der die Handlung spielt. Eines seiner jüngsten Projekte wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.
Mehr erfahrenAls Kunstprojekt gestartet, hat sich das Bremer Start-up ooley mit seinen nachhaltigen Designsocken am Markt etabliert. Gestaltet wird in Bremen, produziert wird in Italien, verkauft wird in 150 Geschäften sowie online. Im Sortiment sind auch Sockenmotive mit Lokalkolorit, sei es die Weser oder der Grünkohl.
Mehr erfahrenMit ihren Fotos will sie Emotionen einfangen – ganz ohne Kitsch. Das überzeugt nicht nur ihre Kundinnen und Kunden: Die Bremerin Gianna König wurde in diesem Jahr zu Norddeutschlands bester Hochzeitsfotografin gekürt. Dadurch schaffte sie es bis ins Finale des bundesweiten Wedding King Awards.
Mehr erfahren