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Geschäftsführung New Normal - Quelle: New Normal / Mehler
11.1.2024 - Jann Raveling

Mit Zinseszins für die Nachhaltigkeit

Social Entrepreneurship

CO2-Emissionen vermeiden mit nachhaltigen Investments

CO2-Kompensationen per Zertifikat sind durch Skandale in Verruf geraten. Wem kann man noch glauben? Bei der Bremer New Normal GmbH steht Vertrauen ganz im Vordergrund – und CO2 reduzierende Investments, von denen alle profitieren: Geldgebende, unterstützte Projekte und die Natur.

Der Skandal um die US-Organisation Verra Anfang 2023 hat das Vertrauen vieler Anleger:innen erschüttert. CO2-Zertifikate, die kaum Emissionen einsparen, Klimaschutzprojekte mit zweifelhafter Wirkung – das sorgt für viel Unsicherheit.

Aber der Bedarf nach nachhaltigen Anlageformen ist nach wie vor hoch. „Es gibt viele Gründe, warum Unternehmen nach wie vor nachhaltig investieren wollen. Um mit ihrem Geld etwas Gutes zu tun, um den eigenen CO2-Ausstoß zu kompensieren und Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit nachzukommen, als Instrument der Öffentlichkeitsarbeit oder des Recruitings“, sagt Tristan Georgus.

Der 34-Jährige ist einer der zwei Gründer von der New Normal GmbH, die im Juli 2023 mit ihrem Hauptsitz nach Bremen zog. 2022 in Berlin gegründet, hat sich das inzwischen 20-köpfige Team ganz auf das „Impact Investing“ verlegt, also das messbar nachhaltige Anlegen.

Tristan Georgus
Mitgründer Tristan Georgus © New Normal / Mehler

Geld für eine Tonne CO2

Das Gründungsduo aus erfahrenen Finanzexperten um Georgus und Christian Mankel bringt dabei Angebot und Nachfrage zusammen – Nachfrage nach nachhaltigen Investments und das Angebot an Unternehmen und Projekten, die Geld für ihre Vision benötigen.

Dabei konzentrieren sie sich ganz auf ökologische Nachhaltigkeit und bieten Investments in CO2-reduzierende Unternehmen und Projekte. Je nachdem, wie viel Emissionen ein Unternehmen oder ein/e Investor:in kompensieren will, können sie bei der New Normal GmbH mit dem „Geld für Tonne“-Ansatz in eine entsprechende Menge CO2-Reduktion investieren. „Der Preis einer Tonne CO2 orientiert sich bei uns an den offiziellen Zertifikaten des EU-Handels und liegt derzeit etwa bei 80 bis 100 Euro“, so Georgus.

Idealerweise handelt es sich dabei um „unvermeidbare“ Emissionen – also solche, die sich nicht durch Vermeidung und Reduktion eigener und fremder Emissionen der Wertschöpfungskette vermeiden lassen. vertretbare Investitionen in neue Anlagen oder Betriebsmittel, durch den Kauf von grüner Energie oder nachhaltigen Rohstoffen vermeiden lassen.

Dieses Geld setzt die New Normal dann ein, um wertschöpfende Unternehmen und Projekte zu finanzieren, die CO2 einsparen, nach Wunsch auch mit Auswahl durch den Investierenden.

Zinseszins für die Nachhaltigkeit

Das Besondere: Das Geld wird verzinst (angelehnt an die Zielinflation von 2 Prozent) und fließt als Fremdkapital in kurzlaufende Projekte mit ein bis fünf Jahren Laufzeit. Es ähnelt damit einer Anleihe oder einem Bankdarlehen. „Für Investorinnen und Investoren ist das attraktiv. Denn neben dem guten Zweck – der CO2-Einsparung – erhalten sie das Geld plus Inflationsausgleich zurück und können es gleich wieder in neue Unternehmen und Projekte stecken. Es gibt einen Zinseszins-Effekt für den guten Zweck“, so Georgus.

Christian Mankel
Zweiter Gründer im Bunde: Christian Mankel © New Normal / Mehler

Impact Investing: Cashflow fürs Klima

Damit dieser wertschöpfende Ansatz funktioniert, schauen Georgus und sein Team akribisch auf die Projekte, in die sie investieren. „Wir wollen keine großen Risiken eingehen und einen klaren Return of Investment sehen. Deshalb achten wir nicht nur darauf, dass die Unternehmen und Projekte ökologisch sinnvoll sind, sondern auch, dass die Geschäftsmodelle dahinter auf soliden Füßen stehen und zum Beispiel einen positiven Cashflow erzeugen“, fasst es Georgus zusammen.

Ein Beispiel dafür ist Vinokilo. Das Mainzer Unternehmen handelt in 14 Ländern mit Second-Hand-Mode und wächst seit der Gründung 2015 stark. Jedes Vintage-Kleidungsstück vermeidet dabei CO2 – denn es werden keine neuen Hosen, Shirts und Jacken produziert und um den halben Globus verschifft. Gründer Robin Balser arbeitet mit New Normal zusammen, um die Gebrauchtkleidung anzukaufen: „Selbst bei Vintage-/Secondhand-Ware gibt es saisonales Geschäft. Um möglichst großen Impact zu erzeugen, setzt Vinokilo da an, wo der herkömmliche Fashion-Händler sitzt. Als echte Alternative, um Ressourcen zu sparen. Für jedes gekaufte Secondhand-Kleidungsstück muss kein neues Kleidungsstück produziert werden und spart deshalb Ressourcen. Vinokilo kann durch die Finanzierungen von Tristan und dem New Normal Team das Sammeln der Kleidung vorfinanzieren “, so Balser.

Vertrauen ist gut, Kontrolle …

Aber wie stellt die New Normal sicher, dass Projekte wie Vinokilo wirklich CO2 einsparen und Greenwashing keine Chancen hat? Hier kommt der „New Normal Standard“ ins Spiel, eine eigens geschaffene Prüfmethodik. Dieses orientiert sich unter anderem an der GRI 305, einem Standard der anerkannten Global Reporting Initiative und kompatibel mit den CSRD-Vorgaben der EU. „Jedes Jahr prüfen externe und akkreditierte Institutionen wie zum Beispiel SQS Deutschland unsere Projekte anhand dieses Standards und stellen so sicher, dass wir auch wirklich eine Wirkung erzielen“, führt Georgus aus.

Neben der externen Prüfung legen die Gründer zudem großen Wert darauf, die Projekte und deren Verantwortliche persönlich zu kennen. Wie der Blick in die Bücher gehören dazu ausführliche Gespräche mit den Verantwortlichen und Einblicke in die Produktion oder das Gewerbe. Übrigens: Es müssen nicht zwangsläufig gemeinnützige oder ökologische Unternehmen sein, in die das New-Normal-Team investiert. Auch Industrie- oder Gewerbeunternehmen, die ein CO2-einsparendes Projekt verfolgen, kommen als Projekte in Frage.

Lücke im Investmentmarkt gefunden

Die meisten Investments liegen bisher im sechs- bis siebenstelligen Bereich. „Damit können wir sicherstellen, dass eine gewisse Unternehmensgröße vorhanden ist und die Projekte einen sinnvollen Impact erreichen und gleichzeitig das Risiko eines Ausfalls geringer ist“, so Georgus.

Mit dem Modell besetzen die Bremer eine Lücke – neben Bankenfinanzierungen, die oft langsamer und mit mehr Sicherheiten arbeiten sowie Risikokapitalfonds, die in der Regel in Eigenkapital investieren. Hinzukommt, dass manche Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit aus ideellen Gründen nicht mit klassischen Banken zusammenarbeiten wollen, aber bei New Normal auf Menschen treffen, die ähnliche Ansätze wie sie verfolgen.

Denn das Gründerduo hat gut bezahlte Jobs in der Bankenwelt an den Nagel gehängt, um die eigene Vision nachhaltigen Investierens wahr werden zu lassen. So bringt Tristan Georgus etwa langjährige Erfahrung im M&A-Bereich (Fusionen und Übernahmen) in das Unternehmen ein, mit Stationen in New York, Frankfurt und Berlin.

Die dortigen Erfahrungen brachte ihn dazu, neue Wege im Investmentbereich zu suchen: „Ich habe mir irgendwann die Sinnfrage gestellt – wie will ich leben, was will ich leisten, was zurücklassen? Diese Fragen haben mich zum Impact Investing geführt.“

Screenshot
Second-Hand-Mode von Vinokilo: Eines der erfolgreichen New-Normal-Projekte

Bremen wird Kompetenzzentrum Finanzen bei New Normal

Und führte ihn letztlich auch in die Hansestadt. Denn einerseits wollte der gebürtige Bremer wieder näher bei Freunden und Familie sein und die Vorteile der Stadt mit ihren kurzen Wegen, vielem Grün und lockerer Atmosphäre genießen. Andererseits sieht er in der nordwestdeutschen Metropolregion aber auch viel Potenzial: Neben nachhaltig orientierten Kundinnen und Kunden oder Investorinnen und Investoren auch im Fachkräftemarkt. „In Berlin oder Frankfurt ist der Kampf um Finanzexpertinnen und -experten groß, der Markt ist leer. Hier in Bremen gibt es kaum eine Finanzbranche, wir können viel einfacher Leute finden und sie mit unserer Begeisterung für die Stadt an uns binden.“

Als zweiter Gründer im Bunde ist Christian Mankel im Bereich der Geschäftsentwicklung aus Bad Reichenhall aktiv – dank Remote Work ist das kein Problem. Als Ex-Banker, und spezialisiert auf nachhaltige Finanzierung, bringt er 33 Jahre Finanzmarkterfahrung mit, wovon 18 Jahre überwiegend von nachhaltigen Investments geprägt waren. Die Begeisterung für Impact Investing, teilt auch der Bremer Daniel Duntemann, der als Technischer Sachverständiger Wissen im Bereich von IT-Systemen oder Elektrotechnik beisteuert – das bei der Einschätzung von Investmentvorschlägen dem Team eine wichtige Entscheidungsgrundlage bietet. „Wir wollen etwas verändern“ – da sind sich die drei einig. „In Bremen gibt es ein hohes Nachhaltigkeitsbewusstsein, viel Offenheit für die Themen. Wir glauben, dass die Stadt Vorreiter sein kann, wenn es um nachhaltig finanzierte Projekte geht.“

Services der WFB für Sozialunternehmen

Die WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH fördert und stärkt Sozialunternehmen in Bremen und unterstützt bereits bestehende Sozialunternehmen, die noch nicht in Bremen ansässig sind, um hier einen neuen Standort aufzubauen. Zu den Angeboten gehört Beratung rund um den Bremer Standort, das heißt zu Themen wie Ansiedlung, Standort, Personal, Marketing und Finanzierung, aber auch Vernetzung mit relevanten Bremer Organisationen, Behörden und Unternehmen.

Im Programm "Social Entrepreneur by Starthaus" unterstützt das Starthaus Bremen & Bremerhaven zudem Gründerinnen und Gründer im Bereich der Sozialunternehmen.

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