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Wann sind Sozialgenossenschaften sinnvoll? - Quelle: unsplash
17.10.2024 - Jann Raveling

Wann ist eine soziale Genossenschaft sinnvoll?

Social Entrepreneurship

Wie man mit Genossenschaften zum Gemeinwohl beitragen kann

Wann ist eine soziale Genossenschaft sinnvoll? Genossenschaften sind eine Rechtsform, in der viele Menschen sich zusammenschließen, um unternehmerisch ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Sozialgenossenschaften im Besonderen kommen dem Gemeinwohl zugute und geben so der Gesellschaft etwas zurück.

Viele kennen Genossenschaften aus dem Alltag: Etwa Raiffeisengenossenschaften im Agrarbereich, Volks- und Raiffeisenbanken im Finanzsektor oder auch Wohnungsbaugenossenschaften.

Auch im sozialen Bereich werden es immer mehr. Ein Beispiel ist die Assistenzgenossenschaft Bremen, in der die einzelnen Genossenschaftler:innen Dienstleistungen rund um die persönliche Pflege in Anspruch nehmen. Mit mehr als 400 Angestellten ist sie ein mittelständischer Betrieb, der in der Hansestadt für Arbeitsplätze sorgt.

Genossenschaften im sozialen Bereich: Wenn Form und Zweck zusammenkommen

Ein erfolgreiches Beispiel, wie auch Ulli Mitterer, Unternehmensberater vom Genossenschaftsverband Weser-Ems e.V., bestätigt: „Der Schutz und die Förderung der Mitglieder steht grundsätzlich immer im Vordergrund einer Genossenschaft, denn das ist ihre Idee. Eine Sozialgenossenschaft ist immer dann gegeben, wenn zudem die Allgemeinheit einen Vorteil daraus zieht und nicht die Ausschüttung von Dividenden an die Genossenschaftler:innen oder deren Nutzenmaximierung im Vordergrund steht.“

Genossenschaften, die als Sozialunternehmen agieren, kann es in verschiedenen Formen geben: Etwa in der Pflege (wie oben beschrieben), als soziale Wohnungsbaugenossenschaften, als solidarische und ökologisch orientierte Naturschutz- und Landwirtschaftsgenossenschaften oder als Vereinigungen, die sich besonders dem Ziel „gute, faire Arbeit“ verschrieben haben.

Viele Köchinnen und Köche machen den Brei schmackhafter

Aber wann lohnt sich eine Genossenschaft? Verglichen mit einer GmbH oder einem Verein hat eine Genossenschaft viele Vorteile, aber auch einige zusätzliche Pflichten. „Genossenschaften sind die insolvenzsicherste Rechtsform in Deutschland“, sagt der 43-jährige Experte, der dutzende Genossenschaften jedes Jahr begleitet. Das liege daran, dass eine Genossenschaft laut Gesetz alle zwei Jahre vom Genossenschaftsverband geprüft werden müssen. Außerdem nutzen sie ihre erwirtschafteten Gewinne in hohem Maß für Reinvestitionen und zur Bildung von Eigenkapital. Vor allem bei den regelmäßigen Prüfungen der Jahresabschlüsse würden wirtschaftliche Probleme schnell auffallen und man könne – auch mit beratender Hilfe des Genossenschaftsverbandes - rechtzeitig gegensteuern.

Menschen tragen Solarpanel
Die Bremer Genossenschaft BEGeno hat sich der nachhaltigen Energiewende verschrieben. © WFB/Lüers

Grundsätzlich ist eine Genossenschaft sinnvoll, wenn eine große Zahl an potenziellen Interessierten gemeinsam etwas erreichen wollen. Eine Genossenschaftsgründung ist ab zehn Personen möglich, idealerweise sollten aber weitaus mehr zusammenkommen. Dies ist auch für die Bildung von Eigenkapital von Vorteil, denn jede Genossin und jeder Genosse muss einen oder mehrere Anteile erwerben, um mitzumachen. Aus der Summe der Einzahlungen ergibt sich dann das Eigenkapital. Dabei könne auch mit vergleichsweise kleinen Beiträge eine ausreichende Eigenkapitaldecke gebildet werden. „Deshalb empfehle ich allen Gründerinnen und Gründern vor dem Start eine öffentliche Infoveranstaltung, um eine möglichst große Zielgruppe zu erreichen“, so Mitterer, der im Vorfeld auch das Geschäftsmodell auf „Herz und Nieren“ prüft, um dessen Tragfähigkeit zu gewährleisten und ein Scheitern zu verhindern.

Die Frage nach der Höhe des Eigenkapitals hängt dabei natürlich auch mit dem Zweck zusammen: Wenn eine Genossenschaft eine Windkraftanlage kaufen will, braucht sie mehr Geld, als wenn sie gemeinschaftlich Gemüse anbaut.

Allgemein gibt es zahlreiche Vorteile einer Genossenschaft:

  1. Bündelung von Know-how: Alle Mitglieder können in der Genossenschaft ihr Wissen einbringen und sich engagieren. Dadurch gibt es oft eine breite Wissensbasis, von der die Gemeinschaft profitiert.
  2. Partizipation: Jedes Mitglied in der Genossenschaft hat dasselbe Mitspracherecht bei Entscheidungen, diese werden auf der jährlichen Generalversammlung getroffen. Sie erreicht so basisdemokratisch ihre Ziele. Es gilt, jedes Mitglied hat eine gleichberechtigte Stimme.
  3. Beratung & Unterstützung: Durch die Mitgliedschaft im Genossenschaftsverband erhalten die Mitglieder Zugang zu wertvollen Beratungsdienstleistungen und viel unternehmerisches Wissen.
  4. Förderung: Viele Kommunen oder der Bund bieten besondere Programme oder Förderungen, die es Genossenschaften leichter machen.
  5. Akzeptanz: Genossenschaften haben eine hohe Akzeptanz in der Gesellschaft. Insbesondere leben sie das Prinzip „in der Region und für die Region“.
  6. Engagement: Durch die hohe Akzeptanz und die vielen Mitglieder lassen sich viele Aufgaben in Teilbereichen und bei bestimmten Genossenschaftsgründungen zunächst auch ehrenamtlich erledigen. Das erleichtert gerade am Anfang das Geschäftsmodell und senkt die Kosten. Wird die Genossenschaft größer, können Beschäftigte eingestellt werden.

Gemeinwohl und Gemeinnützigkeit bei Genossenschaften beachten

Grundsätzlich sind Genossenschaften also durch ihre demokratische Grundprinzipien, der regionalen Verbundenheit und der Fokussierung auf die Nutzenmaximierung ihrer Mitglieder und nicht der Profitorientierung nachhaltig und sozial aufgestellt. Auch rein formal gibt es keinen Unterschied zwischen einer sozial oder ökologisch (also am Gemeinwohl) orientierten Genossenschaft und einer, die Dividenden ausschüttet oder Warenrückvergütungen zahlt (zum Beispiel Energiegenossenschaft). Die Mitglieder haben alle die gleichen Rechte, Pflichten und Möglichkeiten. Sie sind es, die darüber entscheiden, wie die Mittel verwendet werden und wie die Satzung geschrieben wird.

Anders liegt der Fall, wenn auch eine Gemeinnützigkeit erreicht werden soll. Dieser Status („gemeinnützige Genossenschaft“) kommt aus dem Steuerrecht und wird vom Finanzamt erteilt. Dies zieht Rechte (geringere Steuerabgaben) und Pflichten (die Gewinnverwendung ausschließlich zu gemeinnützigen Zwecken) mit sich und hat nichts mit der Genossenschaftsgründung zu tun. Denn auch Unternehmen oder Vereine können gemeinnützig sein oder werden. „Eine Genossenschaft kann von Beginn an gemeinnützig sein oder erst später diesen Status erlangen. Ab dann prüft das Finanzamt alle drei Jahre, ob der Status nach wie vor gerechtfertigt ist“, so Mitterer.

Zwei Menschen am Laptop
DIe Bremer RiffReporter stehen für unabhängigen und zugleich fair bezahlten Journalismus - organisiert in Form einer Genossenschaft © WFB/Rathke

Soziale Genossenschaft dann sinnvoll, wenn finanzielle Basis steht

Neben einem engagierten Team müssen Genossenschaften, die sich um soziale und ökologische Zwecke kümmern wollen, vor allem einen guten Blick auf die Finanzierung haben, rät der Genossenschaftsberater Mitterer. „In diesen Bereichen kommen Gelder häufig aus Förderungen auf Kommunal-, Landes- oder EU-Ebene. Man braucht noch keine finale Förderzusage bei Gründung, aber es ist gut, bereits Anträge gestellt zu haben, damit wir bei der Prüfung des Businessplans eine solide und realistische Finanzbasis vorfinden.“

Denn wie jedes andere Unternehmen muss auch eine Genossenschaft einen Businessplan aufstellen, der einen realistischen Blick in die Zukunft wagt. Zumindest eine schwarze Null muss darin zu erkennen sein, wie auch eine realistische Skalierung der Unternehmensgröße sowie des Umsatzes. Der Kundenkreis der Genossenschaft geht in der Regel über den Mitgliederbereich hinaus und richtet sich an alle relevanten Verbraucherinnen und Verbraucher oder Interessierte.

Als Beispiel: Die Bürgerenergiegenossenschaft BEGeno Bremen hat es nach zehn Jahren auf 360 Mitglieder gebracht und sei damit laut Experte Mitterer eine etwas größere Genossenschaft.

Förderung von Genossenschaften in Bremen

Das Land Bremen fördert Genossenschaften als Unternehmensform besonders. Denn sie sind Teil einer Initiative, die Bremen als Standort für Sozialunternehmen attraktiver machen soll und die Gründung sowie Ansiedlung dieser Unternehmen begünstigt. Das Starthaus Bremen, die Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH (BIS) sowie die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) arbeiten hier gemeinsam und bieten verschiedene Angebote rund um Gründung und Vernetzung. Die WFB unterstützt etwa bei Fragen zu Ansiedlung, Standort, Personal, Marketing und Finanzierung, schafft Netzwerke und vermittelt Kontakte. Initiativen wie diese kann auch Ulli Mitterer nur begrüßen. „Genossenschaften erleben gerade eine Renaissance.

Das Interesse von potenziellen Gründerinnen und Gründern aus verschiedenen Wirtschaftsbereichen ist groß. Veränderungswille ist ein starker Motivator und genau diesen fördert das Genossenschaftsmodell. Viele sagen sich ‚Bevor es jemand anders macht, mach ich das selbst‘ und das kann man nur begrüßen“ – so der Wirtschaftsjurist und bekennende Genossenschaftsfan, der aus der Privatwirtschaft in die Genossenschaftswelt wechselte, um genau diese Solidarität untereinander zu fördern.

Bisher in der Reihe "Genossenschaften in Bremen" erschienen:

  1. Qualitätsjournalismus aus Bremen – Wie die RiffReporter fundierte Arbeit zu fairen Konditionen schaffen
  2. "Bremen ist anderen Städten weit voraus“ – wie die Hansestadt zum Vorbild in der persönlichen Assistenz wurde
  3. Wie eine Bürger-Energiegenossenschaft in Bremen Arbeitsplätze schafft
  4. Wann ist eine soziale Genossenschaft sinnvoll?
Was ist ein Sozialunternehmen?

Neben Genossenschaften gibt es noch viele weitere Modelle für Sozialunternehmen. Welche das sind, dazu mehr in diesem Artikel.

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