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Solarpaneele - Quelle: WFB/Meier
23.9.2024 - Jann Raveling

Wie verkaufe ich Solarstrom an Mieterinnen und Mieter im Gewerbebetrieb?

Nachhaltigkeit

Gewerbemieterstrom: Kosten, Umlagemodell und Steuern

Photovoltaik-Strom an gewerbliche Mieter:innen verkaufen – das vereinfacht das neue Solarpaket 1 enorm. Eigentümerinnen und Eigentümer von Solaranlagen müssen nur einige wenige Punkte bei Kosten, Umlagemodell und Steuern beachten. Unser Ratgeber zu Gewerbemieterstrom.

Bis vor kurzem war das Thema Mieterstrom äußerst kompliziert: Wer den Strom seiner PV-Anlage weitergeben wollte, musste quasi ein „kompletter Stromversorger“ werden. Das ist nun nicht mehr der Fall. Das Stichwort heißt hier: gemeinschaftliche Gebäudeversorgung.

Aber wie funktioniert das in der Praxis? Die gute Nachricht: Ganz einfach. Tatsächlich gibt es kaum Unterschiede zwischen der Weitergabe von Strom an gewerbliche oder private Mieterinnen und Mieter.

Vorteile von Gewerbemieterstrom

Für die Eigentümer:innen der PV-Anlage liegt der Vorteil von Gewerbemieterstrom auf der Hand: Eine höhere Vergütung als die gesetzliche Einspeisevergütung, die in der Regel zwischen 8 und 10 Cent pro Kilowattstunde liegt.

Strom abzugeben lohnt sich also dann, wenn die PV-Anlage mehr produziert, als Eigentümer:innen verbrauchen können und es Dritte gibt, die den Strom abnehmen können. Da Gewerbebetriebe üblicherweise tagsüber ihren Strom verbrauchen, passen Verbrauch und Erzeugung (Sonnenschein) meist gut zusammen.

Natürlich gibt es weitere positive Effekte: eine engere Bindung der Nutzerinnen und Nutzer an die Vermietenden durch den attraktiven Strompreis, höhere Liquidität und generell die Förderung wirtschaftlicher Aktivität in der eigenen Gewerbeimmobilie.

Was muss man beachten, wenn man Solar-Strom an Mieter:innen abgeben will?

Es sind fünf einfache Schritt zu beachten:

  1. Umlagemodell wählen
  2. Intelligente Messysteme installieren (lassen)
  3. Strompreis festlegen
  4. Vertrag aufsetzen
  5. 1x jährlich Jahresabschlussrechnung erstellen Die Schritte erklären wir hier im Detail:

1.) Photovoltaik-Strom an gewerbliche Mieter:innen verkaufen: Umlagemodell wählen

Zunächst müssen die Eigentümerinnen und Eigentümer festlegen, nach welchem Modell sie Strom abgeben wollen. Dazu gibt es zwei sogenannte Verteilungsschlüssel:

Grafik mit verschiedenen Umlagemodellen
Jedes Umlagemodell besitzt Vor- und Nachteile © WFB/Raveling

Statische Aufteilung

Hier wird den Mieter:innen ein Anteil am PV-Strom prozentual fest zugeteilt (zum Beispiel bei 3 Parteien 30 - 40 - 30 Prozent). Braucht eine Partei innerhalb eines Abrechnungsintervalls (15 Minuten) mehr Strom als der Anteil zulässt, wird dieser durch Strom aus dem Netz ergänzt. Benötigt sie weniger, wird der übrige Teil einfach eingespeist, die Solaranlagenbesitzerinnen und -besitzer erhalten die Vergütung.

Dynamische Verteilung

Hier wird die Gesamtmenge des verfügbaren Stroms anhand des jeweils aktuellen Bedarfs (15-Minuten-Intervall) aufgeteilt. Dadurch wird der Strom potenziell ideal verteilt, es gibt keine teilweise Netz-Einspeisung einer Partei, während eine andere Partei gleichzeitig Strom aus dem Netz zieht. Bei einem sehr hohen Verbrauch einer Partei, der die Kapazitäten der Gesamt-PV-Anlage übersteigt, können so aber auch bei den anderen Parteien höhere Kosten anfallen, da sie nun (anteilig) ebenfalls Strom aus dem Netz beziehen, da für sie kein Anteil an der PV-Anlage „fest reserviert“ ist.

Eine Entscheidung kann hier zum Beispiel anhand der tatsächlich zu erwarteten Verbräuche getroffen werden.

Der gewählte Verteilungsschlüssel wird vertraglich vereinbart und dem Messstellenbetreiber (meist der Verteilnetzbetreiber, in Bremen zum Beispiel wesernetz) zur Erstellung der Abrechnung mitgeteilt.

2.) Intelligente Messsysteme installieren

An der PV-Anlage befindet sich ein Zähler, welche den Gesamtertrag erfasst. Zudem müssen bei den einzelnen Vertragsparteien jetzt sogenannte intelligente Messsysteme installiert werden. Das sind Stromzähler, die alle 15 Minuten den Verbrauch erfassen und loggen. Sie sind Voraussetzung dafür, eine gemeinschaftliche Gebäudeversorgung nutzen zu können.

3.) Was darf Mieterstrom kosten?

Hier gibt es keine Vorgaben, das ist Verhandlungssache zwischen beiden Vertragsparteien. Da das obere Ende durch den Marktstrompreis für Gewerbebetriebe natürlich gedeckelt ist, sollte Eigentümerinnen und Eigentümer einen Preis wählen, der einerseits die eigenen Kosten deckt (und Gewinn erzielt) und andererseits attraktiv für die Vertragsparteien ist.

Hierzu bietet es sich an, im Vorfeld die Gestehungskosten zu berechnen – also sämtliche Kosten, die im Zuge der Investition in die Solaranlage entstehen: Anlagenkosten, Wartung, Versicherung, Zinsen, Verwaltung und Netzkosten, Arbeitszeit und so weiter. Gerechnet auf die Laufzeit der Anlage (i. d. R. 20 Jahre) und einer angenommenen Ideal-Erzeugung von 1.000 kWh/kWp pro Jahr. Daraus ergibt sich ein Preis pro Kilowattstunde.

Rechnung:

1.) Größe der Anlage in kW x 1000 kWh/kWp (ideale Erzeugung in Stunden pro Jahr) x 20 (Jahre Betriebszeit) = kWh Ertrag über die Lebensdauer der Anlage

2.) (Investitions- + Betriebskosten über 20 Jahre) = Gesamt-Kosten über 20 Jahre Laufzeit

3.) kWh Ertrag über die Lebensdauer der Anlage / Gesamt-Kosten = Gestehungskosten in Euro

Das Ergebnis dieser Rechnung liegt bei modernen Anlagen bei 5 bis 10 Cent pro kWh. Mit einem Puffer für verregnete Sommer und einem fairen Gewinnaufschlag ergibt sich dann meistens ein Endpreis zwischen 12 und 15 ct/kWh, der den Mieter:innen angeboten werden kann.

4.) Vertrag für Photovoltaik-Strom mit gewerblichen Mieter:innen aufsetzen

Um Strom abgeben zu können, ist es nötig, einen Stromliefervertrag aufzusetzen. Dieser regelt Rechte und Pflichten und enthält neben dem Umlagemodell auch den Strompreis. Er sollte mindestens über ein Jahr geschlossen werden. Der Vertrag kann auch einen monatlichen Abschlag enthalten.

Es gibt hier bereits sehr gute Mustervordrucke: Musterverträge: Mieterstrom-Infoseite

Modell der Beziehung zwischen Eigentümer, Verteilnetzbetreiber und Mieter
Verschiedene Akteure sind nötig, damit die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung klappt. © WFB/Raveling

5.) Wie wird die Stromabrechnung zwischen den Vertragsparteien gelöst?

Der Messtellenbetreiber erfasst diese Daten und schlüsselt den Verbrauch dann nach jeweiligem Verbrauchendem auf. Er sendet diese Daten einerseits an den Verteilnetzbetreiber, der so feststellt, wieviel Strom ins öffentliche Netz eingespeist wurde und wieviel Strom die Mieter:innen aus dem Netz verbraucht haben. Daraus wird dann eine ganz normale Jahresabschlussrechnung erstellt, wie sie auch sonst vom Energieversorger (zum Beispiel in Bremen die swb) kommt.

Die Verbrauchsdaten werden aber auch an die Eigentümerinnen und Eigentümer der PV-Anlage gesendet. Diese können anhand der Daten feststellen, wieviel Strom die Mieterinnen und Mieter verbraucht haben und stellen ihrerseits ebenfalls eine Jahresabschluss-Rechnung anhand der Regelungen im Vertrag.

Mieterinnen und Mieter erhalten also zwei Rechnungen.

Welche Steuern muss ich auf meine Gewinne aus gewerblichen Solarstrom zahlen?

Bei kleineren Anlagen bis zu 30 Kilowatt Peak (kWp) sind Kauf, Installation und Erträge von Steuern befreit. Das macht es für Unternehmen wie Privatpersonen einfach.

Allerdings heißt das auch, dass sich Anschaffungskosten und Betriebskosten nicht mehr steuerlich absetzen lassen. Im Einzelfall kann das nachteilig sein – deshalb haben Gewerbe die Wahl, um Abschreibungen vornehmen zu können (in der Regel auf 20 Jahre, linear).

Bei Großanlagen sieht die Lage anders aus. Hier sind die Einnahmen aus dem Verkauf des Solarstroms wie jeder andere Betriebsgewinn zu versteuern. Details hierzu gibt es bei der eigenen Steuerberatung.

Muss ich eine eigene Gesellschaftsform nur für den Stromverkauf gründen?

Nein. Die Einnahmen können im Zuge der normalen Bilanzierung/GuV angegeben werden.

Bei weiteren Fragen rund um das Thema Gemeinschaftliche Gebäudeversorgung unterstützt auch der Solarexperte der WFB.

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